Die Pop-Alben der Woche

Zwei Perlen und eine Gurke

Snow Patrol bei einem Auftritt in New York City am 18.4.2018
Den neuen Songs von Snow Patrol fehlt der Saft, meint Oliver Schwesig. © imago/ZUMA Press
Von Oliver Schwesig · 25.05.2018
Das Duo Tracyanne & Danny bekennt sich zum Pop der 60er-Jahre und liefert ein perfektes Retro-Gemisch ab. Linear Johns Album "Double Parade" ist ein echter Hammer. Und für Snow Patrol wäre es wohl an der Zeit, das Genre zu wechseln.

Tracyanne & Danny: "Tracyanne & Danny"

Haben Sie früher auch immer so gern die süchtigen Lieder der Girlbands von Phil Spector aus den 60ern gehört? The Ronettes, The Crystals und all die anderen? Den Sound kann man jetzt wieder entdecken in Form des Duos Tracyanne & Danny. Ihre neue Platte heißt auch so - "Tracyanne & Danny". Und die hat sich tief eingegraben in den schönsten amerikanischen Pop der 60er.

Tracyanne Campbell von der Band Camera Obscura und Danny Coughlan von der Band Crybaby bilden dieses Duo. Die Schottin und der Engländer haben sich vor ein paar Jahren kennen gelernt und die gemeinsame Liebe für schwülstigen französischen Chanson, den Pop der 60er aber auch Lou Reed entdeckt. Daraus lässt sich doch was zaubern, dachten die beiden sich. Ein Retro-Gemisch, das auf perfekte Harmonie setzt, zum Beispiel, wo nichts gewollt, sondern federleicht und vor allem angenehm alt klingt. Sich so unverhohlen zu dieser alten Musik zu bekennen – das ist heutzutage, wo das Ende der E-Gitarre droht und jeder nur noch mit Laptop Musik macht – ein mutiges Statement. So ein ergreifender Pop – großartig, finde ich.

Linear John: "Double Parade"

Bleiben wir noch bisschen bei coolem Pop. Darf ich vorstellen: Linear John – einer der schrägsten Vögel zurzeit. Kommt aus der unpoppigsten Gegend der Welt: Finnland. Mit Witz und hoher Spielkunst schmeißt er auf seinen Platten alle tollen Konzepte von Popmusik über Bord und macht, tja, tolle Pop-Musik. "Double Parade" heißt seine neue Platte.

Rhythmen verschieben sich, Harmonien auch, es wird sprechgesungen. Und sobald man sich auf einer vertrauten Melodie-Fährte wähnt, schlägt Linear John auch schon einen Haken und zerbricht den Song. Man kann dem Mann durchaus eine gewisse Durchgeknalltheit unterstellen. Aber, die Musik von Linear John ist kein Spaßkonzept. Dass sich hier alles permanent auflöst und am Ende trotzdem lässig groovt und immer noch endlos viel Pop-Potenzial hat, ist ziemlich genial. Eine Popmusik, die keine sein will und es am Ende doch ist – der Hammer!

Snow Patrol: "Wildness"

Alternative. Das steht als Genre-Sortierung bei der Band Snow Patrol aus Nordirland. Seit vielen Jahren hauen sie musikalisch in die selbe Kerbe: stampfender Rock, hymnenhafte Orchester-Klänge, bebender Gesang in den brennenden Balladen. Alles, was der Alternative Rock zu bieten hat, fahren Snow Patrol auf. Ihre neue Platte "Wildness" steht dem in nichts nach.

Ich will nicht verschweigen, dass diese Musik viele Freunde hat. Irgendwer muss ja die acht Millionen Platten von Snow Patrol gekauft haben. Aber mich stimmt da einiges missmutig. Nicht nur dass Alternative Rock der 2000er-Jahre heute einfach schrottig alt klingt. Die neuen Songs von Snow Patrol – auch wenn sie elektronisch etwas aufgebrezelt wurden – ihnen fehlt irgendwie der Saft. Es ist, als ob die Band mit Handbremse fährt. Jungs, ich schlage einen Genre-Wechsel vor.
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