"Die Museumsinsel ist der Renner"

Moderation: Joachim Scholl · 27.02.2008
Das letzte Jahr war das erfolgreichste in der Geschichte der Stiftung, die bereits ein halbes Jahrhundert umfasst. Eine Dekade leitete Klaus-Dieter Lehmann erfolgreich die Geschäfte. Er wird nun Präsident des Goethe-Instituts und an der Spitze der Stiftung von Hermann Parzinger abgelöst. Eines seiner Erfolgsrezepte sei das bilden von runden Tischen gewesen, sagte er im Gespräch.
Joachim Scholl: Sie ist ein weltweit einzigartiges Ensemble aus Kultur: 16 Museen, eine Reihe von Bibliotheken, Archiven und Forschungseinrichtungen. Zusammen bilden sie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Und ich bin jetzt verbunden mit ihrem Präsidenten Klaus-Dieter Lehmann. Willkommen im Radiofeuilleton! Ich grüße Sie!

Klaus-Dieter Lehmann: Ja, guten Tag, Herr Scholl!

Scholl: Sie sind noch drei Tage im Amt, Herr Lehmann, nach bald zehn Jahren, in denen Sie die Stiftung leiteten. Und wir wollen mit Ihnen ein wenig Musterung halten, Bilanz ziehen. Und man kann auf jeden Fall von einem fulminanten Abschluss sprechen. 2007 war das erfolgreichste Jahr der Stiftung in ihrer nunmehr 50-jährigen Geschichte. Das ist ein schöner Abschiedskuss, nicht wahr?

Lehmann: Es ist wunderbar. Und das Schöne ist eben, dass es kein Einzelereignis ist, sondern dass es wirklich eine Entwicklung war über diese ganze Zeit, und das macht einen auch ganz glücklich, weil man dann weiß, diese Möglichkeiten, die die Stiftung bietet, werden immer stärker entdeckt. Und wir können uns wirklich der ganzen Welt öffnen mit diesen Schätzen. Es war eine lange Bautätigkeit, aber allmählich sind die Konturen der Gebäude, insbesondere der Museumsinsel, sichtbar.

Scholl: Mit insgesamt 5,35 Millionen Besuchern haben die Berliner Staatlichen Museen einen Zuwachs von sage und schreibe 30 Prozent verzeichnet. Wie kommt man denn auf so einen Zuwachs?

Lehmann: Zum einen ist wirklich der Renner, ist die Museumsinsel, und da sind alleine zwei Museen drauf, die über einer Million liegen. Das ist das Pergamonmuseum. Das ist schlechterdings der große Hit weltweit. Und zum anderen ist es aber auch das Alte Museum, das ist zum Zwischenquartier für Nofretete und ihren Hofstaat geworden. Denn das eigentliche Quartier, das
Neue Museum auf der Insel, wird erst 2009 fertig. Aber wir haben gesagt, wir möchten eigentlich zeigen, dass diese Insel wirklich diese ganze europäische Entwicklung von Mesopotamien über Ägypten, über Griechenland, Rom, Byzanz, das Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hat. Und diese Lücke haben wir mit Nofretete jetzt schon geschlossen, auch wenn ihr Quartier erst 2009 fertig wird, und auch da über eine Million Besucher. Insofern ist tatsächlich diese Rechnung aufgegangen, ist das eine. Und das Zweite, wir haben am Kulturforum natürlich immer die Chance genutzt, auch die Moderne zu zeigen. Und ein wirklicher Erfolg waren "Die schönsten Franzosen" aus dem Metropolitan und andere Umwidmungen wie zum Beispiel Kunstgewerbe, ist jetzt sehr viel stärker für Mode und Design entwickelt worden. Auch ein Thema, das die Menschen heute viel mehr interessiert. Und der Hamburger Bahnhof für die Zeitgenossen mit den großen Ausstellungen aus der Friedrich-Flick-Collection war natürlich dann auch ein Magnet, weil es einfach die Vorfront der Kunst ist. Das sind so die drei Bereiche, die wirklich die großen Zahlen ausgemacht haben.

Scholl: Jetzt haben Sie schon viele Projekte genannt. Es waren im Wortsinn auch viele Baustellen, an denen gearbeitet wurde und immer noch wird. Welche Rolle nimmt eigentlich der Präsident der Stiftung hier ein, oder welche Rolle kann er einnehmen? Es ist ja unmöglich, sich bei der Vielzahl und Differenzierung der Häuser, Institute um alles zu kümmern. Ist man da so Spiritus Rector, der über den Wassern schwebt, oder muss man dann auch manchmal konkret in irgendeinen Bauplan eingreifen?

Lehmann: Ich bin nicht derjenige, der wie ein Korken auf dem Wasser schwimmt. Da würde ich die Bezüge verlieren. Ich begebe mich tatsächlich in das Geschehen hinein. Und das sind zum Teil auch richtige Crashkurse. Ich hab im Grunde in den zehn Jahren ein Verfahren entwickelt, das den Präsidenten tatsächlich fordert, und zwar haben wir diese Verfahren, wo man eine Bauakte von einem Schreibtisch zum anderen transportiert mit Kommentaren versehen zurückbekommt, nicht mehr weitergeführt, sondern wir haben richtige runde Tische gemacht. Da sitzen die Architekten, die Nutzer, die Denkmalpfleger, die Finanzer, die Verwaltungsleute und der Präsident. Und diese runden Tische sind wunderbar. Da wird nämlich argumentativ so gestritten, dass jeder den anderen anhört, anhören muss, und die Argumente können gewichtet werden. Und das schweißt zusammen, und das hat uns auch die Beschleunigung dieser ganzen Bauten gebracht, aber auch das gegenseitige Verständnis. Der Präsident ist nicht nur der Moderator, sondern er ist tatsächlich einer, der das Bauen in dem Fall als ganz wesentlichen Bestandteil seiner Arbeit gemacht hat. Und es hat sich auch gezeigt, dass das richtig war.

Scholl: Dass Sie in dieser Funktion auch ein gediegener Diplomat sein müssen, haben Sie beim Streit um das geplante Eingangsforum zur Museumsinsel bewiesen. Da ging es öffentlich heiß her wegen des Entwurfs von David Chipperfield. Und Sie sind mit dem prominentesten Kritiker, Günther Jauch, einfach mal spazieren gegangen. Erzählen Sie mal.

Lehmann: Ja, das ist richtig. Man muss eines sagen, wichtig ist bei all diesen Bauten, die ja eine hohe Anteilnahme der Öffentlichkeit haben, auch eine eigene Position zu haben. Man muss erkennbar sein, was man will und begründen, warum man es will. Es ist erst mal wunderbar, dass die Öffentlichkeit so Anteil nimmt, weil wir damit auch immer im Mittelpunkt der Debatten stehen. Und Günther Jauch hatte sich bereit erklärt für eine Bürgerinitiative, war aber, glaube ich, im Großen und Ganzen dann nicht über die Details informiert. Und ich habe ihn einfach angerufen und hab gesagt, kommen Sie doch vorbei, und wir schauen uns das mal an. Und er kam mit seiner Frau, und wir sind anderthalb Stunden in diesem Neuen Museum, das ja so gebaut wird, dass wir historisch ehrlich sein wollen, keine scheinechten Dinge vorspielen, sondern das, was historische Substanz ist, wunderbar renoviert, und alles andere wird ergänzt, dass es harmonische Räume sind, aber wir malen keine Fresken oder Bilder aus. Und Günther Jauch hat das wirklich in jedem Detail mit uns nachvollzogen, und am Ende hat er gesagt: Ja, ihr macht da gut! Ich gehe aus dieser Bürgerinitiative raus. Und das fand ich wunderbar.

Scholl: Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Klaus-Dieter Lehmann, der jetzt nach zehn Jahren aus dem Amt des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ausscheidet. Bei allem guten Gelingen, Herr Lehmann, was würden Sie sagen, ist nicht oder nur wenig geglückt. Bei welchen Projekten, Themen sagen Sie, das hätte ich mir anders, besser vorgestellt?

Lehmann: Klar ist, dass wir immer Unruhe in der ganzen Finanzierung hatten. Zwischendurch war die Baufinanzierung gefährdet, das Berlin rausging. Das hat dann der Bund übernommen. Was ich glaube, ist, dass wir müssen mehr eine Vergleichsmöglichkeit in der Finanzierung bekommen mit den großen internationalen Museenzentren in dieser Welt. Und wir dürfen uns nicht nur in einer provinziellen Enge bewegen. Wir müssen mit London konkurrieren, wir müssen mit Paris konkurrieren. Und hier haben wir in der wissenschaftlichen Auswertung und in der Fürsorge für die Sammlung einfach noch Defizite. Wir sind wie alle Einrichtungen des Bundes jedes Jahr um Stellen gekürzt worden. Das haben wir bis zu einem bestimmten Punkt kompensieren können. Aber wir sind jetzt an einer Grenze, wo die wissenschaftliche Expertise einfach gefährdet ist. Da muss in der Zukunft mehr gemacht werden. Deshalb haben wir auch in den letzten beiden Jahren Wissenschaft, Forschung, Geisteswissenschaften so in den Vordergrund geschoben, um deutlich zu machen, wir können eigentlich richtig gut Kunst und Kultur lebendig nur dann vermitteln, wenn sie auf der Basis der Forschung beruht. Das ist das Interessante. Und das ist für die Menschen wichtig, immer neu interpretieren, neue Erkenntnisse nicht verstauben lassen.

Scholl: Ein ganz zentrales Berliner Großprojekt wird erst in den nächsten Jahren vollendet, das Humboldt-Forum am Schlossplatz nach dem Abriss des Palastes der Republik. Wie blicken Sie auf diesen Ort? Wird das was?

Lehmann: Ich bin wirklich sehr froh, dass jetzt, wo ich Abschied nehme aus dem Amt, der Architektenwettbewerb läuft und im November 2008 die Architektur, Figur dann auch bekannt sein wird. Das Humboldt-Forum war für mich deshalb so entscheidend als Ideengeber, weil ich gesagt habe, wir haben diese wunderbare Museumsinsel als eurozentrische Form, vergleichbar mit dem Denken von Wilhelm von Humboldt. Und in unserer globalisierten Welt ist da gegenüber eine pompöse Leere, wo früher mal das Schloss stand. Und wir hätten eine Chance, die außereuropäische Kultur in einen direkten Dialog zu bringen mit den Europäern. Und diese Idee, einen Weltort für Kunst und Kultur zu schaffen, Deutschland als Vermittler in der Kultur, über das andere mehr wissen, das fand ich so faszinierend, dass ich alle versucht habe, davon zu überzeugen. Und es ist offensichtlich gelungen, und ich freue mich, und es wird werden. Und das ist mein großer Wurf, Museumsinsel und Humboldt-Forum als gedankliche Einheit.

Scholl: Am kommenden Freitag übergeben Sie dem Präsidentenstab an Ihren Nachfolger Hermann Parzinger, treten Ihr neues Amt als Präsident des Goethe-Instituts an. Im April werden Sie in dieser Eigenschaft schon wieder auf die Museumsinsel zurückkehren, wenn nämlich ein gemeinsames Symposium mit den Staatlichen Museen stattfindet zur Frage der Nationalkultur und ihrer Perspektiven. Inwieweit hat eigentlich diese kulturpolitische Dimension Ihre Arbeit der letzten Jahre auch beeinflusst und mitgeprägt?

Lehmann: Sehr stark. Ich glaube, gerade als Stiftungspräsident muss man kulturpolitisch tätig sein. Man kann sich da nicht abstinent halten und nur das Schöne, Wahre und Gute betrachten. Wir haben ja nicht nur diesen Bereich, den ich jetzt eben angesprochen hab, mit Humboldt-Forum aktiviert, dass man mehr über das Fremde und das andere weiß. Wir haben beispielsweise auch das ganze Thema der Beutekunst immer sehr offensiv geführt, weil wir einfach der Auffassung sind, wir können auf unser geistiges Tagebuch nicht verzichten. Und das müssen wir einfach auch immer wieder sagen, wir haben dann sehr intensiv das ganze Thema der NS-Raubkunst behandelt, haben selber eine sehr klare Haltung dazu. Und ich bin sehr froh, dass wir an der Stiftung jetzt diese Arbeitsstelle für Herkunftsforschung haben, die ausgestattet mit Geld des Bundes dann in allen Museen unserer Republik arbeiten kann und damit auch Licht ins Dunkel kommt. Und das, was vor zehn Jahren die Washingtoner Konferenz formuliert hat, auch wirklich in Deutschland stattfindet.

Scholl: Wir von Deutschlandradio Kultur wünschen Ihnen, Klaus-Dieter Lehmann, einen schönen Abschied und einen guten Neuanfang! Wir sprechen uns bestimmt wieder, dann mit Ihnen als Präsident des Goethe-Instituts. Herzlichen Dank, Klaus-Dieter Lehmann jetzt erst mal für dieses Gespräch!

Lehmann: Ganz, ganz vielen Dank! Danke Ihnen!
Blick auf das Alte Museum auf der Museumsinsel in Berlin
Blick auf das Alte Museum auf der Museumsinsel in Berlin© AP
Überarbeiteter Chipperfield-Entwurf für die Berliner Museumsinsel
Überarbeiteter Chipperfield-Entwurf für die Berliner Museumsinsel© AP
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