Die Bibel twittern

Von Michael Hollenbach · 30.05.2009
Auch die Kirchen verlassen sich längst nicht mehr nur auf die Predigt am Sonntagmorgen, um die frohe Botschaft unters Volk zu bringen. Immer stärker setzen sie aufs Internet - zum Beispiel die EKD ab September mit dem neuen Portal evangelisch.de. Aber schon jetzt wird das neue Protestanten-Portal genutzt - für einen Weltrekord. Bis Pfingstmontag wollen die evangelischen Internetaktivisten die ganze Bibel twittern.
Für das neueste virtuelle Projekt der Protestanten wirbt ein Trailer im Internet: Drei Pfarrer in einem Boot; der erste steigt aus und läuft – wie einst Jesus - über das Wasser, kehrt zurück und setzt sich wieder ins Boot; der zweite macht es ihm nach. Der dritte Pfarrer geht beim mutigen Versuch, übers Wasser zu laufen, gnadenlos unter.

Jessica Völker macht mit beim Bibel-Twittern. Sie ist auf dem Kirchentag in Bremen unterwegs und spricht eine Gruppe Jugendlicher an:

"Wollt ihr beim Bibel-Weltrekord mitmachen. … Wir wollen jetzt bis Pfingsten die ganze Bibel twittern. Wir haben jetzt die Bibel in 4000 Textstellen unterteilt und die müssten aber noch mal gekürzt werden auf 140 Zeichen, ungefähr so lang wie eine SMS. Und da brauchen wir Hilfe. Wollt ihr uns helfen?"

Die Jugendlichen sind sofort dabei. Jeder erhält einen Umschlag mit einer Bibelstelle, die er in 140 Zeichen – das sind rund zwei Dutzend Wörter - zusammenfassen soll. Das kann man handschriftlich auf einem Flyer machen oder im Internet auf der Seite von Twitter.com/evangelisch.de.

"Die meisten sind relativ aufgeschlossen und interessiert, alleine: ‚Weltrekord’, das lockt die meisten schon."

Die Bibel gibt es ja nun schon umgangssprachlich als so genannte "Volxbibel", seit drei Jahren in "gerechter Sprache", und nun folgt also die frohe Botschaft als Kurz-Message. Haben da nicht einige Theologen die Nase gerümpft?

"Theologen überhaupt nicht. Kein einziger Theologe hätte so etwas gesagt."

Sagt Melanie Huber, Portalleiterin bei evangelisch.de. Sie hatte die Idee zu der Twitter-Aktion.

"Jesus ist auf Berge gestiegen, auf Seen gepaddelt, hat gesagt: Passt euch an an das, was die Leute machen, und ich denke, er hätte auch gesagt: wenn die Leute heute twittern, dann sollen sie twittern und dann twittern wir mit, und es geht auch nicht darum, das Wort Gottes zu verfälschen, sondern zu interpretieren. ... es ist ganz wichtig, dass sich mal wieder Menschen mit dem Wort Gottes auseinander setzen, und dass sie es schaffen, den Kern zu erfassen."

Auch wenn sich beispielsweise auf dem Kirchentag viele Jugendliche an der Aktion beteiligen: Mit dem Twittern wollen die Protestanten nicht in erster Linie die Teens und Twens als Zielgruppe erreichen:

"Twitter ist nicht das Medium der ganz Jungen, die ganz Jungen, digital natives, wie sie man sie nennt, kennen Twitter oft gar nicht, es ist eher das Medium der 30+ Generation und insofern stecken wir mit unserer Aktion mitten in unserer Zielgruppe."

Wie man eine Bibelpassage twittern kann, verdeutlicht Elisabeth. Im Zweiten Brief des Johannes Kapitel 1, Vers 4-6 heißt es in 361 Zeichen:

"Ich bin sehr erfreut, dass ich unter deinen Kindern solche gefunden haben, die in der Wahrheit leben nach dem Gebot, wie wir sie vom Vater empfangen haben: und nun bitte ich dich , Herrin, - nicht, als würde ich dir ein neues Gebot schreiben, sondern das, was wir von Anfang an gehabt haben, das wir uns untereinander lieben, und das ist die Liebe: dass wir leben nach seinen Geboten, das ist das Gebot, wie ihr es gehört habt von Anfang an, dass ihr darin lebt."

Die getwitterte Kurzform kommt mit 122 Zeichen aus:

"Cool, dass hier Leute nach meinem Gebot leben. Macht weiter so und lebt in Gottes Liebe nach seinem Gebot: liebt einander."

Wenn es die Protestanten schaffen, bis übermorgen die ganze Bibel zu twittern, dann soll das Ergebnis nicht nur im Internet zu bewundern sein, sondern auch noch in der guten, alten Buchform erscheinen.