Die philosophische Flaschenpost

Roland Barthes und der gesunde Menschenverstand

03:40 Minuten
Nachkoloriertes Porträt des französischen Schriftstellers und Sprachwissenschaftlers Roland Barthes (1915-1980) in seiner Wohnung im Jahr 1970.
Roland Barthes in seiner Pariser Wohnung um 1970. © imago images / Leemage
Von Constantin Hühn · 19.01.2020
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Der Klimawandel sei Unsinn, ist wieder und wieder zu hören, das sage einem der „gesunde Menschenverstand“. Aber wie verlässlich ist der eigentlich? Roland Barthes hielt ihn für eine Waffe im Kampf gegen die Intelligenz.
"Bekanntlich wird der Krieg gegen die Intelligenz stets im Namen des gesunden Menschenverstands geführt", schreibt Roland Barthes Mitte der 50er-Jahre in den "Mythen des Alltags".
Mit seinem Buch "Fragmente einer Sprache der Liebe" wurde Barthes in den 70er-Jahren einem internationalen Publikum bekannt. Der französische Philosoph und Schriftsteller gilt als einer der Gründungsfiguren des Poststrukturalismus. Barthes habe sich, so scherzt der Literaturwissenschaftler Ottmar Ette, "Zeit seines Lebens mit Fragen der Dummheit" beschäftigt.

Kampf gegen komplexes Denken

Mit dem Zitat weise Barthes darauf hin, dass es einen gesellschaftlichen Kampf darum gebe, was als Wissen gelten kann. Der "gesunde Menschenverstand" sei dabei ein Instrument, um komplexes Denken außer Kraft zu setzen und zwar ohne selbst Argumente zu liefern.
"Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird" – mit Floskeln wie dieser versuchten faschistoide Bewegungen heute zum Beispiel die Autorität von wissenschaftlichen Klimastudien zu untergraben. "Wenn ich mit einem solchen Satz komme, dann entkräfte ich immer eine bestimmte Art der Intelligenz, nämlich komplexe Sachverhalte darzustellen, zu belegen und an Argumenten zu entwickeln".
Letztlich, meint Ottmar Ette, ginge es dabei vor allem darum, sich der Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung zu entziehen. Zu Zeiten von Barthes genauso wie heute.
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