Die Sehnsucht nach der Liebe

Von Peter Kaiser · 30.08.2011
Als Stimme Islands wird die 61-jährige Steinunn Sigurdardottir immer wieder bezeichnet. In der isländischen Botschaft in Berlin hat sie ihren Roman "Der gute Liebhaber" vorgestellt. Darin geht es um Muttersöhne - und um die Liebe.
"Das Licht im Schlafzimmer erlosch, im Haus war alles dunkel, nur die Außenlichter brannten und ließen eine schneeweiße Kiefer erstrahlen, die sich über die Grundstücksgrenze zu Nummer fünf hinwegstreckte. Jetzt deckte sich die Frau in Nummer drei zu. Sie legte sich auf die Seite, denn sie schlief immer auf der Seite, suchte sich eine bequeme Stellung."

Karl Astuson kommt nach langer Zeit im tiefsten Winter nach Reykjavik zurück, um noch einmal um die Frau zu werben, die er vor 17 Jahren schon liebte. Er sieht Una, seiner Jugendliebe durch das Schlafzimmerfenster zu, wie sie zu Bett geht. Als alles dunkel ist, legt er eine einzelne Rose vor Unas Haus nieder, damit sie sie am nächsten Morgen erfroren finden wird. Danach geht er in eine Kneipe, wärmt sich auf, trinkt.

Die Autorin, Steinunn Sigurdardottir: "Und da fängt an eine ganz verrückte Geschichte. Er landet im Haus nebenan, und er bekommt eine Helferin, das ist eine amerikanische Psychiaterin, Doreen Ash, und ist vielleicht die verborgene Hauptperson dieses Romans. (…) und dann fängt eine neue Kette von Ergebnissen an. Also ein Mann von Frauen umgeben, und immer wieder total unerwartete Wendungen, ich glaube, es hat mit der Philosophie der Liebe zu tun, und auch ein bisschen mit der Psychologie Mann und Frau."

Voll ist es an diesem Abend in der isländischen Botschaft in Berlin zur Vorstellung des Romans "Der gute Liebhaber" gewesen. Schon Wochen vorher waren alle Plätze zur Lesung reserviert. Steinunn Sigurdardottir - die von manchen in einem Atemzug mit dem isländischen Nobelpreisträger Halldor Laxness genannt wird – pendelt seit Jahren zwischen Reykjavik und Berlin-Kreuzberg. Schon mit ihrem vorletzten Roman "Das Sonnenscheinpferd" machte die Autorin hier auf sich aufmerksam. In Deutschland und in Reykjavik zu arbeiten, sagt die große, blondhaarige und attraktive Frau, ist für sie, die auf isländisch schreibt, eine Art: "Nährlösung".

"Ich finde im Allgemeinen, dass Distanz gut für die Literatur ist. Und ich glaube, ich habe verschiedene Möglichkeiten, wenn ich nicht jeden Tag mit meiner Muttersprache umgehe. Ich glaube definitiv nicht, dass es negativ ist."

Die Anlässe zu Romanen sind oft verborgen, und später kaum noch nachvollziehbar. Doch der Anfang vom "Guten Liebhaber" war auf einem Friedhofsspaziergang in Schottland oder in Paris. Dieser Spaziergang - wo er auch immer stattfand - ist lange her.

"Und es gab einen Grabstein mit dem Namen: Doreen Ash. Und ich wusste, dass diese Frau in meinem Leben eine unglaubliche Rolle spielen würde, in meinem literarischen Leben, und das war der Auftakt. Und es ist 20 Jahre her, und ich hätte mir nicht vorgestellt, dass sie auf diese Weise materialisieren würde."

Doreen Ash, die amerikanische Psychiaterin ist die personalisierte Achse des Romans. Ohne viel von der Geschichte zu verraten sei gesagt: Ash hat genug von den Seelenkrankheiten. Muttersöhne, also von den Müttern zu sehr geliebte Söhne, interessieren sie mehr. Dazu hat sie auch ein Buch geschrieben. Titel: Muttersöhne.

"Und ich glaubte übrigens, ich hätte das Wort erfunden, Muttersohn, auf isländisch... aber so war das nicht. Das gibt es schon auf Deutsch. Aber (…) er hatte eine wunderbare Mutter, er ist auf sie fixiert, und er ist auch auf seine große Jugendliebe fixiert. Und er glaubt nicht, dass der Traum mit dieser Frau je in Erfüllung gehen kann."

Ash, Una, Karl und die Muttersöhne der Welt; der Roman "Der gute Liebhaber" von Steinunn Sigurdardottir ist eloquent, dicht, poetisch, humorvoll und blitzgescheit. Es ist ein Buch über die Liebe, die Sehnsucht danach, und über die Ängste vor der Liebe.

"Wir wissen gar nicht wie er war als Liebhaber, wenn er jung war, wenn er diese große Jugendliebe hatte. Wir erfahren von den vielen Frauen, mit denen er zu tun hat, er schläft maximal drei Mal bei einer Frau, es ist ein Prinzip Mann. Wir wissen von diesen Frauen, dass er ein ganz guter Liebhaber ist. Und dann, wenn er seine Jugendliebe findet, dann wird er dieses Vermögen auch haben. Aber er fürchtet, und ich glaube, das ist eine ganz allgemeine Furcht der Männer, sie fürchten, dass (...) sie als Liebhaber nicht taugen, und diese Furcht hat er auch."

Bisher hat das Buch meist begeisterte Reaktionen hervorgerufen. So auch auf der Lesung in der Isländischen Botschaft in Berlin an diesem Abend. Doch anderen Ortes, sagt die Autorin, regen sich manche manchmal auf.

"Die negativen Reaktionen, die ich in Island bekommen habe, waren, dass die Leute, sie fanden, Karl Astuson, die Hauptperson, sie fanden ihn einen blöden Mann. Das war ein blöder Kerl, sagten sie, das war die Kritik. Aber meine Hautperson darf auch blöd sein, ich finde ihn sympathisch."

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