Deutschlands Strategie im Syrien-Krieg

"Assad wird sich durchsetzen"

In Frankreich protestieren Aktivisten gegen die Bombardierungen in Syrien: Aufnahme vom 11. April 2018. Eine junge Frau hält eine syrische Flagge hoch.
In Frankreich protestieren Aktivisten gegen die Bombardierungen in Syrien © imago
Carlo Masala im Gespräch mit Nicole Dittmer und Julius Stucke · 12.04.2018
Während Donald Trump auf Twitter droht, scheint Europa dem Syrien-Konflikt ratlos zuzuschauen. Eine deutsche Strategie ist nicht zu erkennen. Der Politologe Carlo Masala erklärt, warum Merkel trotzdem klug handelt, wenn sie jetzt nicht militärisch eingreifen will.
Merkels Absage an eine militärische Intervention in Syrien sei aus deutscher Sicht absolut richtig, sagt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München, im Deutschlandfunk Kultur.
"Eine militärische Intervention zum jetzigen Zeitpunkt in Syrien würde bedeuten, dass man gegebenenfalls in eine direkte Konfrontation gegen Russland, gegen die Türkei und gegen den Iran gerät. Das ist es etwas, was die gesamte Region dort und auch die umliegende Region in Feuer und Flamme versetzen könnte. Damit hätten wir die Eskalation eines regionalen Konflikts auf die internationale Ebene – und zwar mit militärischen Mitteln."

Versuch eines billigen Regimewechsels

Dennoch habe Deutschland im Syrien-Konflikt drei kardinale, strategische Fehler gemacht, meint Masala:
"Der erste strategische Fehler war, dass wir – damit meine ich die europäischen Staaten und die USA - uns von Beginn an auf die Seite einer höchst zweifelhaften Gruppe, die ich jetzt mal als syrische Rebellen zusammenfasse, geschlagen haben, in der Hoffnung, dass diese schon mit ein bisschen Unterstützung in der Lage wären, Assad zu stürzen. Ohne allerdings je die Bereitschaft gehabt zu haben, die notwendigen Mittel aufzubringen, um gegebenenfalls diesen Sturz Assads herbeizuführen. Das war der Versuch, einen Regimewechsel relativ billig herbeizuführen."
Der zweite strategische Fehler sei gewesen, dass man nicht frühzeitig genug interveniert habe.
"Es hätte durchaus am Anfang die Chance bestanden, mit einer entschiedenen militärischen Intervention zumindest die Konfliktparteien auseinanderzutreiben, um dann nach einer politischen Lösung zu suchen", sagt Masala.

Assad kann gar nicht anders als weiterzukämpfen

Und schließlich sei der dritte politische Fehler, den man eigentlich bis heute begeht, dass man Assad, einen der wichtigsten Akteure in diesem Konflikt, zur persona non grata erklärt habe, den man in einem Nachkriegssyrien nicht haben wolle.
"Damit hat man Assad in eine Position gebracht, in der er eigentlich nur noch weiterkämpfen will, denn entweder er wird gewinnen, oder er wird vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag landen. An Letzterem hat er natürlich kein Interesse."

Es gab nie eine Strategie für Syrien

Generell kritisiert Masala, dass Deutschland nie eine tragfähige Strategie für Syrien gehabt habe.
"Und mittlerweile ist der Konflikt so komplex, dass ich keine Strategie sehe, wie man dieses Land befrieden kann. Letzen Endes wird es darauf hinauslaufen, dass Assad sich durchsetzen wird. Das wird vielleicht noch einige Stellungen geben, die die syrische Opposition längere Zeit halten werden kann. Aber der Konflikt wird dadurch beendet werden, dass eine Seite – nämlich die von Assad – sich durchsetzen wird."
(sel)

Carlo Masala: "Die globalen Krisen und das Versagen des Westens"
C.H. Beck, 176 Seiten, 14,95 Euro.

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