Die ersten 125 Jahre

Von Eva Maria Götz · 30.04.2007
Mit einer Revolte fängt sie an, die Geschichte des ersten nach demokratischen Prinzipien organisierten Orchesters in Deutschland. Als Hofmusikdirektor Benjamin Bilse eine Tournee nach Polen plant und für die Musiker seiner berühmten Kapelle nur Zugfahrkarten in der 4. Klasse bestellt, platzt den Männern der Kragen. Sie wählen Bilse kurzerhand ab und sich selber einen neuen Dirigenten: Ludwig von Brenner.
Nach turbulenten ersten Jahren, in denen das Orchester finanziell mehr als einmal kurz vor dem Ruin steht, gelingt dem Konzertagenten Hermann Wolff 1887 ein sensationeller Coup mit der Verpflichtung des international gefeierten Hans von Bülow als ständigem Dirigenten. Mit ihm beginnt die Geschichte der erfolgreichen Chefs, die den Klang des Orchesters prägen. Allerdings immer nur als primus inter pares- auf ihre Eigenständigkeit legen die Spitzenmusiker größten Wert. Bülows Nachfolger Arthur Nikisch leitet das Orchester 27 Jahre lang, von 1895 bis 1922.

Den ersten Weltkrieg und die Revolutionswirren der Nachkriegszeit übersteht das Orchester fast unbeschadet, in den wirtschaftlich schwierigen zwanziger Jahren werden die Rufe nach staatlicher Subvention immer lauter. Das Orchester trägt sich nicht allein, obwohl mit Wilhelm Furtwängler als Chef abermals ein Megastar der Dirigentenszene gefunden wird. Mit dem hochgebildeten, so sensiblen wie cholerischen Furtwängler verbindet die Musiker eine mehr als 25 Jahre anhaltende Liebesgeschichte. Sie überdauert die Zeit der Nazi- Herrschaft, in der die Philharmoniker zum Staatsorchester werden und besondere Privilegien genießen: Keiner ihrer Musiker muss je an die Front. Dafür repräsentieren sie den Nazistaat im In- und Ausland.
Als am 29. Januar 1944 ihr Domizil, die "Philharmonie" bei einem Bombenangriff in Flammen aufgeht, spielt das Orchester eben in anderen Berliner Konzerthäusern weiter: am 15. April 1945 zum letzten Mal vor Ende des Krieges. Bereits am 26. Mai sitzen sie wieder auf dem Podium des Titaniapalastes, allerdings ohne Wilhelm Furtwängler, der muss erst noch zur Entnazifizierung.

Schon 1948 geht’s auch wieder los mit Gastspielen in Europa, für den Beginn der 50er Jahre wird eine Amerikareise geplant. Für die junge Bundesrepublik und ihren Kanzler Adenauer ein Politikum von großer Bedeutung. Als der inzwischen rehabilitierte Furtwängler 1954 stirbt, nutzt sein stärkster Konkurrent die Gunst der Stunde.

Die Amerikareise findet mit Herbert von Karajan statt, der daraufhin den begehrten Chefposten erhält. Mit ihm erobern die Philharmoniker in den 60er und 70er Jahren den Medienmarkt, doch nach 35 Jahren ist die in jeder Hinsicht gewinnbringende Beziehung zwischen Orchester und Maestro stark abgekühlt.

1989 legt Karajan kurz vor seinem Tod den Chefposten nieder, sein Nachfolger wird der schüchterne Italiener Claudio Abbado. Mit ihm und seit 2002 mit Sir Simon Rattle verjüngt sich das Orchester, sucht sich ein neues Repertoire und mit dem Schul- und Bildungsprogramm "Education at B- Phil" für Kinder aus bildungsfernen Schichten auch ein neues Publikum.
Mehr zum Thema