Die Wurzeln des Antiamerikanismus im Iran

02.11.2011
Wer verstehen will, wieso ein Politiker wie Mahmud Ahmadinedschad im Iran noch heute die Karte des Antiamerikanismus zücken kann, dem wird dieses Büchlein helfen. Es beleuchtet in halbdokumentarischen Erzählungen Schlüsselmomente der jüngeren iranischen Geschichte, die den langsamen Bruch aufzeigen.
Wir schreiben das Jahr 1924, der Sommer ist heiß in Teheran. Kein Wunder also, dass das Gesicht des damaligen amerikanischen Vizekonsuls Major Robert Imbrie – der seit einem Jahr gemeinsam mit seiner Frau in der iranischen Hauptstadt weilt – "die Farbe von roten Rüben" annimmt. Doch Imbrie – eine historisch verbürgte Figur – erwartet Schlimmeres: Aufgrund eines dummen Zufalls wird er bald von einer aufgebrachten Menge Gläubiger erschlagen werden.

"Die Zeremonie des Hundetöten" lautet die erste von sechs Episoden, anhand derer der 1956 in Teheran geborene Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan das so schwierige und von Hass erfüllte Verhältnis zwischen dem Iran und Amerika rekapituliert. Rund 60 Jahre – von 1924 bis 1988 – umfassen diese halb dokumentarisch, halb fiktional angelegten Episoden, deren Handlungsstränge lose miteinander verwoben sind.

Zugleich beleuchten sie historische Schlüsselmomente in der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: allen voran den vom CIA geplanten und durchgeführten Staatsstreich gegen Premierminister Mossadegh im Jahr 1953; die Rückkehr des Schahs, dann dessen Sturz; schließlich die islamische Revolution im Jahr 1979, die unter anderem zur Folge hatte, dass im Juli 1988 Tausende politische Gefangene innerhalb weniger Tage in Massenhinrichtungen getötet wurden.

Cheheltan liefert dabei einen dunklen, aber auch überraschenden Befund über das iranisch-amerikanische Verhältnis. Denn er erinnert an eine Zeit, in der "die Vorliebe für Amerika noch nicht als Schande galt" im Land der Mullahs, Amerika noch Garant war für Freiheit und Gerechtigkeit. Was also ist geschehen? Entsprechend des bewusst doppeldeutigen Titels – wer tötet eigentlich wen? – betreibt Cheheltan eine Art zweifache Ursachenforschung: Seitens des iranischen Volks vermerkt er einerseits eine gefährliche Mischung aus Leidenschaft, Aberglaube, Religiosität, sozialer Unzufriedenheit und Geschichtsvergessenheit.

Die Amerikaner dagegen huldigten, wie einst Robert Imbrie, erst dem schon damals – so Cheheltan – "von Motten zerfressenen Mythos Persien". Dann begannen sie das Land bewusst zu destabilisieren, indem sie es mehr und mehr zum Spielball eigener politischer Interessen machten: erst im Kampf gegen den Kommunismus, dann im Ringen um das Öl.

Obwohl als Roman betitelt, bilden die sechs Episoden dabei keine durchgehende Handlung. Cheheltan, der die Katastrophen der jüngeren iranischen Geschichte am eigenen Leib erfahren hat, verklammert die einzelnen Bruchstücke erst allmählich und nur sehr subtil zu einem lockeren Ganzen, indem er Robert Imbries Geschichte mit den Lebenswegen einer iranischen Familie von Widerstandskämpfern zusammenführt, die wie der Vizekonsul letztlich alle für die Politik ihr Leben lassen müssen.

Gekonnt wechseln die Episoden daher zugleich zwischen historischem Kommentar und plastisch geschilderten Alltagsszenen. Leider wirkt die deutsche Übersetzung stellenweise spröde bis hölzern. Dennoch: Wer verstehen will, wieso ein Politiker wie Mahmud Ahmadinedschad noch heute die Karte des Antiamerikanismus zücken kann, der lese "Amerikaner töten in Teheran".

Besprochen von Claudia Kramatschek

Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran
Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf
C.H. Beck Verlag, München 2011
190 Seiten; 19,50Euro