Die Linke: Griechenland braucht Investitionen

Gesine Lötzsch im Gespräch mit Christopher Ricke · 28.07.2011
Die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch hat Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler vorgeworfen, beim Investitionsgipfel für Griechenland vorwiegend Profitinteressen deutscher Unternehmen im Blick gehabt zu haben. Vor einer Treuhand-Lösung nach deutschem Vorbild könne sie nur warnen.
Christopher Ricke: Die Initiative des Wirtschaftsministers und der Wirtschaft für Griechenland – ich spreche jetzt mit der Vorsitzenden der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch. Guten Morgen, Frau Lötzsch!

Gesine Lötzsch: Guten Morgen!

Ricke: Was hat denn die deutsche Wirtschaft in Griechenland zu tun: Einer Verantwortung nachzukommen, dort gutes Geld zu verdienen oder den Griechen zu helfen, endlich mal ordentlich zu wirtschaften?

Lötzsch: Ich glaube, der Gipfel von Herrn Rösler hatte vor allen Dingen zwei Ziele: Zum Einen wollte natürlich Herr Rösler in der Sommerpause zeigen, wie aktiv er ist – aber das muss ja jeder Politiker ab und zu –, aber zum Anderen ist es ja so, dass in Griechenland in den nächsten Jahren im Rahmen der Auflagen, die Griechenland gemacht wurden, 50 Milliarden privatisiert werden sollen, also Privatisierungen von Staatsbetrieben sollen einen Ertrag von 50 Milliarden Euro bringen. Und ich habe den Eindruck, dass das Hauptziel von Herrn Rösler darin besteht, deutsche Unternehmen gut zu positionieren, um von diesen Privatisierungen auch einen Profit zu haben. Und da, glaube ich, ist sehr viel Wachsamkeit erforderlich, denn jeder Staat, jedes Land braucht auch öffentliches Eigentum, Staatseigentum, was ihm selbst gehört, und was nicht in anderer Hand ist.

Ricke: Na ja, aber Griechenland wird vielleicht unter der Privatisierung nicht so sehr leiden. Dass einige Unternehmen besser wirtschaften können als einige Staaten, das ist ja nun gelebte Praxis und Erfahrung.

Lötzsch: Das halte ich für ein doch gerne wiederholtes Vorurteil, denn wir haben ja gesehen, wenn wir mal 20 Jahre zurückblicken, was durch die Politik der Treuhand im Osten Deutschlands passiert ist, nämlich eine weitgehende Entindustrialisierung. Aber das spreche ich nur deshalb an, weil häufig gesagt wurde, man brauche in Griechenland eine Anstalt nach dem Vorbild der deutschen Treuhand. Und das kann nicht der Weg sein! Ich finde es wichtig und richtig, dass in Griechenland investiert wird, und zwar im Bereich der Privatwirtschaft, dass man nicht versucht, diese Privatisierungsauflagen auszunutzen. Was wir aber eigentlich brauchen, sind nicht, wie Herr Rösler das ja betont hat, vor allen Dingen Hinweise und gute Worte, sondern wir brauchen wirklich Investitionen in Griechenland, und die Linke hat vorgeschlagen, ein europäisches Investitionsprogramm aufzulegen, was vor allen Dingen finanziert wird aus der Bankenabgabe und der Besteuerung großer Vermögen in Höhe von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes der Länder der Eurozone. Investitionen sind wichtig, sind richtig, falsch wäre Besserwisserei, wäre Belehrung und falsch wäre, – das darf ich noch einmal wiederholen – Profit aus den Privatisierungen von Staatsbetrieben zu schlagen.

Ricke: Ja, so ein Europäisches Investitionsprogramm für Griechenland in Höhe von 0,2 Prozent des BIPs, das klingt mir ja ein wenig nach Entwicklungshilfe! Ist aus Ihrer Sicht Griechenland so weit runter, dass es Entwicklungshilfe braucht?

Lötzsch: Das klingt überhaupt nicht nach Entwicklungshilfe. Wir erinnern uns ja – das ist ja schon im Rahmen der Sendung erwähnt worden –, dass Deutschland ja, wie Sie gesagt haben, ganz gut durch die Finanzkrise gekommen ist. Wie ist es dazu gekommen? Als die Finanzkrise auf dem Höhepunkt war, hat man in Deutschland ein Konjunkturprogramm aufgelegt; und Konjunkturprogramm, Investitionsprogramm, das sind ja Dinge, die miteinander zusammenhängen. Und dieses Konjunkturprogramm bestand darin – viele haben es schon wieder vergessen –, dass die Autoindustrie unterstützt wurde durch die sogenannte Abwrackprämie und vor allen Dingen auch im Rahmen von Städtebau, die energetische Gebäudesanierung. Man hat der Krise entgegengewirkt, indem investiert wurde, in dem ein Konjunkturprogramm gestartet wurde – und genau das müsste man für Griechenland tun.

Ricke: Na ja, ob man mit der Abwrackprämie Griechenland rettet, das sei mal dahingestellt!

Lötzsch: Nein, die Abwrackprämie, die war wohl nicht die beste Idee, aber die ist wahrscheinlich die, woran sich viele noch erinnern können. Aber die entscheidende Frage war, ein Konjunkturprogramm aufzulegen.

Ricke: Frau Lötzsch, Sie haben es angesprochen, Sie haben das Wort Treuhand in den Mund genommen. Es gibt ja durchaus – so sagte es der Wirtschaftsminister –, Ähnlichkeiten zwischen der Situation in Griechenland und der Situation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Wie ähnlich ist denn die Situation aus Ihrer Sicht?

Lötzsch: Ich glaube, es gibt sicher bestimmte Ähnlichkeiten. Aber man kann keine Parallelen ziehen, denn bei Griechenland handelt es sich erstens um ein einzelnes Land, was ja weder von der Summe der Bevölkerung noch der Wirtschaftskraft mit dem gesamten Ostblock vergleichbar wäre, und zum Anderen ist ja Griechenland ein Land der Eurozone, es ist also ein Land, was in dem gemeinsamen Währungsraum ist. Und darum finde ich auch diese Vorstellung, eine Treuhand zur Privatisierung einzurichten, so besonders kritikwürdig, weil die Erfahrung aus der Treuhand in Ostdeutschland ja nicht unbedingt positiv sind, sondern ganz im Gegenteil Treuhandaktivitäten dazu geführt haben, dass ganze Landstriche deindustrialisiert wurden, dass Firmen übernommen wurden für kleines Geld, dass man die Kundendatei mitgenommen hat und dann die Firmen geschlossen hat. Oder dass zum Beispiel im Sinne eines Drehtüreffektes öffentliche Förderung ausgenutzt wurde, neue Maschinen angeschafft wurden, die dann nach einer bestimmten Karenzzeit verschwanden und wieder in die Heimatadressen der Firmen wanderten. Diese Beispiele, glaube ich, sind eher abschreckend und nicht anwendbar.

Ricke: Frau Lötzsch, wir haben auch gehört in diesen Tagen, man muss Griechenland helfen, man darf aber nicht als Oberlehrer auftreten, das ist nachvollziehbar. Andererseits: Wird das in Griechenland so empfunden? Da werden zum Beispiel vor dem deutschen Generalkonsulat in Thessaloniki Hakenkreuze geschmiert. Wie beurteilen Sie denn diese Antwort griechischer Protestler auf diese doch eigentlich gut gemeinten Angebote aus dem Ausland?

Lötzsch: Ein Anschmieren von Hakenkreuzen ist natürlich überhaupt nicht akzeptabel, aber es ist so, dass ja viele Griechen auch gesehen haben und gelesen haben, wie im Ausland, insbesondere auch in Deutschland über Griechenland gesprochen wurde: Da war von den faulen Griechen die Rede, da war die Rede davon, dass man dort nicht arbeiten will, sondern lieber in der Sonne liegt. Und es ist ja wie in jedem Land so, es gibt in Griechenland in der Tat eine reiche Oberschicht, die sich vor ihren Verpflichtungen auch drückt, die nicht angemessen Steuern zahlt, und die Leute, die sowieso schon wenig Geld haben, die kaum über den Monat kommen, wenn die sich anhören müssen, dass sie faul sind, dann kocht denen natürlich die Galle über. Und darum ist es so besonders wichtig, dass man vernünftig zusammenarbeitet, dass man auch seriöse Angebote macht. Und was diese ganze Freizeitgeschichte betrifft, habe ich gestern ja in einer großen Zeitung eine Übersicht gesehen, dass die Deutschen weitaus mehr Freizeit haben als viele andere und weitaus mehr Freizeit übrigens als auch die Griechen.

Ricke: Ein großer Kanzler hat ja mal vom Freizeitpark Deutschland gesprochen. Die Vorsitzende der Partei Die Linke, Gesine Lötzsch. Vielen Dank, Frau Lötzsch.

Lötzsch: Auf Wiederhören!


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Mehr zum Investitionsgipfel für Griechenland auf dradio.de finden Sie unter folgendem Link:

"Aktuell" vom 27.7.2011: Ein Marshall-Plänchen als Griechenland-Hilfe - Investitionsgipfel im Bundeswirtschaftsministerium