Die Sicht einer neuen US-Politiker-Generation

Vorgestellt von Jochen Thies · 17.06.2007
Mit Barack Obama, einem der demokratischen Bewerber für das Präsidentschaftsamt, meldet sich eine neue Politikergeneration zu Wort, die ein beträchtlich anderes Weltbild als ihre Vorgänger hat. Wenn man das Epochenjahr 1989 zugrunde legt, war er damals 28 Jahre alt. Barack Obama ist somit kein Politiker, der wie die zwei Generationen vor ihm durch den Kalten Krieg geprägt wurde.
Der in Hawaii auf die Welt gekommene Sohn eines aus Kenia stammenden Vaters und einer leicht exzentrischen amerikanischen Mutter verbrachte eine unruhige Kindheit und Jugend, gekennzeichnet durch viele Ortswechsel. Seine Eltern trennten sich, vorübergehend lebte Obama in Indonesien, wohin seine Mutter geheiratet hatte. Dank der Obhut durch seine Großeltern in Hawaii gelang ihm dennoch ein ordentlicher Schulabschluss, an den sich eine bemerkenswerte akademische Karriere des Juristen anschloss, gefolgt von einem raschen Aufstieg zum Berufspolitiker.

Barack Obama, gegenwärtig der einzige farbige US-Senator, veröffentlichte im letzten Jahr ein umfangreiches Buch, das nun in deutscher Übersetzung vorliegt. Es handelt sich zum großen Teil um die für den deutschen Leser etwas übermüdend wirkende langatmige Schilderung der amerikanischen Innenpolitik in all ihren Facetten. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Kapiteln und Buchpassagen, die eine genaue Lektüre lohnen.

Ungeachtet der enormen demographischen Veränderungen, die die Vereinigten Staaten durchleben, ist die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse noch immer ein wichtiges Thema, zu dem Obama interessanterweise erst im letzten Drittel des Buches Stellung bezieht:

"Wenn wir in der Rassenfrage klar sehen wollen, müssen wir sie auf einem unterteilten Bildschirm betrachten: Wir müssen das Amerika im Auge behalten, das wir uns wünschen, und uns zugleich schonungslos mit dem real existierenden Amerika konfrontieren. Nur so können wir uns den Sünden der Vergangenheit und den Herausforderungen der Zukunft stellen, ohne in Zynismus oder Verzweiflung zu verfallen. Ich habe in meinem Leben eine nachhaltige Veränderung der Rassenbeziehungen erlebt, Ich habe sie genauso deutlich gespürt wie eine Temperaturveränderung. Wenn ich höre, dass manche Schwarze diese Veränderung leugnen, meine ich, dass sie damit nicht nur die Leistung derjenigen missachten, die für unsere Volksgruppe gekämpft haben, sondern ihr auch die Kraft rauben, das Werk dieser Vorkämpfer zu vollenden. So sehr ich jedoch darauf bestehe, dass die Verhältnisse besser geworden sind, so sehr bestehe ich auch auf einer zweiten Wahrheit: Besser ist nicht gut genug."

Aus deutscher Sicht besonders wichtig, zumal nach dem G8-Gipfel von Heiligendamm, ist die Frage, wie Barack Obama die Umweltproblematik sieht. Mit einer kleinen Spitze gegen Präsident Bush jr heißt es dazu in seinem Buch:

"So ziemlich alle Wissenschaftler außerhalb des Weißen Hauses sind überzeugt, dass der Klimawandel eine Realität ist, dass er eine ernste Gefahr ist und durch den fortgesetzten Ausstoß von Kohlendioxid beschleunigt wird. Wenn die Aussicht auf schmelzende Polkappen, steigende Meeresspiegel, gravierende Veränderungen beim Wetter, häufigere Orkane, sterbende Korallenriffe und eine Zunahmen von Atemwegserkrankungen und von durch Insekten übertragenen Krankheiten keine ernsthafte Bedrohung darstellt, dann weiß ich nicht, was eine solche sein sollte."

Obama spielt in diesen Passagen eine ganze Reihe von Szenarien durch, die eines immer wieder beweisen, die zu große Abhängigkeit der Supermacht von Energieexporten. Und er macht einen konkreten Vorschlag:

"Etwas aber können wir tun: erneuerbare, saubere Energiequellen für das 21. Jahrhundert erschließen. Statt die Ölindustrie weiter zu unterstützen, sollten wir sämtliche Steuervergünstigen für diese Branche aufheben und verlangen, dass ein Prozent der Einnahmen jener Ölfirmen, die vierteljährliche Gewinne von über eine Milliarde Dollar verzeichnen, in die Erforschung alternativer Energiequellen und die dafür erforderliche Infrastruktur gehen. Ein solches Projekt würde sich nicht nur wirtschaftlich, außen- und umweltpolitisch reich auszahlen, es könnte auch der Weg sein, um eine ganze neue Generation amerikanischer Wissenschaftler und Ingenieure auszubilden, und dadurch könnten neue Exportgüter und gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen."

Besonders interessant ist am Ende, wie der demokratische Bewerber um das US-Präsidentenamt das weltpolitische Engagement der Supermacht sieht. Und hier lautet die keineswegs überraschende Antwort, dass eine fundamentale Veränderung nach dem Abgang von Bush nicht zu erwarten ist, auch wenn der Irak-Feldzug in der einen oder anderen Form zu einem Ende gebracht werden wird.

"Wir müssen ein strategisches Kräfteverhältnis aufrechterhalten, das es uns erlaubt, mit Bedrohungen durch Schurkenstaaten wie Nordkorea und dem Iran fertig zu werden und uns den Herausforderungen zu stellen, die potenzielle Rivalen wie China darstellen. Tatsächlich werden wir angesichts der Erschöpfung unserer Kräfte nach den Kriegen im Irak und in Afghanistan unseren Militärhaushalt in der unmittelbaren Zukunft wahrscheinlich sogar noch etwas erhöhen müssen, nur um die Einsatzbereitschaft wiederherzustellen und verbrauchte Ausrüstung zu ersetzen."

Fazit: das Bild der Welt der kommenden amerikanischen Politikergeneration verändert sich. Europa steht nicht länger im Mittelpunkt.

Barack Obama: Hoffnung wagen
Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream
Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm
Riemann Verlag, München 2007
Barack Obama: Hoffnung wagen
Barack Obama: Hoffnung wagen© Riemann Verlag