"Die Rohstoffklemme ist punktuell bereits da"

Werner Schnappauf im Gespräch mit Marietta Schwarz · 26.10.2010
Deutsche Unternehmen haben nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf, erste Probleme mit der Rohstoffversorgung. Die Ursache dafür liege insbesondere in China, das ganz gezielt Rohstoffpolitik betreibe.
Marietta Schwarz: Kobalt, Platin, Graphit – Rohstoffe sind das, die aus der Elektronikproduktion nicht mehr wegzudenken und deshalb heiß begehrt sind. Unter den Industrie- und Schwellenländern ist ein harter Wettbewerb um diese und viele andere strategische Rohstoffe entstanden – denn wer sie besitzt, entscheidet über Ausfuhr und Preise, und wer sie nicht bekommt, bleibt möglicherweise bei der technologischen Entwicklung auf der Strecke. 95 Prozent der seltenen Erden und Metalle werden in China abgebaut, das Land hat sich die Förderrechte gesichert und sichert sich so Entwicklungsvorteile, beklagt der Bundesverband der [Deutschen] Industrie, BDI. Heute setzt der sich bei seinem dritten Rohstoffkongress damit auseinander. Und mit dessen Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Morgen!

Werner Schnappauf: Guten Morgen, Frau Schwarz!

Schwarz: Herr Schnappauf, ist China das große Thema, wenn es um Rohstoffe geht?

Schnappauf: China steht im Mittelpunkt, gerade wenn es um die Versorgung mit den seltenen Erden geht, denn die sind für die neuen Technologien von ganz entscheidender Bedeutung. Aber letztlich steht China nur stellvertretend für das Rohstoffthema, denn freier Handel in der Welt erfordert auch freien Zugang zu Rohstoffquellen, und deshalb ist eine Industrienation wie Deutschland ganz besonders angewiesen auf die Verfügbarkeit, auf den Zugang zu Rohstoffen. Und das thematisiert der Bundesverband der Deutschen Industrie, denn die Rohstoffversorgung wird immer mehr zur Achillesferse für künftigen Wohlstand, für Aufschwung, für Fortschritt in der Welt.

Schwarz: Ja, die deutsche Wirtschaft beklagt, dass China Rohstoffe hortet und künstliche Verknappung betreibt, aber ist das nicht eigentlich natürlich, dass man sich die Konkurrenten auf dem Weltmarkt so vom Leibe halten will, wie das die EU zum Beispiel in anderen Bereichen auch tut?

Schnappauf: Nun, es ist schon überdeutlich, dass China in den letzten Jahren die Rohstoffpolitik ganz gezielt eingesetzt hat, sich strategisch zunutze gemacht hat. Und wenn Sie sehen, dass wir heute Restriktionen haben, Exportzölle in einem Maße wie nie zuvor, allein nach Schätzungen oder Zählungen der EU-Kommission haben wir heute mehrere Hundert Exportzölle auf Rohstoffe und Halbzeuge, die aus China kommen, insgesamt gibt es bei Rohstoffen derzeit über 1000 Exportzölle, die Zahl hat sich binnen zwei Jahren mehr als verdoppelt, also das spricht schon eine deutliche Sprache, dass mit Rohstoffen Politik gemacht wird. Und das ist, wenn man auf der einen Seite die Vorteile des freien Welthandels nutzt, auf der anderen Seite nicht in Ordnung, dass man den Zugang zu Rohstoffen derart limitiert und strategisch nutzt.

Schwarz: China agiert ja nicht nur als Exporteur von Rohstoffen, sondern sichert sich auch im Ausland Ressourcen, zum Beispiel Lithium in Lateinamerika – ist das eine Form von Ressourcenimperialismus, bei der Deutschland und die EU einfach nicht konkurrenzfähig sind?

Schnappauf: In der Tat hat China nicht nur bei den von Ihnen angesprochenen seltenen Erden eine herausragende Stellung, dass rund 95 Prozent des derzeitigen Abbaus in China stattfinden, sondern China hat auch in Afrika, in Südamerika, in verschiedensten Teilen der Erde sich an Minen beteiligt, sich Rechte gesichert und ist immer mehr zur dominanten Figur in der Welt, zum Rohstoffherrn in der Welt geworden. Und damit muss sich internationale Politik auseinandersetzen, denn wir haben zwischenzeitlich erste konkrete Konsequenzen aus dieser Rohstoffpolitik: Die Rohstoffklemme ist punktuell bereits da.

Sie ist nicht mehr nur eine Gefahr für die Zukunft, sondern wir haben erste Firmen, die uns berichten, dass die Rohstoffversorgung nicht mehr klappt. Zum Beispiel aus der Photovoltaikindustrie erhalten wir Meldungen, dass der Rohstoff Lanthan nicht mehr frei verfügbar ist, und wenn Sie sich dann die Folgen vorstellen, dass also Solarzellen, Photovoltaikzellen nicht mehr produziert werden können in dem Umfange, wie er nachgefragt wird, dann zeigt das, wie die Rohstoffversorgung die Achillesferse der Industrie, des Industriestandorts und letztlich auch der Arbeitsplätze ist, aber letztlich dann auch wieder des Umweltschutzes, des Klimaschutzes, wenn Photovoltaikzellen nicht produziert werden können in dem Maße wie gewünscht und erforderlich. (Richtigstellung von Werner Schnappauf: "Der Rohstoff Lanthan findet in der Spezialglasherstellung Verwendung, nicht in der Photovoltaik". Das Manuskript weicht vom Audio ab)

Schwarz: Was müsste denn passieren, damit dieses Land, die deutsche Wirtschaft den Anschluss nicht verliert?

Schnappauf: Die Bundesregierung hat eine erste wichtige Konsequenz gezogen und hat in der vergangenen Woche die nationale Rohstoffstrategie beschlossen. Sie hat eine Rohstoffagentur in Hannover eingerichtet, sodass das Thema ganz oben auf der Tagesordnung der deutschen Politik angekommen ist. Wichtig ist jetzt, dass Europa das Gleiche tut – hier erwarten wir die europäische Rohstoffstrategie in den nächsten Wochen. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass das Thema auf die Tagesordnung der G20-Beratungen im kommenden Jahr unter Vorsitz Frankreichs kommt, damit auch die führenden Industrieländer der Welt zusammen mit den Schwellenländern, also zum Beispiel auch zusammen mit China, hier Wege sucht, um einen partnerschaftlichen Weg nach vorne zu finden. Denn letzten Endes kann diese Herausforderung nicht in einer Antihaltung gelöst werden, sondern wir suchen den partnerschaftlichen, den kooperativen Weg, um die Rohstoffversorgung in der Welt sicherzustellen.

Schwarz: Herr Schnappauf, Rohstoffgewinnung ist häufig mit der Ausbeutung der lokalen Bevölkerung, gar mit Kriegen verbunden. Berührt das deutsche Unternehmen eigentlich auch oder sollen sich damit lieber andere auseinandersetzen?

Schnappauf: Die deutsche Rohstoffstrategie zielt auf ein nachhaltiges Konzept, das heißt, wir wollen, dass die Rohstoffversorgung einhergeht auch mit der nachhaltigen Entwicklung in den Regionen, wo die Rohstoffe vorkommen, wo sie abgebaut werden können. Deshalb setzt Deutschland und setzt auch ganz konkret die deutsche Industrie auf Rohstoffpartnerschaften. Wir wollen das im Miteinander entwickeln und nicht einseitig nutzen.

Schwarz: Der Geschäftsführer des BDI, Werner Schnappauf, war das über den weltweiten Wettbewerb um strategische Rohstoffe. Vielen Dank!

Schnappauf: Ich danke Ihnen, Frau Schwarz, auf Wiederhören!




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