Die USA auf dem Weg zum Energieriesen

Frank Umbach im Gespräch mit Gabi Wuttke · 01.02.2013
In bis zu vier Jahren könnten die USA durch Fracking zum weltweit größten Gasproduzenten werden, meint der Politologe Frank Umbach. Das habe Auswirkungen auf die globale Sicherheitsarchitektur. Beim Fracking werden Wasser und Chemikalien ins Gestein gepresst, um die Ausbeute zu erhöhen.
Gabi Wuttke: Fracking, um an Gas und Öl zu gelangen – der Politikwissenschaftler Frank Umbach beforscht als Kopf des Zentrums für Energie- und Ressourcensicherheit am King’s College in London auch die Konsequenzen dieser amerikanischen Strategie. Einen schönen guten Morgen!

Frank Umbach: Ja, guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Bald größter Ölproduzent der Welt – wie sieht es mit der heimischen Gasförderung der USA aus?

Umbach: Also eigentlich wurde die Fracking-Methode durch Weiterentwicklungen – denn sie ist ja prinzipiell nicht neu – zunächst mal zur Schiefergasförderung eingesetzt. Und tatsächlich war es dann so, dass 2009 die USA zum weltgrößten Gasproduzenten aufgestiegen waren und sogar in jenem Jahr Russland übertroffen haben, und man geht davon aus, dass jenseits 2015, 2017 die USA dann permanent über einen längeren Zeitraum tatsächlich dann auch zum weltgrößten Gasproduzenten aufsteigen kann.

Und diese Gasrevolution in den USA, die hat dann auch zu dieser Schieferölrevolution geführt, und diese Schiefergasrevolution hat dramatische Auswirkungen auf die weltweiten Gasmärkte und auch auf die Energiewende in Deutschland, beispielsweise, dass wir weitaus mehr Kohle importieren, die wesentlich günstiger ist als Gas, und wir hängen da sozusagen auch noch natürlich an diesen Langfristverträgen mit Russland. All das sozusagen ist heute dramatisch infrage gestellt.

Wuttke: Und was sind international gesehen für den Energiemarkt die dramatischen Auswirkungen dieses Frackings in den USA?

Umbach: Geoökonomisch auf jeden Fall ist der Gaspreis gesunken, die sogenannte Ölpreisbindung, auf der die Langfristverträge vor allem auch der deutschen Gasfirmen mit Russland basiert, ist wahrscheinlich bereits Geschichte. Nicht wenige Experten gehen davon aus, dass 2012 der Beginn, der Anfang des Endes dieser Ölpreisbindung ist. Und dieser Gaspreis ist in den USA so billig geworden, dass er weite Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat – die energieintensive Wirtschaft befürchtet hier in Europa, gerade auch in Deutschland, dass sie eben künftig nicht mehr wettbewerbsfähig wird. Und neben diesen geoökonomischen Auswirkungen hat es auch dramatische geopolitsche Auswirkungen, gerade in Bezug auf die Schieferöldiskussion und auch mit Blick dessen, welche Rolle die USA im Persischen Golf in der Vergangenheit gespielt haben.

Wuttke: Blicken wir doch mal in die Zukunft: Was heißt das denn für die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik, sich freizumachen von der Abhängigkeit, zum Beispiel gegenüber den Saudis, aber auch gegenüber Russland?

Umbach: Mit Blick auf die Saudis: Die USA haben jährlich 50 Milliarden US-Dollar aufgewandt für die Stabilität der Region mit Zustimmung der Regionalstaaten, insbesondere, was die Sicherheit der Schifffahrtswege betrifft, und da muss man sich noch mal dran erinnern, dass bereits 2001 damals im Zuge der Blut-für-Öl-Intervention der USA wir ja versucht haben, diese Intervention mit dieser Ölabhängigkeit zu erklären. Das ist in diesem Kontext nicht ganz richtig, denn damals bereits war die Abhängigkeit der USA von Ölimporten aus dieser Region erheblich geringer als die Abhängigkeit beispielsweise der Europäer und auch der Asiaten. Und im Zuge der jetzigen Neuorientierung der Außenpolitik, der Verringerung der Verteidigungshaushalte, wird es dazu führen, dass die USA eine sehr viel größere Lastenteilung von den Europäern und Asiaten einfordern werden, die sehr viel abhängiger von dieser Region sind. Das ist die eine Auswirkung.

In Bezug auf Russland wird es ganz bestimmt – und das sehen wir bereits heute – dazu führen, dass diese große Rolle, diese fast monopolartige Abhängigkeit vor allem der neuen EU-Staaten von Russland auch durch eine neue EU-Gaspolitik sich dramatisch in den nächsten Jahren verändern wird. Die Vertragsstrukturen verändern sich und wir sehen, welch große Probleme Russland hat, sich dort anzupassen, und wir sehen bereits heute, dass russisches Gas zur teuersten Option geworden ist. Und das wird sich in den nächsten Jahren noch weitaus verstärken, weil die neue Gasförderung in Russland wird von superteuren Gasfeldern kommen, deren Investitionsentscheidungen in 2004, vor mehr als zehn Jahren, getroffen worden sind unter völlig anderen, veränderten Rahmenbedingungen. Diese haben sich dramatisch verschoben.

Das hat Auswirkungen auf die Preise, es hat Auswirkungen auf die geopolitischen Abhängigkeiten, und die russische Rolle in Europa wird mit Sicherheit dadurch eine andere sein. Sie wird eher marginalisiert sein und es wird davon abhängen, wie stark Russland auf diese neuen Veränderungen tatsächlich reagieren kann. Der ökonomische Spielraum für Russland aufgrund dieser superteuren Felder und noch längerer Transportwege, wenn sie an Nord Stream oder South Stream denken. Dies wird … engt zugleich diesen Spielraum auf russischer Seite, möglichst flexibel darauf zu reagieren, zugleich ein.

Wuttke: Es ist ja nicht zu erwarten, dass Wladimir Putin das Ganze in Ruhe beobachtet.

Umbach: Nein, tatsächlich sind die Russen sehr, sehr groß nervös geworden, auch natürlich durch die veränderte EU-Politik und diese neue Gasstrategie, die die EU bereits 2008 eingeführt hat.

Wuttke: Wie sieht die genau aus?

Umbach: Die sieht … basiert ja zunächst mal darauf, dass man sehr viel stärker Energie einspart, die Erneuerbaren sollen von neun auf 20 Prozent ausgebaut werden, und gleichzeitig sollen die Gasimporte diversifiziert werden, also man will vor allem von dieser sehr hohen Abhängigkeit einiger der neuen EU-Staaten halt weg, deswegen auch der Import von kaspischem Gas zum Beispiel über eine Nabucco-Pipeline. Aber es gibt heute eine Vielzahl eben auch noch von alternativen Importquellen wie vor den Küsten Rumäniens und Bulgariens, wo neue konventionelle Gasfelder gefunden werden.

Also bestehen eine Vielzahl von neuen Importmöglichkeiten, und da wird es davon abhängen, welche sozusagen ökonomisch am günstigsten sind. Und die meisten dieser neuen Importmöglichkeiten, die die Europäer haben, da sind die Transportwege natürlich direkt vor der Küste Rumäniens, Bulgariens oder auch im östlichen Mittelmeer, wenn Sie an Israel denken, erheblich kürzer, und damit sind diese Importoptionen zugleich deutlich günstiger als künftiges russisches Gas, was aus sehr viel teureren, sehr viel weiter entfernten Gasfeldern kommen würde.

Wuttke: Fracking in den USA und die Folgen, dazu Frank Umbach vom King’s College in London. Ich danke Ihnen sehr für diese Erläuterungen, schönen Tag!

Umbach: Ja, ebenfalls!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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