Diskussion über deutsches Abtreibungsrecht

"Ich bin erstaunt, wie konservativ und patriarchal das Land ist"

Mit einem Plakat sprechen sich Demonstrantinnen am 24.11.2017 vor dem Amtsgericht in Gießen (Hessen) für die Selbstbestimmung von Frauen beim Thema Abtreibung aus. Auf ihrem Plakat steht "My body is not a democracy - and you don't get a vote" ("Mein Körper ist keine Demokratie - und Du bekommst keine Stimme"). Im Gericht muss sich die Ärztin Kristina Hänel verantworten. Sie soll auf ihrer Homepage für Abtreibung geworben haben und sich damit strafbar haben.
Vor dem Amtsgericht Gießen protestieren Unterstützerinnen gegen die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänle. Diese soll auf ihrer Homepage für Abtreibung geworben haben und sich damit strafbar machen haben. © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Pascale Hugues im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 12.12.2017
Aus der Zeit gefallen - so erscheint der Schriftstellerin Pascale Hugues die Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel wegen angeblicher Werbung für Abtreibungen. Aber auch in anderen Bereichen empfindet die Französin Deutschland als konservativ und patriarchal.
6.000 Euro Strafe soll die Ärztin Kristina Hänel dafür zahlen, dass sie auf ihrer Internetseite Abtreibung als Leistung angeboten hat. Das Amtsgericht Gießen sah darin unerlaubte Werbung – denn laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs darf für Schwangerschaftsabbrüche nicht geworben werden. Dagegen ziehen Hänel und zahlreiche Unterstützer jetzt zu Feld: Am Dienstag übergaben sie im Bundestag eine Petition, die die Änderung dieser Vorschrift fordert - mit mehr als 150.000 Unterschriften.
Den Fall und die daran anschließenden heftigen Diskussionen zwischen Unterstützern der Ärztin und Abtreibungsgegnern erschienen ihr als Französin anachronistisch, sagt die seit mehr als 20 Jahren in Berlin lebende Schriftstellerin und Journalistin Pascale Hugues. Frankreich habe eines der liberalsten Abtreibungsgesetze weltweit.
"Seit 1982 ist es frei. Das heißt, die Krankenkasse bezahlt es völlig, und Sie müssen jetzt nicht vor eine Kommission oder einen Beratungsschein haben. Es ist sehr, sehr frei, und das finde ich gut."

Modernes Land mit reaktionärer Gesetzgebung

Die Autorin und Journalistin Pascal Hugues: Ein Herz, zwei Länder
Die Autorin und Journalistin Pascal Hugues: Ein Herz, zwei Länder© privat
Dass es in Deutschland Ärzten nicht erlaubt sein soll, auf ihrer Internetseite anzugeben, dass sie als medizinische Leistung auch Abtreibungen anbieten, stößt ebenfalls auf Hugues' Unverständnis. Jedes Jahr würden etwa 100.000 Frauen in Deutschland abtreiben, und da sei es doch besser, wenn diese gut beraten würden, betont die Journalistin. "Es ist gut, dass man weiß, sie macht das. Dann klopft man nicht an die falsche Tür."

"Absurdes Ehegattensplitting"

Letztlich passt die Debatte für die Französin dann aber wohl doch zu Deutschland: "Ich bin immer erstaunt, wie konservativ, wie patriarchal dieses Land Deutschland ist", so Hugues. "Sie müssen hier einen Schein haben, Sie müssen das selbst bezahlen, so eine Abtreibung. Sie haben auch bei den Steuern dieses absurde Ehegattensplitting, Sie haben wenig Kindergartenplätze." Berufstätige Mütter würden zwar weniger als früher, aber doch immer noch als Rabenmütter bezeichnet:
"Es ist ein höchst industrialisiertes Land, ein sehr modernes Land und eine Gesetzgebung, die manchmal sehr reaktionär ist."
(uko)
Hören Sie hier die gesamte Sendung mit Pascale Hugues:
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