"Die Partei braucht neuen Schwung"

Holger Zastrow im Gespräch mit Hanns Ostermann · 06.01.2010
Der sächsische FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow kritisiert den Zustand seiner Partei. Es gebe ein Vakuum in der Partei, seit alle wichtigen Führungspersönlichkeiten Regierungsämter übernommen hätten, sagte der liberale Politiker vor dem Dreikönigstreffen in Stuttgart.
Hanns Ostermann: Eins ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn heute beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart Parteichef Guido Westerwelle spricht, dann wird immer wieder donnernder Applaus seine Rede unterbrechen. Jahr für Jahr feiern sich die Liberalen am 6. Januar. Warum sollte das 2010 anders sein? Zumal sie ja jetzt endlich da sitzen, wohin sie viele Jahre wollten: auf den Regierungsbänken in Berlin. Doch da nimmt der Gegenwind zu, und der kommt nicht nur aus München von der CSU, auch der ein oder andere Liberale äußert sich kritisch. Innerparteilich waren wir zu wenig auf den Tag X vorbereitet, meint zum Beispiel der FDP-Landes- und Fraktionschef in Sachsen, Holger Zastrow. Er ist jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Herr Zastrow!

Holger Zastrow: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Wie kommen Sie drei Monate nach der Wahl zu dieser Erkenntnis? Hat die FDP den Mund zu voll genommen?

Zastrow: Nein, ich glaube, dass unsere Rolle in der Regierung sehr positiv ist und die FDP das auch gut macht, aber es gibt ja auch noch die Partei, und wir müssen uns schon umstellen. Wir waren ja früher die, die besonders angriffslustig, besonders markant, auch hart in der Auseinandersetzung waren, und jetzt kommt für das normale Parteimitglied die FDP doch sehr, sehr staatstragend, auch doch sehr zurückhaltend daher. Das ist schon eine neue Rolle. Das meine ich da eben mit, die Partei muss sich umstellen, es gibt eine neue Zeitrechnung für uns. Und da wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass bei uns alle markanten Führungspersönlichkeiten die Seite gewechselt haben und Regierungsämter zu Recht – keine Frage – übernommen haben, da gibt es eben doch ein Vakuum in der Partei. Und ich wünsche mir schon, dass die Begeisterung, die wir noch im Wahlkampf in der FDP gespürt haben, dass wir diese Begeisterung jetzt nicht nur für den Wahlkampf haben, sondern eben auch für unsere neue Rolle, unsere neue Rolle in der Regierung.

Ostermann: Das ist doch möglicherweise auch Kritik am Bundesaußenminister, an Guido Westerwelle. Dieser Spagat zwischen dem Außenministerium und andererseits der Rolle des FDP-Chefs, dieser Spagat war doch absehbar, und die Schwierigkeiten auch.

Zastrow: Ja, ich glaube aber, dass Guido Westerwelle, ihm überhaupt kein Vorwurf zu machen ist, im Gegenteil, dass wir diese fantastischen Wahlergebnisse ja auf allen Ebenen, auch lokal und in den Ländern erzielt haben, ist doch ganz massiv mit seinem Namen verbunden, mit seinem Wirken über Jahre hinweg verbunden. Und ich wünschte mir nur, dass andere die Lücken, die jetzt entstehen, die auch entstehen durch seine neue Aufgabe, dass diese Lücken gefüllt werden. Er kann ja nicht ganz alleine auf jeder Baustelle tanzen, sondern die Partei ist größer, wir wachsen auch immer mehr als einzige Partei in Deutschland. Und wir merken eben, dass jetzt eine andere Zeit kommt, und es müssen andere die Lücken schließen. Und das meine ich eben mit dem Tag X. Die Regierungsverantwortung, gut, das haben wir gut hingekriegt, aber auch die Partei ist noch da, und die Partei braucht neuen Schwung.

Ostermann: Das ist die Aufgabe des zukünftigen Generalsekretärs, völlig klar, aber bleiben wir bei Guido Westerwelle. Der sprach jetzt von Absurdistan, sich für Steuererleichterungen entschuldigen zu müssen, das sei doch absurd. Aber es hat doch niemand etwas gegen Steuererleichterungen, sie müssen nur finanzierbar sein. Ist das nicht auch Ihr entscheidendes Problem?

Zastrow: Also mich wundert es schon, dass im Koalitionsvertrag drin steht, dass wir Steuersenkungen wollen, und jetzt gerade von der Union dann immer wieder Kritik dran kommt. Nein, also ich denke, dass an Steuersenkungen überhaupt kein Weg vorbeigeht. Das, was wir jetzt mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz hatten, ist ja auch erst der erste Schritt gewesen, die richtige Lohn- und Einkommensteuerreform muss noch kommen. Und ich sage auch ganz klar, ich kann dieses Rumgejammere von vielen Ländern, von vielen Kommunen nicht mehr hören. Wann ist denn der richtige Zeitpunkt für Steuersenkungen? Bis zum Jahr 2008 hatten wir Rekordsteuereinnahmen auf allen Ebenen. Das war für den Freistaat Sachsen das beste Jahr überhaupt in seiner Geschichte, und auch im Bund hatten wir Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe. Und da muss man ehrlich sagen, in den damaligen guten Zeiten hat es der Staat nicht geschafft, seinen Haushalt in Ordnung zu bringen oder etwas dem Bürger zurückzugeben, jetzt geht es wieder nicht, das ist ein falscher Weg. Der einzige Weg aus der Krise kann nur sein, dass den Menschen mehr netto vom Brutto bleibt. Deswegen jetzt konsequente, nicht nur kosmetische Korrekturen, sondern konsequente Steuersenkungen. Das wird auch zu mehr Wachstum in der Gesellschaft, in der Wirtschaft führen.

Ostermann: Herr Zastrow, das ist ja sozusagen ein Argument, das Sie gebetsmühlenartig immer wieder nennen, aber in jedem Fall kommt doch die schwarz-gelbe Koalition nicht an unpopulären Maßnahmen vorbei, will sie Steuern senken. Ein Vorschlag besteht jetzt darin, Subventionen mit der Rasenmähermethode zu kürzen. Offen gestanden, finden Sie das als ehemaliger Vertreter der Kreativwirtschaft besonders originell?

Zastrow: Vor allem mal erhoffe ich mir, dass diese FDP mutig bleibt. Wir sind für Mut gewählt worden, wir sind deswegen in der Regierung, weil wir klare Vorstellungen hatten und weil man von uns auch erwartet, dass wir aufräumen. Und da darf es keine Schuldenbereiche geben. Alles gehört auf den Prüfstand, denn wenn wir Steuersenkungen wollen und sagen, dann ist auf der anderen Seite der Medaille, auf der anderen Seite der Medaille steht dann Staatsausgaben senken, und da muss alles auf den Prüfstand, da darf es keine Tabus geben. Das gilt ganz gewiss auch für Subventionen, das gilt auch für Fördermittel, denn wir haben eine ganze Fördermittelindustrie auch in der Wirtschaft inzwischen erlebt, die überhaupt nicht mehr sinnvoll ist, was viel, viel Steuergelder verbrennt …

Ostermann: Konkret.

Zastrow: Aber genauso gehören auch Sozialleistungen auf den Prüfstand. Es darf keine Schuldenbereiche geben.

Ostermann: Konkret, Herr Zastrow, wo setzen Sie den Rotstift an?

Zastrow: Na, ich kann vielleicht ein Beispiel nennen, für das ich selbst zuständig bin, das ist hier der Koalitionsvertrag in Sachsen. Wir haben gesagt, wir brauchen einen Staatsumbau, eine Staatsreform, eine Staatsmodernisierung, das wollen wir bis 2019 schaffen. Und da versuchen wir beispielsweise von einem dreistufigen zu einem zweistufigen Verwaltungsaufbau zu kommen, und wir haben auch schon sehr viel Kritik dafür geäußert, dass wir ganz offen gesagt haben, dass wir hier in Sachsen über einen Abbau von 18.000 Stellen in der öffentlichen Verwaltung in den nächsten zehn Jahren sprechen. Aber das nenne ich eine mutige Politik, denn wir müssen rangehen. Wir leben in der öffentlichen Verwaltung in unserem Staat über unsere Verhältnisse, und es wird Zeit, dass wir unser Land wieder vom Kopf auf die Füße stellen und unseren Leistungsträgern, und das ist die berufstätige Mitte, der ganz normale Mensch, der früh aufsteht und seinen Job macht, dass der wieder mehr von seiner Arbeit hat. Das brauchen wir, die Leistungsanreize müssen wir setzen, das wird unser Land aus der Krise führen.

Ostermann: Holger Zastrow war das, in Sachsen FDP- und Landes- und Fraktionschef. Herr Zastrow, danke schön für das Gespräch!

Zastrow: Danke!