Die Schatulle in Niedersachsen

Eine der drei besten Buchhandlungen Deutschlands

Sabine und Ute Gartmann - die Eigentümerinnen der Schatulle vor Publikum
Sabine und Ute Gartmann - die Eigentümerinnen der Schatulle © Almuth Knigge
Von Almuth Knigge  · 15.11.2017
Sie ist eine der drei besten Buchhandlungen der Republik: die Schatulle im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck. Zwei Schwestern führen den mehrfach ausgezeichneten Laden - und geben auch Lesetipps auf Youtube.
Mittenrein in die Provinz – Osterholz-Scharmbeck. Eine vielbefahrene Hauptstraße. Kein gastlicher Ort. Hat man es aber in die Schatulle geschafft, atmet man Geborgenheit. Es riecht nach Buch, Papier. Alles atmet Fantasie.
Der Name Schatulle passt prächtig zu diesem Ort. Ein Schatzkästchen. Genauso wie Bücher Schatzkistchen sind. Aufmachen, Schatz bergen, zuklappen. Die Schatulle ist ein ausgezeichneter Ort in doppeltem Wortsinne. Als eine der besten drei Buchhandlungen der Republik.
"Unter einer Million Umsatz – gut, ich meine, mit viel kann ja jeder."

Der Name passt bestens

Sabine und Ute Gartmann sind auch Prädikatsbuchhändlerinnen, ausgezeichnet für Leseförderung und vor allem – Preise über Preise – für die DOFIS-Leseförderung digital.
"Eigentlich finden wir das selbst total klasse, also dass wir, obwohl wir über 50 sind, irgendwie so ne Idee haben, die eigentlich so einen Zeitgeist trifft. Und das ist das Tolle auch an diesem Beruf. Man kann all das machen, worauf man Lust hat. Wenn man Ideen und Fantasie hat, macht es total Spaß und man bleibt also trotz der Haarfarben jung, das finden wir eigentlich ganz schick."
Denn DOFIS sind kleine Youtube-Filmchen, in denen die beiden Schwestern Sabine und Ute Gartmann Buchtipps geben. DOFI – die Abkürzung für Donnerstagsfilm – und der geht so:
"Wir besprechen das ja vorher immer so ein bisschen, und jetzt hattest du noch einen anderen Vorschlag. Ja und zwar wollte ich sagen, das ist hoffentlich keine Gebrauchsanweisung für Buchhändler, sonst klingt das so miesepetrig, weißt du, nhnhn, so. Jetzt holen wir Katrin kurz."

Film ab!

Katrin Blank, die "jüngste" Mitarbeiterin, weil erst seit vier Jahren in der Schatulle. Alle anderen Mitarbeiter, auf der Homepage der Schatulle liebevoll unter "Software" aufgelistet, sind schon länger dabei. Sie ist die Kamerafrau bei den DOFIS, das heißt, sie hält das Smartphone.
"Und wir stellen uns besser dahin, glaube ich. Also vom Licht her, ich auf die andere Seite. – Sie sind schon Profis, Kameraprofis. – Pass auf, dann kannst du dich da draufstützen."
Sabine Gartmann baut einen Buchturm – als Stativ sozusagen.
"Es ist nichts so ätzend wie verwackelte Bilder, also die dann immer so schuckeln. – Der letzte Satz ist ‚Maseltov‘. – Okay – Maseltov, alles klar. Ihr bleibt ja so stehen, nicht mehr weiter groß auseinandergehen. Sonst ist einer nicht drauf, okay. – Jetzt darf ich nicht mehr lachen, denn ich habe ja schlechte Laune. – 3-2-1 und los."
Klappe – Film läuft – die beiden Schwestern werfen sich die Bälle zu.
"Was ist denn los?"
"Ach, ich hab heute irgendwie schlechte Laune."
"Echt? Da habe ich einen Tipp. Ich habe ein ganz tolles Buch gelesen. Das ist echt total witzig, das hat so Irvingsche Qualität. Da fängst du bestimmt wieder an zu lachen und hast gute Laune."
"Wie heißt denn das?"
"Das ist von George Watzky und heißt ‚Wie man es vermasselt.‘"
"Na, hoffentlich ist das keine Gebrauchsanleitung für Buchhändler."
"Nein, du Unke. Wir machen die WUB, die Woche der unabhängigen Buchhändler, da machen 600 Buchhandlungen mit, was willst du denn mehr?"
"1000 – äh – da kann ich nur sagen: Maseltov."
"Den Kunden gefällt es."
"Nach einem halben Jahr fing das an, dass Leute gesagt haben, ich möchte das Buch aus dem letzten DOFI. Jetzt, seitdem wir den Preis gekriegt haben, sowieso noch mehr, also wir haben ziemlich viele Abonnenten, die die DOFI wirklich gucken, und dann auch gucken, was empfehlen die da.
Kundin: "Und zwar kriege ich ne Mitteilung, wenn die wieder rauskommen, einmal in der Woche. Und dann habe ich gleich, wenn ich das Handy aufmache, oben schon DOFI."

Von den Sozialwissenschaften zum Buchhandel

Die beiden Schwestern und ihr Team können aber auch analog. Dabei ist keine eine gelernte Buchhändlerin. Eine von ihnen ist in den Stellenstopp für Lehrerinnen gerasselt, die andere hat gleich eine brotlose Kunst studiert: Sozialwissenschaften.
"Und da gab’s die Chance, in den Buchladen unserer dritten Schwester einzusteigen: ein horizontaler Familienbetrieb und das mit Lesen verbunden klang perfekt! Dass da Leidenschaft hinter steckt, das spüren die Kunden."
Kundin: "Was mich hierreintreibt? Ja, Leselust, natürlich, und ich gehöre ja zu der alten Generation, wie man sieht, ich gehe gerne in so einen Laden, wo ich auch mal ein bisschen reden kann. Wo ich gut beraten werde, Internet habe ich nicht, ich kaufe meine Bücher so."
"… aber es gibt ja auch ganz viele ganz tolle Bücher, und ich muss sagen, ich lese auch nicht jedes Buch zu Ende, das habe ich aber noch nie gemacht. Ich geh auch aus einem Kino raus, wenn mir der Film nicht gefällt. Ich geh davon aus, ich ess ja auch nicht ein Essen auf, nur weil ich es bezahlt habe. Und wenn ich das nicht mag, dann höre ich auf."
Blick ins Schaufenster der Buchhandlung Schatulle
Blick ins Schaufenster der Buchhandlung Schatulle© Almuth Knigge

Auch Lesungen und Exkursionen

Das Leben ist zu kurz für schlechte Genüsse. Damit das den Kunden nicht passiert, gibt es die DOFIS, oder Lesungen, oder die Reihe "Schatulle 31". Am jeweils 31. des Monats wird angeboten, was den Gartmanns Spaß macht. Das kann ein Waldspaziergang sein, eine Exkursion zu den Kranichen, eine Schnapslesung zum 33. Geburtstag – alles ist denkbar. Und es gibt den Bücherschnack – oder auch Snack – je nachdem, wo die Priorität liegt.
Aus einem Kochbuch gibt es ausgewählte kleine Köstlichkeiten, die man zu Essen bekommt…
"Und dann haben wir noch 16 Bücher, die wir abwechselnd vorstellen."
Und danach haben die Besucher noch Appetit auf Bücher. Lese- und Verkaufsförderung gleichermaßen. Ausgezeichnet.
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