Die Krise in Mali

Von Alexander Göbel · 02.01.2013
Mali erlebt einen Abstieg. Erst stürzten Militärs den Präsidenten Toure, dann eroberten Tuareg-Rebellen und Islamisten den Norden des Landes. Die Tuareg konnten ihre Macht nicht behaupten. Seitdem wüten radikale Islamisten in der Region, die auch vor Heiligengräbern nicht haltmachen.
Antreten, marschieren, tiefste Gangart: Nachwuchs-Rekruten schwitzen in der Sonne. Hier im Camp Sévaré vor den Toren von Mopti, an der "Demarkationslinie" zwischen Malis Süden und dem Norden, lassen sich junge Freiwillige zu Soldaten ausbilden. Seit neun Monaten gehört auch Soumaila Dembébé zu den etwas mehr als eintausend Milizen der FLN, der Front für die Befreiung des Nordens. Soumaila ist 22 und kommt eigentlich aus dem Süden. Aber als der Norden Malis den radikalen Islamisten in die Hände fiel, hat er sich sofort zum Dienst gemeldet.

"Ich bin hier, weil ich mein Land befreien will. Meine Heimat ist eben auch der Norden Malis. Wir müssen diese Verbrecher vertreiben, diese Drogenhändler und Terroristen. Das sind islamistische Kriminelle, die kommen zum großen Teil nicht einmal aus Mali. Wir sind Patrioten - der Norden wird frei sein!"

Soumaila und seine Kameraden schöpfen gerade neue Hoffnung, dass sie Unterstützung bekommen. Nicht nur von der auf knapp 4500 Mann dezimierten malischen Armee, sondern von internationalen Truppen: Dafür hat der UN-Sicherheitsrat in New York nun grundsätzlich grünes Licht gegeben - nach monatelangen Verhandlungen.

"African-led International Support Mission in Mali" (AFISMA) so soll die Unterstützungsmission für Mali heißen. Sie soll zunächst auf ein Jahr befristet sein, rund 3300 Mann umfassen und von Mitgliedsstaaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS gestellt werden. , also etwa Nigeria, Tschad, Niger, Togo, Ghana und anderen. Aus der EU und den USA soll vor allem finanzielle und logistische Hilfe kommen - auch Ausbilder der Bundeswehr könnten bald afrikanische Soldaten trainieren.

Für Hannes Stegemann, Sahel-Experte der Caritas, ist das eine von vielen Ungereimtheiten der Resolution: Offenbar glaube man bei den Vereinten Nationen, tatsächlich Wahlen in einem Land durchführen zu können, das zu zwei Dritteln von Islamisten und Tuareg-Rebellen besetzt sei:

" ... und das ist glaube ich der Kernwiderspruch. Denn die logische Reihenfolge der Dinge würde es nötig machen, dass man die Autorität der Zentralregierung im Norden Malis wiederherstellt, damit im ganzen Land Wahlen abgehalten werden können. Erst im Süden Wahlen abzuhalten und dann anschließend den Norden zu befreien, macht eigentlich keinen logischen Sinn!"

Sinn macht es für den Caritas-Experten auch nicht, dass die UN-Resolution die Krise in Mali als ein rein afrikanisches Problem darstellt. Schließlich gebe es im Norden Malis mittlerweile auch Kämpfer aus Afghanistan, aus Pakistan, aus Mauretanien, und auch Salafisten aus Algerien, die in den 90er Jahren bereits am Krieg in Algerien beteiligt waren und sich jetzt in den unzugänglichen Norden Malis zurückgezogen haben.

In Bamako ist man - auch aus politischen Gründen - erleichtert, dass die internationale Gemeinschaft ernst machen und an der Drohkulisse gegen die Islamisten mitbauen will.
"Wir werden gegen die Terroristen in den Krieg ziehen und gleichzeitig weiterhin mit denjenigen Brüdern verhandeln, die zum Dialog bereit sind", zitiert die Webseite Maliacatu.net einen Sprecher von Präsident Traoré. Verhandeln - mit wem? Das ist die nächste Frage, auf die es keine Antwort gibt.

Fakt ist: Auch wenn die radikalen Islamisten von Ansar Dine - darunter viele malische Tuareg - erklärt haben, sie hätten dem Terrorismus abgeschworen und den Kontakt zu Al Kaida im islamischen Maghreb abgebrochen: Sie haben ebenso wenig den Rückhalt der Bevölkerung im Norden Malis wie die Tuareg der MNLA, ganz zu schweigen von den Heiligen Kriegern von Mujao. Und Fakt ist auch: Die Islampolizei fährt weiter durch Gao, Timbuktu und Kidal, im Namen der Scharia werden weiter Menschen gesteinigt, amputiert, vergewaltigt.

"Nein, momentan kann man nicht behaupten, dass es eine Lösung gibt. Sagt Iba Ndiaye, Sprecher der Anti-Putschisten in Bamako. Wir alle suchen danach, fieberhaft. Das Problem ist so komplex, und es gibt so viele Akteure in diesem Spiel - wie soll man das alles unter einen Hut bekommen? Schon die einzelnen Teile der Krise sind - jeder für sich genommen- eigentlich kaum lösbar. Wir haben es hier mit den größten, komplexen Schwierigkeiten zu tun, die Mali jemals hatte."

Die Menschen in Bamako wollen von Schwierigkeiten und Bedenken nichts mehr hören. "On veut la guerre", heißt es, "wir wollen den Krieg, Schluss mit den Verhandlungen!" Das wäre das Ende der Diplomatie - aber, so scheint es, noch lange nicht der Anfang von etwas Besserem, in Mali.


Links bei dradio.de:
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