Diagnose: Mord

Der Pathologe Quirke deckt einen Mord in der irischen Hauptstadt Dublin auf.
Der Pathologe Quirke deckt einen Mord in der irischen Hauptstadt Dublin auf. © Stock.XCHNG / Nate Nolting
26.08.2009
Dublin in den 1950er-Jahren: Der Pathologe Quirke erhält eine Nachricht eines ehemaligen Studienkollegen, der ihn inständig bittet, die Leiche seiner scheinbar durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Frau nicht zu obduzieren. Doch Quirke ist zu neugierig, der Bitte zu folgen und muss feststellen, dass Deirdre, die Inhaberin des Schönheitssalons "Der silberne Schwan", ermordet wurde.
Auf eigene Faust ermittelt der Pathologe, dessen Vornamen John Banville bereits in seinem ersten Krimi beharrlich verschwieg, weiter. Unter Verdacht geraten Leslie White, Deirdres Liebhaber und Geschäftspartner, sowie der wunderliche Geistheiler Dr. Kreutz, dessen zwielichtige Praxis besonders Frauen aufsuchen. Bei seinen Nachforschungen wird Quirke in Dublins anrüchige Welt sexueller Obsessionen, Prüderie, in Erpressung und Mord hineingezogen, und er stellt fest, dass auch seine Tochter ein großes Rätsel für ihn ist.

Das Herausragende an John Banvilles solidem Krimi ist die atmosphärische Dichte. Das Bier und den Zigarettenqualm in den irischen Pubs meint man zu riechen, ebenso die abstoßenden Gerüche in mäßig belüfteten Treppenhäusern oder die würzige Seeluft. Fast kann man die irische Hauptstadt als zweite Hauptfigur des Romans bezeichnen. John Banville hat sein Pseudonym mit Bedacht gewählt, "Black" steht auch in seinem zweiten Dublin-Krimi für eine düstere Vorahnung. Auch Quirke ist nicht mit sich im Reinen - nur mühsam kann er sich an seine selbst auferlegte Abstinenz halten, und wenn er sagt: "die Toten machen keinen Ärger", so steckt dahinter die bitter-lakonische Feststellung des Pathologen, der vielleicht doch lieber Chirurg geworden wäre.

"Der silberne Schwan" ist mehr als eine spannende Kriminalgeschichte. Jedes Geschehnis könnte etwas mit dem Leben des Protagonisten zu tun zu haben oder wenigstens mit der Seelenlage der Menschen im Dublin der 1950er-Jahre. Die Rückblenden in das Leben der Ermordeten sind meisterhaft: Sie verraten immer nur gerade so viel, wie man durch die Ermittlungen Quirkes ohnehin vermutet, und sie nähren die spannenden Zweifel, die man sich als Leser eines durchdachten Krimis so herbeisehnt.

John Banvilles Sprache und die deutsche Übersetzung festigen den positiven Eindruck. Der Autor versteht es, das komplizierte Innenleben seiner Hauptfigur so zu beschreiben, dass man es nachempfinden kann, andererseits folgt er konsequent der Handlung sowie der Struktur einer spannenden Kriminalgeschichte. Ein Drehbuchautor müsste den szenischen Beschreibungen nur noch sehr wenig hinzufügen, um das Set-up komplett zu machen. Auf die Herkunft seiner sprachlichen Ausdrucksstärke angesprochen, verwies Banville eine amerikanische Bewunderin einmal lapidar auf das Wörterbuch: "Webster, my dear."

Banville gilt als überzeugter Vertreter der englischsprachigen, irischen Literatur, wohl auch, weil sie ihm international mehr Beachtung ermöglicht. Der Stoff jedoch, die Themen, so Banvilles Aussage, seien etwas Uririsches. Als er 2005 den "Man Booker Prize" gewann, erinnerte Banville daran, dass die Briten den Iren neben vielen schlimmen Dingen mit Englisch eine wunderbare Sprache gebracht haben. "Anders gesagt: Wir sind immer für eine Geschichte gut, und wir haben die Sprache, um sie zu erzählen."

Besprochen von Roland Krüger

John Banville alias Benjamin Black: Der silberne Schwan
Aus dem Englischen von Christa Schuenke
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009
415 Seiten, 22,95 Euro