Die sechs Saiten des Straßenmusikers Rob Longstaff

Von Elmar Krämer · 01.05.2012
Straßenmusiker gibt es viele. Man trifft sie in der U-Bahn, nicht selten mit verstimmten Gitarren, oft mit interessanten Coverversionen von Pop- und Rockgrößen. Manchmal begegnet man jedoch auch Ausnahmetalenten - wie zum Beispiel dem Neuseeländer Rob Longstaff, der heute in Berlin lebt.
"Die Gitarre - ich hab sie von vielen Menschen unterschreiben lassen: kasachischen und russischen Grenzsoldaten - allen, die ich getroffen habe, Kinder, viele Kinder haben auf sie geschrieben, das gefällt mir. Sie wird von Gaffa-Tape zusammengehalten. Aber die Tonabnehmer sind unglaublich - und sie funktioniert."

Ganz entspannt sitzt er auf einer Parkbank in einem Hinterhof in Kreuzberg: Dreitagebart, Halbglatze, sehr wache blaue Augen - und auffällig durchtrainierte Unterarme. Die braucht er auch: Die beste Saitenlage hat seine Gitarre nicht.

Geboren wird er unter dem Namen Robert Longstaff 1979 in Neuseeland. Als er zwei ist, stirbt sein Vater. Zwei große Brüder und seine Mutter sind nun seine Familie - Rob ist das Nesthäkchen. Mit seiner Mutter versteht er sich prima, auch nachdem seine Brüder ausgezogen sind:

"Für eine Ewigkeit waren es dann nur ich und meine Mutter - es war lustig. Ich hatte eine schöne Kindheit. Ich bin in Neuseeland mit Maoris aufgewachsen - ich war das einzige weiße Kind unter schwarzen Familien. Ich hab Erfahrungen gemacht, die nicht viele Kinder machen. Wir sind nach Seesternen und Muscheln getaucht, das hat wirklich Spaß gemacht."

Rob Longstaff ist ein musikalisches Kind - gesungen hat er immer. Schon früh versucht er sich an der Geige und der Trompete. Zur Gitarre kommt er relativ spät:

"Mein Bruder hat mir 'House of the rising sun' beigebracht, als ich elf oder zwölf war. Ja, ich hab etwas spät mit der Gitarre angefangen."

Die Gitarre ist sein Instrument - so kann er spielen und singen gleichzeitig und: Er kann die Gitarre immer mitnehmen.

Einer seiner Brüder zieht Ende der 80er-Jahre nach Australien - kurze Zeit später folgen Rob und seine Mutter. Auf der Gitarre spielt Rob Longstaff Songs bekannter Rockgrößen nach - immer öfter auch in Kneipen und Bars:

"Ich sagt dir was, wenn Du fünf Jahre vor Leuten spielst, die sich mehr für ihre Telefone und die Fernseher in der Kneipe interessieren - dann kannst du alles überstehen."

Aber eben doch nicht so ganz alles: Drei Monate studiert er Jazz-Gesang, anderthalb Jahre Komposition in Melbourne. Doch es zieht ihn auf die Bühne. Er tourt mit einer Band durch die Welt, spielt überall, wo man ihn spielen lässt - und landet schließlich auch in Berlin:

"Ich kam mit einer australischen Band hierher, auf Tour. Die Tour war zu Ende, sie fuhren nach Hause, und ich bin da geblieben."

Berlin ist ein anderes Pflaster als Australien - die Leute hören zu, wenn jemand gut ist, aber die Konkurrenz ist groß und es ist schwer, Auftritte zu bekommen. Eines Tages schlägt ihm ein Freund vor, einfach auf der Straße und auf Märkten zu spielen:

"Ich dachte: Wie bitte, ich spiele doch nicht auf der Straße, da bin ich zu gut zu - na ja, nicht ganz so, aber das war so ungefähr meine Haltung. Aber ich wollte auch nicht CDs verteilen und Restaurant- und Barbesitzern den Hintern küssen, um auftreten zu können. Das hab ich in Australien lange genug gemacht. So hab ich den Rat meines Freundes befolgt. In meiner Gegend gibt es diesen Spielplatz - da hab ich für die Eltern und ihre Kinder gespielt und beim ersten Mal hab ich gleich zwei CDs verkauft. Das hat wirklich Spaß gemacht."

Seitdem kennt man Rob Longstaff auf dem Boxhagener Platz, auf Flohmärkten, im Mauerpark, in den Parks und auf den Straßen Berlins. Rob Longstaff ist eine Art musikalischer Hobo: Er ist immer unterwegs mit seiner Gitarre und auf dem Fahrrad - der Umwelt zuliebe und einer Überzeugung folgend. So macht er sich 2010 auch auf den Weg nach Australien, um seine Mutter zu besuchen - mit dem Fahrrad:

"Wir sollten es alle etwas ruhiger angehen. Ich möchte ein Gefühl für die Größe unseres Planeten bekommen und das geht nicht, wenn man sich 24 Stunden in ein Flugzeug setzt. Ich hab die Gitarre mitgenommen - das war ganz schön verrückt. Sie ist ganz schön herumgekommen. Wenn Du dich über Land auf den Weg nach Australien machst, bekommst du ein Gefühl dafür. Fahrrad und Zug - das ist eine umweltfreundliche Art zu reisen."

Bei seinen Auftritten steht er gerne mit dem Publikum auf Augenhöhe und im gleichen Licht - im Idealfall Sonnenlicht. Er ist mit wenig zufrieden, aber eine neue Gitarre ist dann doch bald fällig. Die Alte bekommt mit Sicherheit einen Ehrenplatz an der Wand:

"Sie wird langsam unbespielbar und ich fange an, mehr Fehler zu machen. Sie ist in einem schlechten Zustand."


Service:

Informationen über den in Neuseeland geborenen und in Australien aufgewachsenen Wahlberliner sowie Hinweise zu seinen Konzerten gibt es im Internet.