Die deutschen Wurzeln des "Piano Man"

22.05.2009
Sein Metier ist die Popmusik - doch geprägt wurde er von Bach, Beethoven und Mozart. Die Rede ist vom US-amerikanischen Musiker Billy Joel. Nur wenigen war bislang bekannt, dass Joel aus einer deutsch-jüdischen Emigrantenfamilie stammt. Sein Großvater betrieb einen Textilversandhandel in Nürnberg, der später "arisiert" und von Josef Neckermann übernommen wurde, dem Gründer des späteren Neckermann-Versands.
Der New Yorker Billy Joel gehört zu den erfolgreichsten Solo-Popkünstlern unserer Zeit. Mehr als 100 Millionen Schallplatten hat er in den rund 35 Jahren, die seine Karriere nun dauert, verkauft. Einige seiner Kompositionen wie "Piano Man" oder "New York State Of Mind" haben es längst auf die Seiten des großen, amerikanischen Songbooks geschafft, avancierten zu Standards.

Joel ist auf Tonträger und per DVD bestens dokumentiert. Empfehlenswerte Bücher über ihn finden sich hingegen kaum. Nun versucht sich ein deutscher Autor, der Nürnberger Journalist Steffen Radlmaier, am Leben und Werk des Billy Joel und legt ein Buch vor, das auch die deutsch-jüdische Familiengeschichte des Musikers beleuchten will. Tatsächlich wirkte es für nicht wenige Fans wie ein Schock, als die Filmemacherin Beate Thalberg 2001 in ihrem Film "Die Akte Joel - Die Geschichte zweier Familien" die dramatische Geschichte der Großeltern und des Vaters Joels nachzeichnete.

Im Jahr 1928 gründete Karl Amson Joel in Nürnberg einen florierenden Textilversandhandel, den er aber schon zehn Jahre später im Rahmen der von den Nazis organisierten sogenannten Arisierung "verkaufen" musste, ohne auch nur eine Reichsmark zu erhalten. Der Käufer hieß Josef Neckermann. Während die jüdische Familie über die Schweiz in die USA emigrierte, bezog Neckermann die Villa der Joels, machte eine Karriere, die das Dritte Reich nicht nur überlebte, sondern sich nach dem Weltkrieg zu einem Wirtschaftswunder-Mythos auswuchs.

Ein kleiner Teil der Familie Joel überlebte den Holocaust - Billy ist also Nachkomme von "Survivorn". Was seine Kunst zutiefst prägte: Er wuchs mit den großen deutschen Klassikern auf – mit Bach, Beethoven und, nehmen wir ihn dazu, Mozart. Sie wurden dem äußerst musikalischen Kind vom exilkranken Vater, der ihn ihnen ein Stück Heimat bewahrte, vermittelt. Das Überleben aber hat beiden zeitlebens bedrückende Probleme bereitet - wie viele andere in ihrer Situation, fragten sie sich immer wieder: wie kann es sein, dass wir leben und so viele sterben mussten?

Steffen Radlmaier hat sich also nun mit diesem schwierigen Stoff beschäftigt und redlich Mühe gegeben, die dramatischen historischen Ereignisse mit dem Leben der Familie Joel zu verweben. Der Autor hat viel recherchiert und gelesen, um das Werk des Musikers Billy verstehen und einordnen zu können, und bekam diverse Telefoninterviews, was nur selten geschieht, da Joel Journalisten nicht mag. Aber: In weiten Teilen vermag dieses Buch der Wucht und bisweilen auch Gewalt dieser Geschichte nicht gerecht zu werden. Dafür mangelt es Radlmaier ganz einfach an einem kühlen, analytischen Blick und, das muss leider gesagt sein, sprachlichem Vermögen. Das fällt immer dann besonders auf, wenn er, quasi um den eigenen Gedanken zu den Geschehnissen ab 1933 mehr Gewicht zu verleihen, prominente Zeitzeugen von Klemperer bis Hemingway ins Feld führt. Und wie so oft, wenn es um eher preiswert geplante deutschsprachige Bücher über Popmusiker geht, arbeitete das Lektorat, so sich tatsächlich ein Lektor über das Manuskript gebeugt haben sollte, schlampig. Immer wieder geraten Namen und Jahreszahlen durcheinander, finden sich kuriose Sachfehler im Text - das ist schlicht ärgerlich.

Dennoch: Stadlmaiers Buch gehört zu den ganz wenigen kohärenten Schriften über Billy Joel. Wären nicht die vielen Fehler, könnte es dem Einsteiger in Kunst und Leben dieses bemerkenswerten Mannes unbedingt empfohlen werden. So aber: nur bedingt.

Besprochen von Andreas Müller

Steffen Radlmaier: Die Joel-Story. Billy Joel und seine deutsch-jüdische Familiengeschichte
Heyne Verlag, München 2009
256 Seiten, 19,95 Euro