Die Rhythmen des "Rumble in the Jungle"

Tage voller Musik und Kämpfe

Interviews mit Muhammad Ali am Rande des Boxrings in Kinshasa 1974
Interviews mit Muhammad Ali am Rande des Boxrings in Kinshasa 1974 © imago stock&people
Von Thorsten Bednarz · 04.07.2017
Streng genommen war es die Begleitung zu einem Boxspektakel: Im Oktober '74 boxten in Zaires Hauptstadt Kinshasa George Foreman und Muhammad Ali. Jetzt sind bislang verschüttete Mitschnitte des musikalischen Beiprogramms erschienen. Und sie erzählen Musikgeschichte.
"Wir hatten gerade die Platte von Hugh Masekela und einer tollen westafrikanischen Band namens Hedzoleh Sounds fertig. Ich denke, es war unsere beste Platte. Aber dann fragte ich mich: 'Okay, wer hört sich das an?' An diesem Abend gingen wir zu einem Basketballspiel. Ich war gelangweilt und las in der Zeitung die Ankündigung vom Kampf zwischen Muhammed Ali und George Foreman in Zaire und dann schoß es mir wie ein Blitz durch den Kopf: 'Wow, drei Tage voller Musik und Kämpfe! So was wie ein Ableger von Woodstock. Drei Tage voller Musik und Liebe.'
Die eigentliche Absicht aber bestand darin, diesem Publikum in aller Welt , das sich den Kampf ansehen wollte, auch die afrikanische Musik vorzustellen. Ganz ehrlich: Die amerikanischen Musiker, die wir 'rüber brachten, waren nur ein Mittel zum Zweck. Wir wollten der Welt die Musik des Kongo präsentieren."
So beschreibt Stewart Levine jenen Augenblick, in dem er die Idee für das legendäre Festival "Zaire '74" hatte. Und die eigentliche Idee dahinter, die sich erst jetzt, 43 Jahre später, realisieren ließ. Wegen rechtlicher Probleme und ständiger neuer Forderungen des Boxpromoters Don King blieb das Material unter Verschluss, in der Film-Dokumentation "When We Were Kings" von 1997 taucht die Musik nur am Rande auf. Erst vor eineinhalb Jahren fragten sich Stewart Levine und Hugh Masekela bei einem Abendessen, was wohl aus den Bändern der Konzertmitschnitte geworden war…

James Brown erfuhr in Kinshasa, woher seine Musik kam

"Wir haben die Bandkartons abgestaubt, die Bänder aufgelegt und wir konnten kaum glauben, was wir da hörten. Das war wie musikalische Archäologie! Es war ja nicht nur, daß diese Aufnahmen so frisch und lebendig klangen. Wir selbst hatten sie auch nie gehört! Also haben wir sie vernünftig abgemischt und entschieden es wäre Zeit, sie allen zugänglich zu machen."
"Die afrikanischen Bands eröffneten jeden Abend. Im Stadion von Kinshasa waren 50.000 Menschen oder mehr, und die liebten diese Bands. Sie kannten sie viel besser als die amerikanischen Musiker. Tabu Ley Rochereau, Franco Luambo oder Miriam Makeba waren auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere. Neben dem tollen Ambiente waren sie in erster Linie angetreten, um Musikern wie James Brown zu zeigen, woher ihre Musik kam."
Im Umkehrschluss allerdings hatten die amerikanischen Musiker auch nur vage Vorstellungen davon, was sie in Kinshasa erwarten würde, wie sich Levine erinnert:
"Sie wussten kaum etwas über ihre Wurzeln. Aber dann waren sie regelrecht von den Konzerten der zairischen Band überfahren. B.B. King sagte: 'Was soll ich nach diesem Typen – er meinte Franco Luambo – noch auf der Bühne anstellen? Der spielt allein schon für acht Musiker!' Sie hatten also viel Respekt für ihre Kollegen. Aber die Amerikaner waren nicht gekommen, um nach den Wurzeln ihrer Musik zu suchen. Es wäre sehr romantisch, das zu behaupten, romantisch, aber nicht wahr."

Die Musiker sind nicht mehr am Leben, aber ihre Musik

Heute, über 40 Jahre später, ist kaum einer der damals beteiligten kongolesischen Musiker noch am Leben. Aber ihre alten Platten werden gerade von einer weltweiten Sammlerschaft neu entdeckt. Doch diese Konzertmitschnitte dürften sowohl für diese Sammler als auch für das breite Publikum einen großen Neuigkeitswert haben. Musiker wie Franco Luambo etwa waren auf dem absoluten Höhepunkt ihrer Karriere, aber hier spielten sie, als ginge es um ihr Leben. Mit ihren sonstigen Platten sind diese Aufnahmen nicht zu vergleichen:
"Wir haben zu diesen Aufnahmen nichts dazu getan. Wir haben hier und dort mal etwas betont, ja. Aber alles war auf den Bändern. So haben sie damals an diesen Abenden gespielt – voller Risiko und Feuer. Ich würde das auf einen ganz einfachen Fakt zurück führen: Wenn du im Studio bist, dann spielst du für das Mikrofon und deine Kollegen, aber wenn du zum ersten Mal auf einer Bühne vor 50.000 Menschen stehst, dann spielst du so laut wie nur irgend möglich."
Es ist symptomatisch, dass im Zusammenhang mit diesem Festival über 40 Jahre lang nur von den amerikanischen Superstars wie B.B. King und James Brown gesprochen wurde. Und es kann nur so etwas wie eine späte Wiedergutmachung sein, dass jetzt endlich die Aufnahmen der afrikanischen Musiker erhältlich sind. Franco, Tabuley Rochereau und Abumba Masikini haben nichts mehr davon. Doch selbst Stewart Levine muss mit dem für ihn so typischen etwas galligen Humor zugeben…
"Ich hasse es, aber es ist nun einmal wahr: wären sie damals erschienen, niemand hätte sich darum gekümmert. Jetzt, durch die Aufmerksamkeit für die Weltmusik, da nimmt die Welt endlich war, welches Potential in dieser Musik steckte. Ich denke mal, wir haben ein viel aufmerksameres Publikum im Jahr 2017 dafür, als wir es 1975 gehabt hätten."
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