Die Insel für Vogelliebhaber

Von Ismeni Walter · 01.04.2010
Die Vogelwarte Helgoland ist nach der Vogelwarte Rossitten auf der Kurischen Nehrung die zweitälteste Vogelwarte Deutschlands. 1910 rief Hugo Weigold die Forschungsstation ins Leben. Eigentlich war er Fischereibiologe, doch seine Leidenschaft galt den Vögeln.
Fünf Mal am Tag verhält sich die Belegschaft der Vogelwarte auf Helgoland wirklich seltsam: Im Garten der Station laufen die Mitarbeiter umher, rudern mit den Armen, rufen. Das ist kein verschrobenes Inselritual, die Vogelkundler treiben die Vögel im sogenannten Fanggarten in ein System von Netzreusen. Die stehen unauffällig zwischen Bäumen und Büschen und leiten die Tiere in einen Holzkasten.

Die Vögel werden, bevor sie wieder fliegen dürfen, vermessen und gewogen. Dann bekommt jeder Vogel einen Aluminiumring um den Fuß, mit einer Aufschrift und einer Nummer. Wo immer auf der Welt jemand diesen Vogel wieder fängt oder findet: Nun kann man seine Reise nachvollziehen.

Seit 1909 beringt man auf Helgoland Vögel. In jenem Jahr nämlich kommt Hugo Weigold auf die Insel; ein Fischereibiologe, aber seine Leidenschaft gilt den Vögeln. Also bekniet er seinen Chef, den Direktor der Biologischen Anstalt Helgoland, so lange, bis er statt der Fische hauptamtlich Vögel erforschen darf. Am 1. April 1910 wird die Vogelwarte Helgoland aus der Taufe gehoben.

Schon vorher war Helgoland ein Mekka für Vogelfreunde. Jedes Jahr machen dort Tausende Zugvögel Station. Woher sie kommen und wohin sie fliegen, war damals noch ein Rätsel. Weigold wollte es mit der neuen Beringungsmethode lösen. Dafür legte er auf dem baumlosen Helgoländer Oberland den Fanggarten an. Ab 1924 baute sein Nachfolger Rudolf Drost das Programm weiter aus, mit vielen freiwilligen Helfern. Ende der 30er-Jahre wurden so jährlich über Hunderttausende Vögel beringt.

Der Zweite Weltkrieg macht dem ein Ende. Die Helgoländer werden evakuiert, die Royal Air Force belegt die Insel mit einem Bombenhagel. Auch nach Kriegsende bleibt die Insel Sperrgebiet, und so zieht Rudolf Drost mit der Vogelwarte 1947 nach Wilhelmshaven. Sie heißt nun Institut für Vogelforschung - Vogelwarte Helgoland.

1952 geben die Briten Helgoland frei. Ein Jahr später wird dort auch wieder eine kleine Station der Vogelwarte eröffnet - der Hauptsitz bleibt aber in Wilhelmshaven.

1956 kommt der junge Zoologe Gottfried Vauk als Leiter auf die Insel. Ein neues Stationshaus muss gebaut, der Fanggarten wieder hergerichtet werden. Mit viel Elan und Organisationstalent geht er die Aufgabe an.

"Wir haben dann mit Strandholz begonnen, einen Zaun um den Fanggarten herum zu bauen, Meter für Meter. Jeder, der nach unten ging, musste ein Brett mit raufbringen. Wenn er es nicht tat, wurde er von den anderen Kollegen wieder heruntergescheucht, musste wieder mit einem Brett ankommen. Dieser Bretterzaun hatte dann eine Länge von 100 Metern erreicht und brach dann in einem gewaltigen Orkan wieder zusammen. Wir haben wirklich buchstäblich weinend davorgestanden."

1960 wird der bis heute laufende Fangbetrieb wieder aufgenommen. Daneben wird die Seevogelforschung in der Arbeit der Station immer wichtiger.

"Gut, ja, wollen wir mal gucken, was draußen auf der Nordwestmole sitzt. Ich fang mal an mit Kormoran: Auf dem äußeren Teil der Mole sitzen 19 Kormorane und noch mal 20 Kormorane."

Auch in Wilhelmshaven wird das Institut seit Mitte der 60er-Jahre stetig ausgebaut. Die Forschungsschwerpunkte der Vogelwarte Helgoland sind auch heute noch dieselben: Vogelzug und Vogelökologie. Die Methoden und Fragestellungen jedoch haben sich verändert: Wie regulieren die Tiere ihren Stoffwechsel? Welchen Einfluss hat die Vererbung auf das Zugverhalten? Wie wirken sich Umweltbelastung und Klimawandel auf die See- und Zugvögel aus?

Auf Helgoland und in Wilhelmshaven arbeiten heute 24 Mitarbeiter in fünf Forschergruppen zusammen. Dazu kommen Gast- und Nachwuchsforscher aus aller Welt und viele freiwillige Helfer. Sie alle verbindet das, was schon die Gründerväter der Vogelwarte Helgoland angetrieben hat: eine unwiderstehliche Leidenschaft für Vögel.

"Man verlässt das Haus, hat sein Fernglas umhängen und kann sofort anfangen, Vögel zu beobachten. In der ersten Gasse kann schon was sitzen. Und wenn dann im Frühjahr irgendwann die Straßen voll sind mit Rotkehlchen, so etwas kann man einfach nirgends anders erleben. Das kann man einfach nur auf Helgoland haben."