Die Niederlage des kleinwüchsigen Imperators

27.05.2008
Anka Muhlsteins lesenswertes historisches Sachbuch gibt selbst die Antwort, weshalb uns heutige ein Buch über Napoleons Russland-Feldzug von 1812 interessieren soll, kann und muss: weil wir in unserer Gegenwart selbst so viele vermeintlich siegreiche Feldzüge erleben, die in einer absehbaren Niederlage enden werden. Soviel zur Aktualität des Themas.
Die Historikerin Anka Muhlstein, 1935 in Paris geboren und seit 1974 als Ehefrau des Schriftstellers Louis Begley in New York lebend, wurde für ihre Biographie über den französischen Russlandreisenden Astolphe de Custin 1996 mit dem renommiertesten französischen Literaturpreis, dem Prix Goncourt ausgezeichnet.

In "Der Brand von Moskau" hat Muhlstein mehr geleistet als nur eine militärhistorische Studie über das Scheitern eines brillanten Feldherrn und seiner Armee. Ihr Buch über die Niederlage des größten Heeres, das die Welt bis dahin gesehen hatte - über 600.000 Soldaten zählten zur Grande Armee, als sie über den Njemen ins Zarenreich eindrang, kaum 100.000 kehrten zurück - ist eine psychologisch bezwingende Studie über Menschen und Macht.

Rezensiert von Denis Scheck

Anka Muhlstein: Der Brand von Moskau - Napoleon in Russland
Deutsch von Ulrich Kunzmann
Insel Verlag, 2008
323 Seiten, 22.80 Euro