Die "Faust"-Oper von Charles Gounod

Sie gleicht dem Geist, den sie begreift

Der französische Komponist Charles Gounod (1818-1893)
Ein Musiker, wie Goethe sich ihn wünschte: Charles Gounod, Komponist einer französischen "Faust"-Oper. © bifab / dpa picture-alliance
Gast: Michael Stegemann, Musikwissenschaftler; Moderation: Olaf Wilhelmer · 17.06.2018
Ein Fest für Stimmfetischisten, aber mit literarischem Anspruch: Mit seiner "Faust"-Oper schuf Charles Gounod perfekte Vokalmusik und setzte zugleich Goethes Tragödie geschickt in Szene. Ein Meilenstein des Musiktheaters.
Was hat Goethes "Faust" mit "Tim und Struppi" zu tun? Charles Gounod (1818-1893) ist der Mittler zwischen der größten Tragödie der deutschen Literatur und den Bildgeschichten des Belgiers Hergé: Mit der "Juwelenarie" der Margarethe schuf der französische Komponist 1859 in seiner "Faust"-Oper einen veritablen Hit, der – nebst dem fiktiven Star Bianca Castafiore – zum "running gag" der Comic-Reihe wurde.

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Schon zu Lebzeiten war Gounod ein Komponist, dessen Ruhm sich verselbständigte und zum Symbol für Musik schlechthin wurde. Gounod wurde bei der Eröffnung der Royal Albert Hall in London gespielt, und als die Metropolitan Opera in New York eingeweiht wurde, stand dessen "Faust" auf dem Spielplan. Im Lande Goethes wurde die kongenial eingerichtete "Faust"-Adaption zurückhaltender aufgenommen, etablierte sich aber gleichfalls, wenn auch lange Zeit unter dem etwas irreführenden Titel "Margarethe".

Das Abstoßende anziehend gestalten

Während Komponisten wie Berlioz, Liszt, Schumann und Wagner ihre "Faust"-Werke am Rande oder jenseits der Gattung Oper ansiedelten, stürzte sich Gounod in ein Musiktheater voller Saft und Kraft – übrigens im Sinne Goethes, der 1829 in einem Gespräch mit Johann Peter Eckermann die Komposition des "Faust" als "ganz unmöglich" bezeichnet hatte, denn: "Das Abstoßende, Widerwärtige, Furchtbare, was sie stellenweise enthalten müsste, ist der Zeit zuwider. Die Musik müsste im Charakter des ‚Don Juan‘ sein; Mozart hätte den ‚Faust‘ komponieren müssen. Meyerbeer wäre vielleicht dazu fähig, allein der wird sich auf so etwas nicht einlassen; er ist zu sehr mit italienischen Theatern verflochten."
Der Hinweis auf den damals noch wenig bekannten Giacomo Meyerbeer ist erstaunlich, wurde dieser doch zum Pionier der französischen Oper und damit zu einem direkten Vorläufer von Gounod. Dessen "Faust"-Oper hatte auch deswegen Erfolg, weil Gounod darin Paraderollen für gleich vier Stimmfächer schuf: Die Titelpartie als Haute-Contre-Tenor, Mephistopheles als schwarzer Bassbariton, Margarethe als lyrischer Sopran und deren Bruder Valentin als typisch französischer, hoher "Baryton-Martin". Kein Wunder, dass die Aufnahmegeschichte dieser Oper bereits um 1900 mit Fjodor Schaljapin und Adelina Patti einsetzt. 1930 lagen von Gounods "Faust" schon zwei Gesamtaufnahmen vor; heute ist das Werk in unterschiedlichsten Versionen und Libretto-Übersetzungen greifbar: Ausdruck einer musikalischen Weltsprache. Der Musikwissenschaftler, Publizist und Frankreich-Experte Michael Stegemann stellt die bemerkenswertesten Einspielungen in den "Interpretationen" vor.
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