Die große Festival-Schlacht

Exklusivität per Vertrag

Publikum bei einem Open Air
Blick ins Publikum bei einem Open-Air-Konzert © imago stock&people
Von Ina Plodroch · 03.07.2017
Mit der Krise der Musikindustrie hat der Live-Markt der Branche stark an Bedeutung gewonnen. Die Festivals kämpfen um Besucher und ihre Zielgruppen. Und der große Werbetrick ist hier die Exklusivität beim Line-Up.
Eigentlich geben Festivals ihre Headliner gerne sehr früh bekannt. Doch bei der c/o pop in Köln war das in diesem Jahr anders. Moderat aus Berlin standen schon lange oben auf den Plakaten. Doch Mitte Juni hieß es dann: Annenmaykantereit spielen auch. Die Band kann sich vor Fans kaum halten. Warum kündigt die c/o pop den Auftritt der Band also erst so kurzfristig an?
"Wenn Rock am Ring eine Band bucht und genug Geld zahlt, dann haben sie die exklusiv meistens in einem Umkreis von 200, 300 Kilometern."
Matthias Kurth, bucht Bands für die c/o pop.
"Und dann kann man die nicht mehr buchen oder man bucht sie, darf sie aber erst nach Rock am Ring ankündigen."
Damit kein Fan denkt: Ach, Annenmaykantereit, die spielen auch auf der c/o pop? Dann kaufe ich mir doch kein Ticket für Rock am Ring, sondern gehe eher nach Köln. Gebietsschutz heißt diese Klausel im Vertrag.

Jeder will der Platzhirsch sein

"Die größeren Festivals, sagen wir das Summer Jam oder so, die haben schon krassere Klauseln als kleinere", sagt Max von Einem, Posaunist bei der Kölner Band Bukahara. Die strengsten Regeln sind ihnen in diesem Jahr beim Dockville Festival in Hamburg begegnet: vier Monate.
- "Da haben wir lange überlegt, ob wir das noch machen, weil man weiß ja nicht, was noch kommt. Das war der gesamte Norden geblockt für vier Monate", sagt Soufian Zoghlami, Sänger von Bukahara.
- "Aber ihr macht’s trotzdem?"
- "Ja."
Warum dieser Gebietsschutz wichtig ist, sei offensichtlich, findet Annika Hintz. Sie sucht die Bands für das Dockville-Festival in Hamburg aus: "Also wir befinden uns in einer Zeit, wo es sehr sehr viele Festivals gibt, auch sehr viel mehr Festivals noch auf den Markt schießen un eine gewisse Überflutung zum Teil passiert. Dieser Gebietsschutz ist einfach dafür da, dass man sich am Ende nicht gegenseitig kannibalisiert, weil wenn man sich vorstellt dass überall die gleichen Acts spielen."
Deshalb also die Exklusivität - und das für 90 Prozent der Bands, die auf dem Dockville spielen. Seit fünf oder sechs Jahren hat sich der Gebietsschutz verbreitet., seit sich der Festivalmarkt so gigantisch vergrößert hat. Dass aber selbst eine Band wie Bukahara, die weit entfernt davon ist, ein Headliner zu sein für den die Besucher über 100 Euro ausgeben, davon betroffen ist, ist seltsam.
"Das ist ja ein anderer Punkt. Es kommt ein extrem kleiner Prozentsatz wegen nur einer Band. Es ist beim Dockville nicht wie bei bei Rock am Ring, wo dann auch Rammstein spielen und Rammstein irgendwie kostet die Karte sowieso schon irgendwie 120 Euro im Normalfall und das Rock am Ring kostet 200 Euro. Und sie spielen nur Rock am Ring dann bleibt den Fans ja gar nichts anderes übrig als zu Rock am Ring zu gehen. Da ist der Gebietsschutz extrem wichtig."

Ticketverkäufe als Rechtfertigung für verschiedenste Vertragsklauseln

Im Kampf um die Ticketverkäufe gehen Festivals lieber auf Nummer Sicher. Philipp Jakob-Pahl von Landstreicher-Booking vermittelt Bands wie Kraftklub, Casper oder Newcomer an Festivals. Bei Bukahara sei der Gebietsschutz sinnvoll, meint er. Aber bei unbekannten Künstlern "sind diese Klauseln teilweise Schwachsinn. Keinen Festivalgänger interessiert das, ob die, die um 14h spielt, sechs Wochen vorher schon gespielt hat."
Aber was interessiert die Besucher denn wirklich? Ein künstlerisch ambitioniertes Programm? Exklusive Bands? Oder doch eher günstiges Bier, viele Freunde, Glamping? Philip Jakob-Pahl meint:
"Die Leute entscheiden auch nicht mehr nach Line-Up, sondern welches Festival bietet mir das beste Drumherum, das Rahmenprogramm ist für Festivals noch viel wichtiger geworden, als das Programm. Klar, Headliner, ist immer das treibende Mittel, um Tickets zu verkaufen, aber mittlerweile ist das so, dass man sich als Festival viel mehr Gedanken machen muss um Essen, Camping, Toiletten, um die Leute bei der Stange zu halten."
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