"Die Prognose für Bahrain ist sehr schwierig"

Ali Al-Jallawi im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 22.07.2011
Nach den Protesten in Bahrain gibt es keinen Dialog zwischen Regime und Opposition, sagt der Dichter Ali Al-Jallawi. Die Akademie der Künste hatte ihn zum Poesiefestival eingeladen. Doch nun sitzt er in einem deutschen Asylbewerberheim fest.
Liane von Billerbeck: Eigentlich sollte der bahrainische Dichter Ali Al-Jallawi schon im Juni nach Deutschland kommen, eingeladen von der Akademie der Künste. Damals kam er in Berlin jedoch nicht an. Jetzt er sitzt er hier, in Deutschland, nicht als Gast, sondern in einem deutschen Asylbewerberheim. Was in der Zwischenzeit passiert ist, zwischen seinem Abflug und der jetzigen Landung in einem anderen Leben, das hat er uns erzählt.

Ali Al-Jallawi wurde in Bahrain 1993 zum ersten Mal verhaftet und musste für sechs Monate ins Gefängnis, damals war er grad 17 Jahre alt. Der Grund war ein Gedicht, in dem er die Monarchie kritisiert hatte. 1995 wurde er wieder verhaftet, diesmal saß er drei Jahre im Gefängnis, weil er sich für Bürgerrechte in Bahrain eingesetzt hat.

Im April haben Sie Bahrain verlassen, ein Land, dessen Herrscher sich militärische Hilfe von Saudi-Arabien geholt hat, um die Demonstrationen in Manama während des "arabischen Frühlings" niederzuschlagen. Bahrain, vor dessen Küste die fünfte U.S.-Flotte liegt. Was ist geschehen, Herr al-Jallawi, dass Sie wegwollten aus Bahrain?

Ali Al-Jallawi: Die Streitkräfte, die in unserem Land einmarschiert sind, kamen aus rein ideologischen Gründen. Sie sind nicht zivil oder in ziviler Form reingekommen. Das bahrainische Volk ist ein sehr freundliches Volk, wir leben in einem sehr offenen Land, und was wir erfahren haben, hat mit dieser Art der Offenheit und Zivilisation nichts zu tun. Der Ausnahmezustand wurde ausgerufen in Bahrain, und innerhalb von 25 Tagen sind 33 Menschen getötet worden. Mein Freund Karim Fahrawi zum Beispiel ist Buchhändler und Verleger, der wurde für zwei Tage verhaftet, und im Gefängnis wurde er ermordet. Genau so ist es meinem Freund El Achiri passiert, der ist ein Blogger. Der war auch für zwei Tage verhaftet und wurde auch im Gefängnis getötet.

von Billerbeck: Wie schwer war es für Sie, rauszukommen aus Bahrain?

Al-Jallawi: Die Brücke zwischen Bahrain und Saudi-Arabien war geschlossen, also es gab eine einzige Möglichkeit, um aus dem Land rauszukommen, das ist der Flughafen. Doch dort wusste man nicht, welche Möglichkeiten man wirklich hat, ob man dem Tod begegnen wird dort, ob man dort verhaftet wird oder ob man wirklich ins Exil kommen kann. Ich bin selber zum Flughafen gegangen und fand eine lange Schlange vor mir stehen. Ich habe mich in dieser Schlange angereiht. Am Anfang der Schlange stand ein Soldat, und der hat die Menschen nach Aussehen aussortiert letztendlich. Entweder hat er die Leute reingewunken, sie konnten weiterfliegen oder sie wurden verhaftet oder zurückgeschickt. Die Situation war natürlich mit sehr viel Angst behaftet, weil ich nicht wusste, was mit mir geschehen wird, was man mit mir machen würde.

von Billerbeck: Wohin sind Sie dann geflogen?

Al-Jallawi: Ich bin zunächst nach Charika geflogen, also in den Arabischen Emiraten. Von dort nahm ich eine Maschine nach Libanon, und von Libanon bin ich nach Jordanien geflogen. Dort habe ich meine Mutter getroffen, sie befand sich dort zur Behandlung. Aus Jordanien bin ich nach Berlin geflogen über Heathrow.

von Billerbeck: Sie wollten ja im Juni nach Deutschland zu einer Veranstaltung, eingeladen von der Akademie der Künste. Sie haben es geschildert: Sie sind zwischengelandet in Großbritannien. Was ist dort passiert?

Al-Jallawi: Ich hatte ein Flugticket und habe die Möglichkeit gehabt, nach England beziehungsweise nach Deutschland zu kommen, dort oder hier einen Asylantrag zu stellen. Ich habe es mir überlegt, und ich muss sagen, meine zweite Sprache ist die englische Sprache, genau so ist es für meinen Sohn, der ist zehn Jahre alt, und es lag nahe, dass wir eigentlich in England bleiben, damit wir keine Zeit verlieren, um eine neue Sprache zu lernen. Also ich bin in Heathrow gelandet, und im Flughafen beantragte ich bereits Asyl. Ich wurde sofort verhaftet und blieb einen Monat in Untersuchungshaft. In der Zwischenzeit haben die britischen Behörden die deutschen Behörden kontaktiert und gefragt, ob sie mich übernehmen würden, ob sie den Fang sozusagen übernehmen würden, und ich bekam ein Schreiben von den britischen Behörden, wo drin steht, dass ich in Deutschland übernommen werde. Und so bin ich nach Deutschland gekommen. Ich bin leider heute kein Gast, sondern ein Asylbewerber.

von Billerbeck: Wie ist es Ihnen in diesem einen Monat in der britischen Haft ergangen? Was hat man Ihnen gesagt, warum man sie festnimmt?

Al-Jallawi: Ich wurde verhaftet, weil ich kein Visum hatte für Großbritannien, und weil ich einen Asylantrag gestellt habe per Gesetz. Ich bin eigentlich aus Bahrain geflüchtet, damit ich nicht verhaftet werde. Ich bin geflüchtet vor dieser Willkür und bin in Heathrow gelandet und wurde dort per Gesetz verhaftet.

von Billerbeck: Hatten Sie einen Anwalt, haben Sie da Hilfe bekommen, juristische?

Al-Jallawi: Ja, es gab bestimmte Organisationen, die mich unterstützt haben. Allerdings, das Ergebnis war von vornherein klar. Nach dem Gesetz musste ich weitergeschickt werden in das Land, für das ich ein Visum hatte. Also hat man mir praktisch einen Platz in einem Flugzeug reserviert, damit ich nach Deutschland komme.

von Billerbeck: Nun sind Sie zwar in Deutschland jetzt, aber alles ist ganz anders: Sie sind nicht der eingeladene Dichter aus Bahrain, der Sie eigentlich sein sollten, bei der Akademie der Künste, beim Poesiefestival im Juni. Jetzt sind Sie hier als Asylsuchender. Was ist das für ein Gefühl?

Al-Jallawi: Es ist nicht einfach hier. Mein Roman ist herausgekommen in der Zeit, wo ich hier in Deutschland bin. Mein Roman heißt "Gott nach zehn Uhr", darin kommt mein Opa vor. Mein Opa hat mir immer gesagt: Der Mensch kann glücklich sein, nur wenn er gläubig ist oder töricht! Und ich bin weder das eine noch das andere. Ich bin ein zutiefst unglücklicher Mensch, muss ich sagen, ich habe das Vertrauensgefühl im Flugzeug gelassen auf dem Weg von London nach Deutschland.

von Billerbeck: Sie verfolgen ja sicher die Ereignisse in Bahrain, während Sie hier sind. Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie? Was wissen Sie über die Lage in Bahrain?

Al-Jallawi: Die Geschichte wiederholt sich, kann man sagen. 1995 gab es Proteste in Bahrain, dann gab es Dialog zwischen dem Regime und der Opposition. Heute wiederholt sich die Geschichte, aber auf eine komische Art und Weise, weil der König tritt in Dialog heute mit dem Premierminister. Der Premierminister ist seit 40 Jahren in seinem Posten. Also es gibt eigentlich keinen Dialog. Die oppositionellen Kräfte sind nicht am Verhandlungstisch, und ich rede hier von der ganzen Bandbreite, also von links bis rechts. Die Prognose für Bahrain ist sehr schwierig. Man kann es wirklich nicht sagen. Es gibt keine Anzeichen, dass sich die Situation verbessern wird, aber man kann überhaupt nicht sagen, wohin die Reise gehen wird.

von Billerbeck: Herr Al-Jallawi, Sie leben jetzt in Deutschland als Asylbewerber, wie geht es weiter mit Ihrem Leben hier in Deutschland, und wer hilft Ihnen?

Al-Jallawi: Ja, also ich erfahre sehr viel Hilfe. Hier habe ich die Bäume, hier habe ich die Vögel, die an mich ganz nah heranfliegen. Das ist sehr schön, das gibt mir viel Kraft. Aber auch, ich muss sagen, als ich am Flughafen gelandet bin, wurde ich empfangen, ich wurde in dieses Asylheim gebracht. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten war es in Ordnung. Thomas, Ester und so weiter von P.E.N. helfen mir. Es gibt auch Leute, die ich überhaupt nicht kenne, die unterstützen mich. Ich trage Trauer und Freude mit mir. Ich bin hier im Exil, ich bin aber kein Held, ich bin auch kein Kämpfer. Ich habe bloß eine Meinung und ich freue mich, dass viele Menschen mich unterstützen und mir beistehen dabei. Ich weiß nicht, wie ich diese guten Taten erwidern kann.

von Billerbeck: Der bahrainische Dichter Ali Al-Jallawi war das. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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