"Die Klöster sind näher an den Menschen dran"

Petra Altmann im Gespräch mit Kirsten Westhuis · 21.07.2012
Keuschheit, Armut und Gehorsam. Trotz der strikten Grundgelübde hätten einige Klöster erstaunlich viel Nachwuchs, sagt die Kunsthistorikerin und Publizistin Petra Altmann. Sie hat unter anderem den Band "Die 101 wichtigsten Fragen - Orden und Klosterleben" verfasst.
Kirsten Westhuis: Nonnen und Mönche bringen es immer wieder zu einer gewissen Bekanntheit in den Medien. Benediktinerpater Anselm Grün zum Beispiel führt regelmäßig die Bestsellerlisten an, oder die Dominikanerin Jordana Schmidt wurde als Sprecherin vom "Wort zum Sonntag" bekannt. Die wohl berühmteste Nonne der letzten Jahrzehnte war sicherlich Mutter Teresa. Auch Jahre nach ihrem Tod ist ihr Name der Inbegriff der Nächstenliebe weltweit. Selbst wenn ein Leben im Kloster so gar nicht in die Vorstellung der meisten Menschen passt - es geht doch eine besondere Faszination aus von einerseits den alten Gebäuden und den langen Traditionen und andererseits von diesen Männern und Frauen, die ihr Leben Gott widmen.

In Deutschland gibt es mehr als 25.000 Ordensfrauen und Männer und die leben überall verstreut – es gibt Franziskanerinnen in Kiel, Benediktiner im bayerischen Ettal, Steyler Missionare an der deutsch-niederländischen Grenze oder Zisterzienserinnen im sächsischen Panschwitz Kuckau.

Die Kunsthistorikerin und Publizistin Petra Altmann hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben; unter anderem den Band "Die 101 wichtigsten Fragen – Orden und Klosterleben". Ich habe vor der Sendung mit Petra Altmann gesprochen und sie gefragt, ob Klöster eigentlich eine typisch christliche Erfindung sind.

Petra Altmann: Es gibt christliche Klöster seit dem vierten Jahrhundert vor Christus. Da schlossen sich die ersten Mönche zusammen. Vorher gab es nur die sogenannten Wüstenväter, also allein in der Einsiedelei lebende Menschen in der Wüste, die sozusagen für die Gesellschaft beten und meditieren wollten und die als Ratgeber sehr gefragt waren.

Westhuis: Sie haben von den Anfängen der christlichen Klöster gesprochen, aber gibt es auch in anderen Religionen Klöster?

Altmann: Ja. Es gibt in anderen Religionen Klöster, natürlich, die buddhistischen Klöster beispielsweise. Das kennen auch so manche aus unserem Kulturkreis. Es fahren ja auch manche Leute nach Thailand beispielsweise, um dort eine Weile in Klöstern mitzuleben. Also, das Christentum ist nicht die einzige Religion, die diese Klostergemeinschaften hat.

Westhuis: Aber wenn man jetzt mal guckt, bei uns zum Beispiel, da gibt es wahnsinnig viele verschiedene Ordensgemeinschaften, zum Beispiel Benediktiner, Franziskaner, das sind vielleicht noch so die bekanntesten, aber dann gibt es auch noch die Jesuiten, die Karmeliten, die Prämonstratenser, Augustiner, Pallotiner, Dominikaner, Zisterzienser und wie sie alle heißen – Frau Altmann, warum gibt es so viele verschiedene Orden, und unterscheiden die sich alle voneinander?

Altmann: Ja, sie unterscheiden sich schon voneinander, und zwar vor allem in dem Auftrag, den sie sich selbst gestellt haben. Also es gibt eben Orden, die sehr stark im karitativen Bereich engagiert sind, es gibt sogenannte Schulorden, also zum Beispiel die Maria-Ward-Schwestern, die betreiben Schulen, haben früher sehr viel mehr betrieben. Aus Personalmangel haben sie heute nicht mehr so viele Schulen. Die unterscheiden sich sehr stark in der Ausrichtung, in den Tätigkeiten, die sie ausüben.

Westhuis: Gibt es denn auch diesen Mönch, so wie diese ein bisschen romantisch-mittelalterliche Vorstellung ist, der den ganzen Tag betet?

Altmann: Also es gibt beispielsweise Anbetungsschwestern bei den Steyler Missionarinnen. Und in dem Klosterdorf Steyl, gleich hinter der niederländischen Grenze, da gibt es sozusagen drei Klöster. Da gibt es die Steyler Missionarinnen und die Missionare. Und dann gibt es noch die Anbetungsschwestern, 24 Stunden wird das Allerheiligste angebetet, und da wechseln sich die Schwestern ab. Aber diese Form der Klöster oder diese Lebensform in den Klöstern, die nimmt in unseren Breitengraden immer mehr ab. Das gibt es mehr und mehr in Asien beispielsweise, wo auch einfach mehr, oder in Afrika, wo es auch mehr Ordensleute gibt.

Westhuis: Hier lautet eine der wichtigsten Ordensregeln überhaupt "Ora et labora", "Bete und arbeite" aus der Regel des heiligen Benedikt. Was hat es denn damit auf sich?

Altmann: Ja, dieses "Ora et labora", das ist ja sehr berühmt eigentlich und wird dem Heiligen Benedikt zugeschrieben, obwohl dieser Begriff nie in seiner Regel auftaucht. Aber er ist sozusagen im Volksverständnis verbunden mit den Benediktinern. Was das besagt, ist eigentlich der klösterliche Tagesrhythmus. Das ist der Wechsel zwischen Gebet und Arbeit. Und da war ja der Heilige Benedikt genial, würde ich mal sagen, denn er hat so ein System entwickelt, wie der Tag strukturiert sein soll. Also, mit der ersten Meditation oder der geistlichen Lesung nach dem Aufstehen, mit der gemeinsamen Eucharistiefeier. Dann eben mit Frühstück und Arbeitsphase, Mittags betet man wieder zusammen. Dann ist eine Ruhephase, dann kommt der zweite Arbeitsblock, und Abends schließt man den Tag auch gemeinsam mit dem Gebet ab.

Und die Idee, die dahintersteckt, die wir uns auch teilweise so hinter die Ohren schreiben könnten heutzutage, ist, dass nichts überhand gewinnen sollte. Also weder die Arbeit noch sozusagen die Rekreationsphasen, also die Ruhephasen. Er wollte auch, dass die Arbeit klar definiert ist, dass die Zeitblöcke definiert sind, damit eben die Mönche nicht das Gebet vergessen über der Arbeit, aber das Gebet sollte eben auch nicht den ganzen Tag einnehmen. Und das ist eine ganz gute Ideen, wenn man selber mal im Kloster mitlebt und diese Struktur dann auch selbst lebt, dann merkt man, dass das eine sehr heilsame Sache ist.

Westhuis: Wenn dann jemand in ein Kloster eintritt, legt er ein Versprechen ab, ein sogenanntes Gelübde. Zu was verpflichtet man sich da?

Altmann: Ja, es gibt also die drei Grundgelübde, die eigentlich mehr oder weniger für alle Orden vergleichbar sind. Das ist einmal die ehelose Keuschheit, zum anderen die Armut und zum dritten der Gehorsam. Und die Benediktiner, die geloben auch noch die Stabilitas loci, also das heißt den Verbleib an einem Ort. Also, die legen die Gelübde auf das Kloster ab und bleiben in der Regel auch in diesem Kloster.

Westhuis: Also zusammengefasst: Kein Sex, kein Smartphone und Gehorsam meinen Oberen gegenüber. Ist das heute überhaupt noch eine zeitgemäße Lebensform?

Altmann: Na ja. Da gibt es natürlich auch so gewisse Aufbrüche. Smartphones gibt es auch bei Ordensleuten. Also ich habe schon genügend gesehen, die auch Smartphones haben, natürlich auch iPads und Notebooks und so weiter, die leben ja nicht auf dem Mond, ja, sie sind ja auch verknüpft mit unserer Gesellschaft. Sie haben Wirtschaftsbetriebe, sie sind Unternehmer und müssen natürlich auch da mithalten, was die modernen Kommunikationsmittel betrifft. Was die ehelose Keuschheit angeht, ja, das ist natürlich eine schwierige Geschichte und nicht jeder hält das auch durch. Es gibt ja durchaus Austritte aus den Klöstern auch, weil jemand eine Beziehung gefunden hat oder sie eben mit einem anderen Menschen, einem Partner zusammenleben möchte.

Und der Gehorsam, das ist so etwas, ja, wo wir sicher auch dran zu knabbern hätten. Also, es gibt viele Dinge, bei denen eben die Ordensleute ihre Oberin oder ihren Obern fragen müssen, da würden wir uns schon schwer tun, zum Beispiel wenn man sich neue Schuhe kaufen will – man hat ja in der Regel kein Geld, nur wenig Taschengeld, dann muss man eben fragen, ob man das Geld dafür bekommt. Und dann muss man auch begründen, dass es sinnvoll ist, nur um ein Beispiel, ein lapidares Beispiel zu nennen. Also, da würde unsereiner sich schon schwer tun. Aber es gibt ja nach wie vor junge Leute auch, die eintreten in die Klöster.

Westhuis: Sind das viele?

Altmann: Es sind nicht sehr viele, aber es gibt Klöster, die haben erstaunlich viel Nachwuchs. Also nach meiner Beobachtung ist es so, wenn irgendwo ein junger Mensch sich entschließt, in ein Kloster einzutreten, dann kann das zur Folge haben, dass eben dort auch mehr junge Leute eintreten. Ich habe das beobachtet in der Abtei Münster-Schwarzach beispielsweise, aber auch bei Zisterzienserinnen in der Abtei Waldsassen, da gab es eben ein, zwei junge Frauen, die eingetreten sind, und dann kamen eben mehr. Ich glaube, dort gibt es inzwischen fünf oder sechs Novizinnen, also junge Frauen, die in der Vorbereitungsphase zum Eintritt ins Kloster stehen.

Westhuis: Früher hatten Klöster ja eine enorm wichtige Bedeutung in der Gesellschaft auch, sie haben die armen und die mittellosen, die Obdachlosen, die Kranken versorgt. Sie haben aber auch Wissenschaft betrieben, wenn man mal an die Bibliotheken denkt, die Kunst oder die Musik und, ja, aber auch solche Sachen wie Gartenbau oder meinetwegen die großen Brauereien. Das kam ja alles auch aus den Klöstern. Haben Klöster heute noch eine gesellschaftliche Bedeutung?

Altmann: Ja, das haben sie durchaus. Also ich lebe ja im katholischen München, und wenn ich also hier sehe, wo die Klöster überall auch noch Einfluss haben – also, wir haben hier beispielsweise die Benediktinerabtei St. Bonifaz, und ich habe einen recht engen Kontakt zu dem Altabt Odilo Lechner. Und wenn er erzählt, dass sie eingeladen werden, Räumlichkeiten einzuweihen, also Büroräume einzuweihen, er war neulich bei einer Autovermietung. Wer sie auch als Vortragsredner einlädt, also sie sind durchaus in der Wirtschaft präsent, auch bei Banken, da gibt es also regelmäßig Vortragsredner aus den Klöstern.

Westhuis: Beobachten Sie auch einen Unterschied zwischen Kloster und Kirche?

Altmann: Ja, das beobachte ich schon. Aus meiner Sicht würde ich sagen, die Klöster sind näher an den Menschen dran, weil sie ja auch mit den Menschen leben. Auch vielfach mit den Menschen "aus unserer Welt", in Anführungszeichen, arbeiten. Es gibt ja mehr und mehr weltliche Mitarbeiter in den Klöstern. Also sie kennen ja auch die Probleme, die wir haben in unserer Gesellschaft, und sie haben da durchaus Verständnis für. Bei der Kirche habe ich manchmal den Eindruck, dass der Kontakt, dass die Bodenhaftung da etwas verloren gegangen ist. Und das habe ich bei Ordensleuten eigentlich nicht erlebt.

Westhuis: Die Ordensleute öffnen ihre Türen und laden ja auch ein. Es gibt zahlreiche Entspannungsangebote zum Beispiel. Da gibt es Wellness und Heilfasten, Urlaub richtig oder Meditationswochen. Auftanken für Manager, Oasentage für Männer, Qigong oder Bogenschießen und was weiß ich, noch alles. Werden Klöster immer mehr zum Dienstleister, zum Serviceleister für gestresste Menschen?

Altmann: Also Dienstleister würde ich das jetzt nicht unbedingt nennen. Ich würde den Begriff Ratgeber verwenden. Also, es ist in der Tat so, dass die Klöster, die Gäste aufnehmen, mehr und mehr Zulauf haben. Also besonders an hohen kirchlichen Feiertagen, also beispielsweise an Weihnachten, da gibt es ja in vielen Klöstern sogar Wartelisten für diejenigen, die gerne die Feiertage dort verbringen möchten, aber keinen Platz mehr finden können.

Ich denke, das hat eben mit der Ausprägung unserer heutigen Gesellschaft zu tun. Die Anforderungen sind enorm gewachsen. Der Druck auf uns wächst, der Stress wächst und manch einer stellt fest, dass er eben einfach irgendwo einen Platz braucht, wo er von dem allen zumindest für einige Tage Abstand bekommt. Und dafür sind die Klöster sehr geeignet. Es kommen eben auch mehr und mehr Menschen, die mit Kirche und Religion überhaupt nichts am Hut haben, die aber spüren, dass dort eine gewisse Spiritualität herrscht, dass sie dort willkommen sind, und die sich da wohlfühlen. Denn es ist ja so, dass man in den Klöstern nicht missioniert wird. Die wollen einem ja nichts verkaufen. Also, mir ist es nie passiert, dass ich diesbezüglich angesprochen wurde. Man lässt die Gäste in Ruhe, und wer Bedarf hat am Gespräch, der kann sich äußern und dann ist man auch gerne bereit dazu.

Westhuis: Das war die Kunsthistorikerin und Publizistin Petra Altmann. Sie ist Autorin vieler Bücher rund ums Kloster. Unter anderem gibt sie Antworten in dem Buch "Die 101 wichtigsten Fragen – Orden und Klosterleben". Das erschien in der Beck’schen Reihe für 9,95 Euro.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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