"Die Überwachung soll abgebaut werden"

Peter Schaar im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 25.02.2011
Der Bundesdatenschutzbeautragte, Peter Schaar, fordert Verbesserungen am Gesetzentwurf zum Arbeitnehmer-Datenschutz. Ziel müsse es auch sein, mehr rechtliche Klarheit zu schaffen.
Jan-Christoph Kitzler: Affären beim Discounter Lidl, bei der Deutschen Bahn oder bei der Telekom haben es gezeigt: Der Datenschutz ist nicht nur ein Problem im Privatleben, wenn zum Beispiel Google mal vorbeischaut, sondern auch in der Berufswelt. Alle drei Unternehmen hatten Mitarbeiter ausgespäht. Mal ging es darum, herauszufinden, ob die Kassiererin im Supermarkt eine Diebin ist, mal, ob ein Mitarbeiter interne Informationen an die Öffentlichkeit gebracht hat.

In allen drei Fällen aber standen Angestellte eines Unternehmens unter Generalverdacht. Dass das so nicht geht, hat inzwischen auch die Bundesregierung erkannt, sie hat einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der heute erstmals im Bundestag verhandelt wird, zum Angestelltendatenschutz. Ich spreche jetzt darüber mit Peter Schaar, dem Bundesdatenschutzbeauftragten. Schönen guten Morgen!

Peter Schaar: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Erst mal zur Klärung: Was ändert sich denn durch das Gesetz, so wie es die Bundesregierung jetzt auf den Weg gebracht hat?

Schaar: Na, vor allem ist es eine Klarstellung. Wir haben im Augenblick im Bundesdatenschutzgesetz allgemeine Abwägungsklauseln, und die legen dann die Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschiedlich aus, und die Arbeitgeber entscheiden dann. Und dazu ... Das hat nun dazu geführt, dass sehr viele Überwachungsmaßnahmen durchgeführt wurden, dass auch eine alltägliche Überwachung beiläufig stattfindet, zum Beispiel, wenn man seinen Computer auf dem Büroschreibtisch bedient, und da war dringender Handlungsbedarf. Und die Affären haben in der Tat die Politik offensichtlich überzeugt, dass man da wirklich was tun muss.

Kitzler: Das heißt, der Spielraum für die Arbeitgeber, was man im Rahmen des Datenschutzes machen kann, wird geringer?

Schaar: Das ist richtig, die Überwachung soll abgebaut werden, aber es soll auch Rechtsklarheit geschaffen werden, und beides ist, finde ich, gleichermaßen wichtig.

Kitzler: Datenschutz soll jetzt die Arbeitnehmer schützen, auf der anderen Seite soll es ja auch nicht zu umständlich sein für die Unternehmen, die sollen nicht behindert werden. Jetzt haben sich gestern sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kritisch geäußert. Ist das jetzt ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Schaar: Na ja, das kann man so und so sehen, aber offensichtlich gibt es sozusagen in beide Richtungen eine gewisse Unzufriedenheit. Das deutet darauf hin, dass die Richtung insgesamt gar nicht so falsch ist.

Kitzler: Welche Bedenken hat denn der Bundesdatenschutzbeauftragte?

Schaar: Nun, also ich denke, diese Ziele, die ich genannt habe, also Verringerung der Überwachung und Klarstellung, könnten noch etwas stärker dort zum Ausdruck gebracht werden. Der Gesetzentwurf enthält – ich mache das mal an einem Beispiel deutlich – ein Verbot der heimlichen Videoüberwachung. Das finde ich erst mal ganz gut, allerdings war diese heimliche Videoüberwachung in der Vergangenheit auch nur in extremen Ausnahmefällen zulässig.

Auf der anderen Seite sollen aber die Möglichkeiten zur offenen Videoüberwachung sogar erweitert werden, jedenfalls lese ich den Entwurf so, und das würde dann doch ein etwas schlechter Deal sein, und insgesamt hätte man dann möglicherweise sogar mehr Überwachung statt weniger. Zweites Beispiel: Gesundheitsdaten – es ist völlig klar, dass man für bestimmte Arbeitsplätze fitte Arbeitnehmer braucht beziehungsweise Arbeitnehmer, die sich nicht gesundheitlich schweren Gefahren aussetzen, wenn sie auf diesem Arbeitsplatz sind.

Da ist die Regelung doch auch noch unklar, was die Frage anbelangt: Wann dürfen solche Untersuchungen durchgeführt werden? Insbesondere, wenn der Arbeitgeber jemanden nur umsetzen will, dann rechtfertigt das aus meiner Sicht noch keine Gesundheitsuntersuchung, das muss schon in ein Stadium getreten sein, dass der Arbeitnehmer das auch will. Und dann eine Gesundheitsuntersuchung vorzunehmen, dagegen wäre sicherlich nichts einzuwenden.

Kitzler: Da gibt es also noch Klärungsbedarf. Nehmen wir mal einen ganz konkreten Fall: Ein Supermarktfilialleiter stellt jetzt fest, dass in seinem Lager immer wieder Sachen verschwinden. Wie kann er denn auf eine datenrechtlich saubere und doch effiziente Weise herausfinden, wer von seinen Angestellten der Dieb ist?

Schaar: Nun, also zunächst müsste er mal mit den Mitarbeitern sprechen, das ist das Erste, und dann sollte er sicherlich die entsprechenden Räumlichkeiten besser sichern. Aber eine heimliche Videoüberwachung wäre ihm danach dann versagt. Mit einer offenen Videoüberwachung eines Lagerraums oder so etwas dürfte er dann in Zukunft durchaus da weiter vorgehen. Das darf er aber im Augenblick auch.

Kitzler: Durch die sozialen Netzwerke, sozusagen durch das Internet in der Tasche und die immer größere Vernetzung verschwimmt ja auch ein wenig am Arbeitsplatz die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem, wenn zum Beispiel auch am Arbeitsplatz private Mails geschrieben werden. Wo sehen Sie denn da die Grenze?

Schaar: Das Problem ist, dass der Gesetzentwurf dazu überhaupt nichts sagt. Das ist so ein weißer Fleck in dem Gesetzentwurf. Diese Privat- beziehungsweise gemischte private und dienstliche Nutzung von E-Mail am Arbeitsplatz – da hätte ich mir doch eine Regelung erwartet, aber der Bundestag kann da ja noch nachbessern.

Kitzler: Die Affären, die ich am Anfang genannt habe, die liegen ja jetzt schon einige Zeit zurück, zum Beispiel diese Lidl-Spitzelaffäre war im Frühjahr 2008. Warum hat denn das eigentlich so lange gedauert?

Schaar: Na ja, gut, die Mühlen des Gesetzgebers mahlen nun mal langsam, und ich habe mich natürlich gefreut, dass überhaupt diese Gesetzgebungsmaschine in Gang gesetzt wurde. Wir Datenschützer fordern ja ein solches Beschäftigen- oder Arbeitnehmerdatenschutzgesetz schon seit vielen Jahren.

Aber lange ist außer, sage ich mal, verbaler Zustimmung bis hin also zur entsprechenden Bundestagsentschließung überhaupt nichts geschehen, jedenfalls hat es an entsprechenden Regierungsaktivitäten gemangelt. Und jetzt liegt ein solcher Gesetzentwurf vor, und ich bin doch sehr dafür, dass der Bundestag sich dem ernsthaft widmet, und das nicht nur diskutiert, sondern auch beschließt.

Kitzler: Einen Punkt habe ich noch gefunden im Gesetzentwurf, der wahrscheinlich auch nicht ganz in Ihrem Sinne ist, da steht nämlich sinngemäß drin, dass Arbeitnehmer, wenn sie datenschutzrechtliche Probleme sehen, sich zuerst an die Geschäftsleitung ihres Unternehmens wenden müssen und dann an den Datenschutzbeauftragten. Werden da die Datenschutzbeauftragten quasi ausgebremst?

Schaar: Da sprechen Sie einen ganz wichtigen Punkt an. Jeder muss das Recht haben, sich auch weiterhin ungefiltert an den Datenschutzbeauftragten zu wenden, und gerade wenn man sagt, du musst dich zunächst erst mal an deinen Arbeitgeber wenden, dann hätte das ja zur Konsequenz, dass man bei schwierigen Situationen dann das doch nicht macht und das dann auch nicht an die Datenschutzbehörde gelangt, die dann auch keine Prüfung durchführt. Das wäre eine ganz schlechte Lösung. Auch hier erwarte ich mir noch eine Verbesserung.

Kitzler: Die Bundesregierung aber will Klarheit schaffen. Heute geht ein Gesetzentwurf zum Beschäftigungsdatenschutz in die erste Lesung in den Bundestag. Das war Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte. Vielen Dank für das Gespräch!

Schaar: Vielen Dank auch!