Digitale Bildung für Geflüchtete

Apps statt Lehrer?

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Ein kleiner Flüchtlingsjunge spielt am 26.01.2016 in einem Wohngebäude der Erstaufnahmestelle in Potsdam (Brandenburg) mit einem Smartphone © picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Von Philipp Eins · 09.04.2016
Wie lassen sich Kinder von Flüchtlingen ins Bildungssystem integrieren? Können Online-Angebote dabei helfen? Die Bundeszentrale für politische Bildung bringt Vertreter von Schulen, Kulturinstituten und Flüchtlingshilfswerken zusammen, um Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen.
Schon kurz nach Abschluss ihres Referendariats ist die Deutschlehrerin Katharina Waldmann in ihrem Job richtig gefordert. Zusammen mit einer Kollegin leitet sie zwei Willkommensklassen für 54 Flüchtlingskinder in der Kleinstadt Pattensen bei Hannover. Vor allem die unterschiedliche Herkunft und Vorerfahrung ihrer Schüler machen die Arbeit schwierig, sagt Waldmann. Einige Jugendliche kommen aus Syrien und dem Irak, andere aus Rumänien. Manche sind zehn Jahre alt, die anderen 18 – und alle sitzen in derselben Klasse.
"Einige können noch gar nicht schreiben und lesen, die bräuchten eine Einzelbetreuung, eigentlich. Andere sind schon sehr weit, sind immer schnell fertig und langweilen sich dann gegebenenfalls. Und wir haben ganz gute Erfahrungen mit so Hörstiften gemacht, gerade für diejenigen, die noch lernen zu lesen und zu schreiben, dass die sich selbst damit beschäftigen können: der Stift liest vor."
Tippen die Schüler mit dem elektronischen "tiptoy"-Stift auf ein Bild oder einen Text, hören sie passende Geräusche, Sprache oder Musik. Ein Tool, das eigentlich für Kinder gedacht ist. Doch auch bei der Alphabetisierung von Jugendlichen könnte es nützlich sein, meint Katharina Waldmann.

Sprachkurs-App oder Online-Kurse

Lehrer wie sie sind auf digitale Hilfsmittel angewiesen. Bis zu 20.000 Fachkräfte würden zusätzlich gebraucht, um die rund 300.000 Flüchtlingskinder zu integrieren, schätzt der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Ideen gibt es genug. Der Volkshochschulverbanband hat eine Sprachkurs-App entwickelt. Die Universität Lüneburg bietet Online-Kurse an, um junge Geflüchtete auf das Hochschulstudium vorzubereiten.
Der Vorteil: Ob zehn Kursteilnehmer mitmachen oder 10.000 – beim Online-Lernen spielt das keine Rolle. Zudem besitzen die meisten Flüchtlinge ohnehin Smartphones, um mit ihrer Familie in der Heimat Kontakt zu halten. Ersetzen können Apps den Unterricht aber nicht, meint Tim Schmalfeldt von der Bundeszentrale für politische Bildung:
"Also ich denke grundsätzlich, Sie können nicht die Lücke füllen, wenn es darum geht, einen Bedarf zu decken für die Willkommensklassen. Wo digitale Medien dann natürlich im zweiten Schritt sinnvoll sein können, das ist dann konkret in der Hilfestellung der Umsetzung des Unterrichts. Also sei es, wenn es um Sprache lernen geht, sei es, wenn es um kolaboratives Arbeiten geht, dass man da möglicherweise auch das Potenzial nutzt."

Lernen im Netz

Auch die Plattform LinguaTV ermöglicht Flüchtlingen, Deutsch zu üben. Wichtig sei, dass das Lernen im Netz Spaß macht, meint Geschäftsführer Philip Gienandt. Das Stichwort: Gamification – also der Einsatz von Erzählstrukturen, wie man sie vom Computerspiel kennt.
"Wir setzen Videos ein, Storytelling, wir erzählen kleine Geschichten aus dem Leben, aus dem privaten oder beruflichen Alltag, wo man lernt, sofort die Sprachkenntnisse anzuwenden. Das heißt, das wird unterstützt dann noch durch Lernspiele, interaktive Übungen, wo der Kursteilnehmer gar nicht so richtig merkt, dass er lernt, sondern unterhalten wird. Das geht dann gegen die Zeit, oder mit anderen, oder gegen andere."
Doch werden die Vielzahl an Apps und Online-Lernplattformen von geflüchteten Jugendlichen tatsächlich genutzt? Der Journalist Monis Bukhari aus Damaskus, der für Flüchtlinge die Facebook-Gruppe "Syrisches Haus in Deutschland" gegründet hat, ist skeptisch. Er meint, das Internet könne vor allem helfen, wenn es Menschen zusammenbringt.
"As an example there are thousends of the Syrians who lived here long enough like 15 years, 20 years and they ..."
Es gebe Tausende Syrer, die schon seit 15 oder 20 Jahren in Deutschland leben, sagt Monis Bukhari. Sie seien in beiden Kulturen zu Hause und könnten den Neuankömmlingen helfen, bei Arztbesuchen und Behördengängen, aber auch beim Lernen. Die Menschen online zu vernetzen, sei wirklich hilfreich – denn niemand verstehe die Bedürfnisse von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak so gut, wie ihre eigenen Landsleute.
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