Die Digitalnatives ins Theater locken

Von Ludger Fittkau · 12.01.2010
"Beglücke mich<strong>!" - mit dieser Verszeile von Franz Schubert hat das Theater Koblenz ein Projekt übertitelt, mit dem die Musik von Franz Schubert Teenagern nahegebracht werden soll. Selbst Verabredungen in Studi-VZ spielen im Stück eine Rolle.
Die Internetgeneration wird in den Koblenzer Kammerspielen bei der Hauptprobe von einer Oberstufenklasse eines Gymnasiums in Andernach am Rhein verkörpert. Judith Pielsticker, Dramaturgin am Theater Koblenz, hat den Schülern gerade eine Einführung zu Franz Schubert gegeben. Dennoch sind bei den 16-jährigen Martin und Scharif die Erwartungen vor Beginn des Schubert-Programms gedämpft:

"Eigentlich haben wir gar nichts über den gehört gehabt jetzt haben wir gehört, dass er sehr viele Lieder geschrieben hat und früh gestorben ist."

"Also ich kannte den vorher auch nicht und habe auch wenig Interesse."

Zögerlich geht's deshalb rein in einen Raum, der wie eine Mischung aus Werkshalle und Diskothek wirkt. Kalter Neon-Schick. Drei Sound-Designer thronen auf Bühnenelementen zwei Meter über den Köpfen des Publikums, vor sich Mischpult und Laptops. Monitore überall: In Fensternischen, unter dem Flügel, über dem mitten im Publikum platzierten Schlagzeug. Die von weißen Leuchtstoffröhren eingerahmte größte Wand des Saales wird von Bildern ausgefüllt, die ein Videobeamer überträgt. Der Abend beginnt mit dem weißen Rauschen des Vorspanns eines Videofilms.

Auf der Wand gegenüber, die Texte der Schubert-Lieder, gut präsentiert von Hana Lee und Tamara Weimerich: Uraltes Erz – bleibet mein Schmerz, rauschender Strom, brausender Wald –

"Ich hasse dieses Lied – glotz nicht so romantisch."

Zuviel Süße geht nicht, der gerade noch schmachtende Liebhaber wirft dann sofort mit seinem T-Shirt um sich. Auf dem Hemd die Aufschrift: "Sturfucks for Free". Ein Stück Theater der Zukunft, zumindest in Koblenz. Intendant Markus Dietze twittert selbst auf der Homepage des Theaters:

"Also es verändert sich ein Schwerpunkt der Frage, worein investiere ich den und in welche Künstler investiere ich. Weil der Bühnenbildner ist dann eher der Videoclip-Designer und dann gibt es plötzlich auch im Musiktheater Sound-Designer. Aber das ist eine ganz normale Entwicklung in der Kunst. Irgendwann ging es ja mal los, dass nicht nur Baumeister größere Kirchen gebaut haben, sondern Künstler, und ich sehe diese Entwicklung vollkommen unproblematisch. Es gibt ja viele Kollegen, die dann gleich die Nase rümpfen und sagen: Muss das denn sein? Und ich finde Projekte, da muss das sein, und dann gibt es wieder Projekte, da muss das überhaupt nicht sein und genauso handhaben wir das."

Immer wieder ist zwischen den Schubert-Liedern von Verabredungen in Studi-VZ die Rede, und davon, dass man einfach nicht NICHT-ONLINE sein kann. Christina Gassen gelingt in ihrer Inszenierung der Bogen von den Schubert-Liedern zur Selbstdarstellung der jungen Liebeshungrigen auf Facebook. Gassens These für die "Kontaktaufnahme mit Musik von Franz Schubert", so der Untertitel ihres Programms, lautet so:

Gassen: "Haben nicht so Status-Meldungen auf Facebook so eine gewisse Ähnlichkeit zu so einer Kommunikationshaltung, die hinter dem Lied steckt, also ich stelle was raus, und was passiert, ist nicht Kommunikation, sondern Affirmation. Also eine Abgleichung von Gemütszuständen."

Du wolltest glücklich sein, jetzt bist du im Elend. Schuberts Musik, aber auch die Texte etwa von Heine, die er vertont, sind zeitlos. So will Markus Dietze ran an die "digital natives", will sie mit Liebesleid ins Theater locken. Dafür wird auch mal der männliche Hauptdarsteller von den beiden Sängerinnen kopfüber in ein Aquarium aus Plüschtieren gesteckt.

Franz Schubert als emotionaler Türöffner für liebestrunkene oder eben einfach zwischendurch nur alberne Teenies des Internetzeitalters. Dietze:

"Ich glaube, was daran funktioniert, sind die in der Pubertät hochkochenden Individualgefühle und da ist dann die Differenz, zwischen dem, was ein Schubert im stillen Kämmerlein oder ein Wilhelm Müller auf seinem Online-Account auslebt, dann doch nicht so groß, das sind immer noch die gleichen menschlichen Gefühle, um die es da geht, deswegen funktioniert es besser als wenn man sagt, ich mache jetzt ein Abend mit Mahler oder so."

Und es funktioniert. Am Ende der Hauptprobe muss die Klasse aus Andernach zwar schnell weg, doch was sie beim rausgehen sagen, merkt man ihnen auch an. Es hat den Schülern ziemlich gut gefallen, sie fühlen sich geradezu ein bisschen beglückt: Selbst Martin und Scharif:

"Es wurde ja modern gemacht, wegen Studi-VZ und so was, was im Moment auch angesagt ist, glaube ich zumindest, ja und ich fand es auch ganz okay."

"Ich fand es schon spannend, war auf jeden Fall lustig, klasse gemacht, die Schauspieler. ( ... ) Hat schon gepasst ja."

Links zum Thema:
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