"Die NPD ist der moderne Abklatsch der NSDAP"

Michael Hartmann im Gespräch mit Ute Welty · 25.04.2013
Die NPD sei "menschenverachtend, staatsverachtend und minderheitenverachtend", sagt der SPD-Innenpolitker Michael Hartmann. Mit Blick auf die heutige Abstimmung im Bundestag über einen Verbotsantrag kritisiert er die ablehnende Haltung von Schwarz-Gelb.
Ute Welty: Der Bundesrat ist dafür, die Bundesregierung dagegen, und der Bundestag stimmt heute darüber ab, ob man erneut einen Antrag beschließt, die NPD verbieten zu lassen. 2002 war ein Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, weil die NPD-Führung mit Informanten des Verfassungsschutzes unterwandert war. Einzelheiten zu einer komplizierten Gemengelage von Katharina Hamberger.

Der Bundestag entscheidet also über den Antrag auf NPD-Verbot, den die SPD einbringt und befürwortet, so auch Michael Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Guten Morgen!

Michael Hartmann: Guten Morgen!

Welty: Was macht Sie so sicher, dass ein solcher Antrag Sinn macht?

Hartmann: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die uns diesen Antrag unbedingt und entschlossen vorantreiben lassen. Ich nenne Ihnen nur mal drei: Erstens, die NPD agiert auf widerlichste Weise, menschenverachtend, staatsverachtend, minderheitenverachtend, und das darf sich auch die liberalste Demokratie nicht gefallen lassen. Zweitens, Material, das das belebt, ist weidlich zusammengetragen worden, über einen langen Zeitraum hinweg – übrigens nicht nur von den Bundesländern, die ja alle dafür sind, ein solches Verfahren zu starten, sondern auch mit starker Hilfe des Bundesinnenministers, der jetzt kneift. Und drittens, wenn es etwas gibt wie einen Gründungsmythos der Bundesrepublik Deutschland, dann ist es das klare Nie wieder, das klare Nie wieder nationalsozialistische Verhältnisse. Die NPD ist aber der moderne Abklatsch der NSDAP.

Welty: Sehr wahrscheinlich ist ja trotzdem, dass der Bundestag nicht mitzieht, der Bundesrat aber sehr wohl einen Verbotsantrag einreichen wird beim Verfassungsgericht in Karlsruhe. Diese unterschiedlichen Positionen machen doch auf das Gericht dann nicht den allerbesten Eindruck.

Hartmann: Ich hoffe, dass das Gericht einfach der Sach- und Rechtslage nach entscheiden wird und sich nicht von diesem Getümmel über die Maßen beeindrucken lässt. Ich gehe auch davon aus, dass dass geschehen wird, denn immerhin hat ein Verfassungsorgan, der Bundesrat, ja sehr einmütig den Antrag gestellt. Das Trauerspiel innerhalb der Koalition, bis man sich schließlich in einem Nein mehr genötigt als überzeugt zusammengefunden hat, und das Geeiere der Koalitionsfraktion jetzt, ist mehr politischer Pulverdampf als Substanz. Klar ist jedenfalls, besser wäre es natürlich gewesen, wenn alle drei Verfassungsorgane bei dieser entscheidenden Grundsatzfrage unserer Demokratie zusammengestanden hätten.

Welty: Und dann alle drei Verfassungsorgane in Karlsruhe scheitern?

Hartmann: Das ist ja das klassische Argument. Wenn man das schon so genau weiß, muss man die Finger davon lassen. Aber das habe ich nun auch noch nicht gehört. Ich erlebe eher eine Zögerlichkeit aufseiten des Bundesinnenministers, mit dem Sie über die Monate hinweg mal für und mal gegen ein NPD-Verbotsverfahren sein konnten.

Welty: Vielleicht ist die Lage auch ein bisschen kompliziert?

Hartmann: Die Lage ist jetzt auf jeden Fall eine bessere als damals, als ja gar nicht in der Sache über das NPD-Verbot entschieden wurde, sondern das Gericht sagte: Nein, dieses Material ist zu sehr beeinflusst und verschmutzt von V-Leuten, und deshalb werden wir das Verfahren gar nicht eröffnen. Ich bin mir sicher, dass die Innenminister und auch der Bundesinnenminister daraus ihre Lehren gezogen haben und jetzt sauber alles dokumentiert haben. Wenn man in die Dokumentation hineinschaut, die übrigens überwiegend aus offenen Quellen sich zusammensetzt, dann dreht sich einem der Magen um, und wenn man dann noch Zweifel hat an der Verfassungsfeindlichkeit der Partei, dann kennt man unseren Rechtsstaat nicht.

Welty: Sie waren nicht immer für ein NPD-Verbot, was hat Sie bewogen, Ihre Meinung zu ändern?

Hartmann: Sie haben sehr recht, ich habe mit dem leider verstorbenen früheren Fraktionsvorsitzenden Peter Struck den einen oder anderen Streit in der Sache ausgefochten, weil ich vor Jahren der Auffassung war: Nein, man muss – genau wie die FDP jetzt argumentiert – man muss mit dem politischen Wort alleine die NPD bekämpfen, so widerlich sie auch sein mag. Und dann habe ich mich immer mehr mit dem Thema beschäftigt, das heißt, ich habe mit Elterninitiativen gesprochen, ich habe mit Jugendlichen gesprochen, die von Kameradschaften und der NPD bedroht wurden, ich war in den Ländern, wo die NPD regional stark ist, und ich habe auch eigene Drohungen von dieser Bande erhalten, die mich nicht schreckt, aber entschlossen macht, das nicht zu tolerieren. Also ich bin vom Saulus zum Paulus geworden, da haben Sie völlig recht.

Welty: Was würde sich nach einem NPD-Verbot tatsächlich ändern? Wer rechts denkt, der denkt doch danach auch noch rechts.

Hartmann: Unbedingt. Wer glaubt, dass mit einem Parteienverbot das Thema Rechtsextremismus beseitigt sei, ist gelinde gesagt naiv. Das sagt auch übrigens nicht die SPD, sondern ganz im Gegenteil, sie sagt, das Verbot der NPD ist ein notwendiger Mosaikstein im Gesamtkampf gegen Rechts. Und natürlich müssen wir durch Bildung, durch bessere soziale Umstände, gerade in den Regionen, wo die NPD stark geworden ist, gegenhalten. Wir müssen die zivilgesellschaftlichen Institutionen unterstützen, wir müssen unsere Sicherheitsbehörden stark machen und richtig ausrichten, damit sie Rechtstümelei bekämpfen können, aber das Nein zu einer NPD, die finanziert vom Steuerzahler aus den Parlamenten heraus gegen den Parlamentarismus hetzt, das ist dennoch geboten.

Welty: Die NPD als Partei ist nicht zuletzt durch die umstrittenen V-Leute ganz gut durchleuchtet. Warum geben Sie diese Möglichkeit der Kontrolle dann auf und riskieren, dass diese Leute in den Untergrund gehen?

Hartmann: Also die Abwanderung in den Untergrund ist auch so eine Chimäre, die immer wieder gezeigt wird. Momentan sind wir ja in einer Situation, wo die Rechten insgesamt, aber die NPD in besonders hohem Maße, hoch verunsichert sind, und das liegt auch daran, dass die Verbotsdebatte geführt wird. Die halten sich zurück, die haben momentan Kreide gefressen, und das zeugt schon davon, dass der Druck ein heilsamer ist, indem man alleine über das Verbotsverfahren diskutiert.

Welty: Aber das Beispiel des NSU zeigt doch in brutaler Weise, wie schwer es ist, rechten Kräften im Untergrund auf der Spur zu bleiben.

Hartmann: Der NSU hat nichts direkt und unmittelbar mit der NPD zu tun, es ist derselbe Dunstkreis. Und wir argumentieren auch nie mit dem Nationalsozialistischen Untergrund, wenn wir sagen, wir sind für ein NPD-Verbot. An der Stelle ist die Diskussion wieder aufgebrochen, aber es gibt kein Argument von unserer Seite, das sagt: Weil NSU, deshalb NPD-Verbot. Der Kontext ist nicht zu ziehen. Ich glaube, wir brauchen in der Tat bereits bei den Kameradschaften, bereits bei der Beobachtung von bestimmten sozialen Problemlagen in verschiedenen Regionen gut aufgestellte Sicherheitsbehörden, die da weiterhin den Parteien, und in dem Falle vor allem den Kameradschaften auf die Eisen steigen, da darf man aber keine direkte Linie ziehen.

Welty: Für ein Bündel von Maßnahmen gegen Rechts ist Michael Hartmann, auch für ein Verbot der NPD, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Ich danke für das Interview in der "Ortszeit"!

Hartmann: Sehr gerne!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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