DNA-Markierungen

Gen-Schnipsel gegen Lebensmittelpiraten

Käse in einer Käsetheke am 04.04.2013 in Offenburg (Baden-Württemberg) in einer Filiale eines Edeka-Marktes
Kopierschutz beim Käse: Hersteller markieren Veränderungen im Erbgut . © dpa / picture alliance / Patrick Seeger
Von Udo Pollmer  · 27.03.2015
Kleidung, Parfum, Handys - die Welt ist voller Fälschungen. Dazu gehören auch immer mehr Lebensmittel. Die Industrie versucht das mit DNA-Markierungen zu verhindern. Doch die Fälscher werden mit Gentechnik zurückschlagen.
Lebensmittelbetrug ist stets ein großer Aufreger - kein Wunder, wenn sich Maultaschen als Gaultaschen erweisen oder teure Seezungen sich als minderwertige Tropenfische entpuppen. Aber nicht nur wir Kunden, auch die Unternehmen haben mit falsch deklarierter Ware ihre Probleme, inzwischen müssen sie sich immer öfter mit Lebensmittelpiraterie herumschlagen. So ziemlich alle Markenartikel werden gefälscht, angefangen von Babykost bis hin zu Edel-Spirituosen. Die aus minderwertigen Rohstoffen gepanschten Produkte sehen den Originalen zum Verwechseln ähnlich. Die britische Lebensmittelwirtschaft beziffert ihren Schaden mit über zehn Milliarden Pfund im Jahr. In Deutschland dürfte der Verlust kaum geringer ausfallen.
Seit Jahren arbeitet die Branche an Lösungen, um die Echtheit ihrer Waren schnell und zuverlässig prüfen zu können. Nun hat die finnische Lebensmittelbehörde Evira exakt dafür ein sogenanntes DNA-Strichcode-System zugelassen. Damit sind nicht etwa die Striche auf der Lebensmittel-Verpackung gemeint, sondern eine neue Klasse von Zusatzstoffen: synthetische DNA-Schnipsel – also im Labor hergestellte Genabschnitte, die so beschaffen sind, dass sie sich zuverlässig und schnell nachweisen lassen.
Beim Käse werden Starterkulturen markiert
Am einfachsten ist ein Zusatz zu Produkten, die von Natur aus gar keine DNA mehr enthalten wie etwa pures Olivenöl. Markiert der Abfüller sein teures Marken-Öl mit synthetischer DNA, und er entdeckt im Handel ein scheinbar identisches Produkt von einem Markenpiraten, kann er den Betrug mit einfachen Tests im Labor nachweisen. Er muss dann keine aufwendige Analyse des Flascheninhalts in Auftrag geben, um die Panscher zu überführen.
Schwieriger ist es bei Produkten, in denen die DNA-Schnipsel während der Verarbeitung abgebaut werden. Doch inzwischen haben Schweizer Technologen eine billige Lösung gefunden: Sie verpacken die DNA-Schnipsel in winzige aber schützende Silikat-Kügelchen. Nach den Erfahrungen der Forscher eignet sich das Verfahren hervorragend, um Milch zu markieren. So kann die Branche sicherstellen, dass ihre Alpenschoggi nicht mit australischem Flachland-Milchpulver gepanscht wird.
In den USA ist die Markierung mit DNA bereits zugelassen, die Europäer zieren sich noch. Doch das Prinzip ist auch bei uns längst da: Molkereien, die ihre Käsespezialitäten teuer verkaufen, markieren ihre Starterkulturen – also die Milchsäurebakterien, die man zur Reifung von Käse zusetzt. Die Hersteller nutzen kleine, spezifische Veränderungen im Erbgut der Mikroorganismen, die sich bis ins fertige Produkt nachweisen lassen.
Wettlauf zwischen Hase und Igel
Die Gen-Schnipsel haben sich bereits auf einem ganz anderen Gebiet bewährt, nämlich bei der Bekämpfung von Einbrüchen. Seit einiger Zeit werden manche Geschäfte durch DNA-Sprays gesichert, die bei einem Einbruch im Raum versprüht werden, um den Täter zu markieren – so wie Bankautomaten bei Beschädigung die Geldscheine mit Farbe besprühen. Doch die Entwicklung bleibt nicht stehen. Inzwischen werden Spezialsprays angeboten, mit denen man umgekehrt verräterische DNA wegsprühen kann – damit der Täter zum Beispiel nicht über Hautschuppen überführt werden kann. Um die Täuschung perfekt zu machen, enthält das Spray seinerseits künstliche DNA. Diesmal allerdings um falsche Fährten zu legen.
Es ist wie ein Wettlauf zwischen Hase und Igel. Auch bei Lebensmitteln werden sich die Fälscher nicht so leicht geschlagen geben. Vielmehr werden Sie versuchen, bei Gen-markierten Lebensmitteln die synthetischen Gen-Konstrukte zu identifizieren. Dann bauen sie diese nach und mischen sie ihren Fälschungen bei. Und schon gehen die Produkte wieder als "echt" durch.
Von besonderem Interesse für die Lebensmittelwirtschaft sind die Methoden zum Abbau von Genen. Denn damit lassen sich gentechnisch veränderte Rohstoffe im fertigen Produkt verschleiern. Das verräterische neue Gen wird bei der Verarbeitung gezielt entfernt. Dann erübrigt sich auch die heikle Deklaration "gentechnisch verändert". Und das Etikett bleibt sauber. Mahlzeit!


Literatur:
Welling A: DNA research to determine food authenticity. Finnish Food Safety Authority Evira Pressemeldung vom 16.03.2015
Bloch MS et al: Labeling milk along its production chain with DNA encapsulated in silica. Journal of Agricultural & Food Chemistry 2014; 62: 10615−10620
Bruni I et al: A DNA barcoding approach to identify plant species in multiflower honey. Food Chemistry 2015; 170: 308–315
Kumar S et al: A rapid screening for adulterants in olive oil using DNA barcodes. Food Chemistry 2011; 127: 1335–1341
Woolaston V: Privacy spray promises to remove all traces of DNA from surfaces - but could it be used to commit crimes without getting caught? Daily Mail Online 7. 5. 2014
Galimberti A et al: DNA Barcoding for Minor Crops and Food Traceability. Advances in Agriculture. 2014; Article ID 831875
Mehr zum Thema