Die Individualisierung der Arbeitwelt

07.01.2010
Er bezeichnet sich als Zukunftsforscher, berät die ÖVP ebenso wie die SPD und die Grünen, verdiente sich erste Meriten als Journalist für Blätter wie Tempo, übernahm zwischenzeitlich die Leitung vom Spontiblatt Pflasterstrand, was er auf seine Homepage verschweigt, gründete erst ein Trendforschungsbüro, dann ein Institut für Zukunftsforscher, verdient sich heute sein Geld vor allem mit teuren Vorträgen vor Wirtschaft und Unternehmen über Zukunftstrends, hat bereits mehrere Bücher mit Zukunftsprognosen veröffentlicht.
Themen:
Die Zukunftsgesellschaft - Kreative Politik
Die Krise als Heilung
Die Entwicklung des Individuums oder die ausgesparte Ökonomie
Flott formulierte Allgemeinplätze statt Beweise

Keine Frage, der Mann ist belesen oder hat zumindest exzellente Zuarbeiter. Die Literaturliste ist jedenfalls lang und schmückt sich mit allem, was da querbeet durch die Disziplinen Rang und Namen hat. Der österreichische Zukunftsforscher Matthias Horx hat neuste Erkenntnisse aus Sozial-, Technik- und Naturwissenschaften zu einem optimistischen Szenario der Arbeitswelt von Morgen zusammengebunden. Im Mittelpunkt steht die individuelle Entwicklung. Alle Thesen zielen auf die Erkenntnis und Überwindung psychologischer, neurobiologischer, evolutionär angelegter Denkmuster und Verhaltensregeln, die rationales Handeln erschweren. Horx erklärt, wie Ängste und Glücksgefühle, Empathie und soziales Verhalten, Ich-Stärke und Selbstverwirklichung, Selbsterkenntnis entstehen können.

Anzustreben und zu erwarten ist seiner Meinung nach eine Gesellschaft der Kreativen, in der jeder seine Fähigkeiten frei entfalten kann. Ein starker Staat mit einer starken Zivilgesellschaft, einem starken Markt und starken Individuen gilt ihm als anzustrebendes Zukunftsmodell. Statt Klassenkampf Kooperationen. Soziale Unterschiede gibt es offenkundig nicht mehr. Jeder ein Gewinner. Verlierer gibt es eigentlich nicht. Zumindest kommen sie im Buch nur am Rande vor als an sich und der Gesellschaft gescheiterte Existenzen. Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger, neue Armut? Die Bereiche spart Matthias Horx aus. Sie passen nicht in sein Schema einer klassenlosen Gesellschaft, die auch keine Klima- oder Umweltkrise kennt, in der die fatale Wachstumsideologie kaum gestreift wird, der Zusammenbruch der Banken dank eines maßlosen Finanzkapitalismus nur eine heilsame Krise unter vielen ist. "Die Wirtschaft braucht Krisen, wenn sie innovativ bleiben will," schreibt Horx. Das ist Zynismus pur angesichts Millionen Arbeitsloser und millionenhoher Boni für Banker. Überhaupt ist wirtschaftliche Macht bei ihm so gut wie ausgeblendet. Der von Horx gepriesene Wandel findet quasi in einem kapitalfreien Raum statt, ist ein Phänomen individueller Veränderung.

Das Problem mit dem flott geschriebenen, zitatenreichen Buch ist die Arbeitsmethode. Horx sucht sich aus den Wissenschaftsbereichen alles, was gut in seine Argumentationslinie passt. Das klingt dann alles sehr schlüssig und man muss schon gut aufpassen, um die eleganten Sprünge mitzubekommen, die Unvereinbares miteinander verbinden. So geht er übergangslos von der These, die heutige Artenvielfalt sei nur als Resultat früheren Artensterbens möglich, zur Behauptung über, persönliche Krisen würden Menschen stärken. "Der Mensch ist ein Krisenwesen. So hat uns die Evolution gemacht", heißt es da lapidar. Horx trifft ständig solche verallgemeinernden Feststellungen, die stimmig klingen, jedoch keinen Beweis darstellen. Immer wieder werden persönliche Erfahrungen und Erlebnisse mit wissenschaftlichen Erkenntnissen vermengt. Der Einzelfall gilt dann als Beleg für die Richtigkeit der These. Zudem beherrscht der Autor wie ein Politiker perfekt Allgemeinplätze, die gut klingen und denen jeder zustimmen kann. Amüsant zu lesen, aber von zweifelhaftem Zukunftswert.

Besprochen von Johannes Kaiser

Matthias Horx: Das Buch des Wandels – Wie Menschen Zukunft gestalten
DVA, München 2009
381 Seiten, 14,95 Euro