Die Kultur wandelt sich mit dem Klima

Von Carsten Probst · 27.01.2009
In Berlin ist am Dienstag die "transmediale.09" eröffnet worden. Das Festival für Kunst und digitale Kultur zeigt unter dem Thema "Deep North" Performances, Installationen und Konzerte, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Kultur beschäftigen. So zeigen einige Arbeiten, wie der Kampf um Ressourcen die Kommunikation verändert oder die Wahrnehmung von Umwelt.
Stephen Kovats hat es nicht leicht. Er ist ein ausgesprochen freundlicher Mensch, stets verbindlich, stets engagiert, der sich, was auch nicht unbedingt selbstverständlich ist, als Amerikaner bestens auf Deutsch verständigt, und doch haben ihm die Berliner Kritiker seine erste transmediale im letzten Jahr ziemlich unisono um die Ohren gehauen. Dabei konnte er genau genommen sogar wenig dafür, weil das Festival schon unter seinem Vorgänger, Andreas Broeckmann, programmatisch ein wenig erlahmt war.

Diese Vorgeschichte muss man im Kopf haben, um zu ermessen, dass Kovats mit der transmediale 2009 eine echte Trendwende gelungen ist. Er hat dem Festival eine Frischzellenkur verpasst, und zwar bemerkenswerterweise nicht durch revolutionäre Änderungen, sondern durch die Rückgewinnung einer alten Unbekümmertheit, die dem Festival irgendwo zwischen Polit-Pop-Meeting und Leuchtturmförderung durch die Bundeskulturstiftung verlorengegangen war.

Das Festivalthema dieses Jahres, der Klimawandel, ließ zunächst wieder staatstragende Ratschläge für eine bessere Zukunft vermuten, doch Kovats hat sich dann doch lieber dafür entschieden, eine gute Ausstellung daraus zu machen.

"Wir haben diese Thema 'Deep North' ins Leben gerufen als eine Art Auseinandersetzung mit der Folge, Konsequenzen vom Klimawandel. Also es ist nicht das Ökofestival oder das Festival des Klimawandels, sondern wir sind interessiert daran: Wenn so eine Art Wandel stattfindet, wenn so eine Art von 'Tipping Point' in der Tat passiert, was kommt danach, wie sieht unsere Welt, was ist das vor allem für ein kultureller Wandel? Was heißt Klima als Kultur? Und nicht nur als Headline oder als klimatologische Sache."

Gemeint ist der Kampf um Ressourcen, Völkerwanderungen aus verödeten Regionen, aber auch Fragen der Wahrnehmung von Umwelt, der Manipulation, der Wandel des Naturbegriffs. Demzufolge gibt es auch kaum explizite Arbeiten über Eis und nordische Landschaften.

Wie immer hat die transmediale einen Aufruf an Künstler ausgesandt, Entwürfe zu dem Thema einzusenden, und dann aus rund 900 Vorschlägen ausgewählt.

In der Eingangshalle wird die Problematik "Industrie gegen Kommunikationskultur" thematisiert, oder etwas provokanter ausgedrückt: Die Arbeiten hier verweisen darauf, dass der Klimawandel der Industrie durchaus in die Karten spielt, was aber natürlich so selten öffentlich gesagt werden kann. Aber natürlich eröffnet das Abschmelzen der Pole der Ölindustrie ganz neue Möglichkeiten, Ölfelder zu erschließen. Einsparungen beim Stromverbrauch ermöglicht den Energiekonzernen ein besonders gutes Geschäft, weil der überschüssige Strom zu noch höheren Preisen an das Ausland verkauft werden kann. Die Kraftwerke laufen deswegen jedenfalls nicht weniger.

Hintergründig auch die Installation "Tantalum Memorial" des britischen Künstlertrios Harwood, Wright und Yokokoji.

Kovats: "Was man hier sieht, ist eine - ich kann das nur auf englisch sagen - so eine telephone switching station, die angeknüpft ist an die Art, wie die Kongolesische Exil-Community, also die Diaspora, die außerhalb des Kongo lebt, mit den Leuten im Kongo kommuniziert, durch ein anonymes Anrufbeantworter-System."

Was hat die kongolesische Diaspora mit dem Klimawandel zu tun? Der Bürgerkrieg im Kongo mit seinen geschätzten drei Millionen Toten ist nicht zuletzt ein Krieg um den Rohstoff Coltan, der für den Bau von Mobiltelefonen benutzt wird. Coltan ist relativ selten und für die Vertreiber mittlerweile wertvoller als Gold. Wenn es nach Stephen Kovats geht, also ein klassischer Ressourcenkonflikt der Zukunft. Und als schaurige Ironie dieser Geschichte sind die Kriegflüchtlinge des Kongo in den Nachbarländern von jeglicher Kommunikation in die Heimat abgeschnitten. Sie haben daher ein alternatives Telefonnetz aufgebaut, um eigene Kommunikationskanäle zu schaffen.

Geht man weiter in die große Ausstellungshalle des Hauses der Kulturen der Welt, bemerkt man erst wirklich, warum diese transmediale ihren Ursprüngen wieder ein bisschen näher gekommen ist. Das Ausstellungsdesign von Friedrich von Borries und Frank Böttcher, die im letzten Jahr den Deutschen Pavillon der Architektur-Biennale in Venedig kuratiert haben, setzt ganz auf recycelte Materialien und verwandelt dadurch den sonst immer als äußerst schwer zu bespielenden Saal in eine verspielte Kojenlandschaft mit Campcharakter. Das Thema Vergänglichkeit und Flüchtigkeit ließe sich jedenfalls kaum unkomplizierter und erfrischender illustrieren, und die ausgestellten Arbeiten passen sich reibungslos in dieses witzig improvisierte Ideenspielfeld ein. Wie etwa auch die Gründung einer "Extreme Green Guerilla" durch die Japanerin Mishiko Nitta. Kuratorin Imke Grimm:

"Und zwar ist diese Bewegung eine ironische Reflexion auf den Green Lifestyle, den es im Moment gibt: Wir müssen uns alle ganz ökologisch verhalten und alles recyceln. Und sie hat diese ganzen Maßnahmen ins Extrem gebracht und gesagt: Wie wäre es, wenn wir statt der gewöhnlichen Briefsendungen das normale Kommunikationssystem der Tiere verwenden, wie es wäre, Tieren Chips zu implantieren, die dann wiederum Nachrichten für Menschen weiterverbreiten. Warum sollen wir Massentierhaltung betreiben, Tiere töten, die künstlich für Menschen gezüchtet werden, es gibt genug Ungeziefer in der Stadt, also können wir auch Ratten und Tauben essen. Und wir haben Überbevölkerung, wir leben also viel zu lang, also könnten wir sagen, wir sterben mit 40, und deshalb kann man sich diesen Ohrchip im Alter von 20 Jahren implantieren lassen, und dann ist man mit 40 gestorben. Der würde bewirken, dass Bakterien im Körper freigesetzt werden und man dann einen ganz natürlichen und angenehmen Tod stirbt."

Der skandalerprobte Performancekünstler Marco Evaristti hat Eisberge, den Gipfel des Mont Blanc und Wüstendünen mit roter Lebensmittelfarbe bestrichen und wurde dafür angeblich wegen Entwürdigung des natürlichen Anblicks verklagt.

Der Medienkünstler Axel Roch lässt das Publikum durch ihre Augenbewegungen Landschaften auf einem Bildschirm malen. Der Österreicher Christian Gützer manipuliert das Wachstum von Grünpflanzen, indem er über eine programmgesteuerte Drehvorrichtung ständig die Position einer Pflanze im Verhältnis zu einer Lichtquelle verändert.

Die ironisch gebrochene Sorge um die Zukunft bleibt das Hauptthema dieser Ausstellung und des ganzen Festivals, und glücklicherweise sind Lösungen für all diese Sorgen hier nicht zu erwarten.