Deutscher Zukunftspreis

Das Körperinnere in Kinoqualität

Das Team von Diplom-Informatiker Klaus Engel hat es geschafft, aus dreidimensionalen Daten, die von medizinischen Scannern gewonnen werden, sehr fotorealistische Bilder zu erzeugen.
Das Team von Diplom-Informatiker Klaus Engel hat es geschafft, aus dreidimensionalen Daten, die von medizinischen Scannern gewonnen werden, sehr fotorealistische Bilder zu erzeugen. © Ansgar Pudenz
Von Frank Grotelüschen · 29.11.2017
Ein Roboter, der zum direkten Partner des Menschen werden soll. Eine neue, feinfühlige Generation von Handprothesen. Ein hyperrealistisches Verfahren, das das Körperinnere sichtbar macht. Drei Forscherteams sind für den wichtigsten Technologiepreis Deutschlands nominiert.
Team 1: die Software, die Röntgenbilder in Hollywood-Qualität liefert.
Ab und zu muss man beim Arzt in den Computertomographen. Die Bilder, die so ein Gerät macht, sehen für den Laien eher langweilig aus – Schichtbilder in Schwarzweiß. Das Team von Siemens-Forscher Klaus Engel macht daraus etwas Spektakuläres.
"Wir schaffen es, aus dreidimensionalen Daten, die von medizinischen Scannern gewonnen werden, sehr fotorealistische Bilder zu erzeugen."
Die Experten nutzen Algorithmen, wie sie auch bei Hollywood-Produktionen zum Einsatz kommen – weshalb die Forscher von Cinematic Rendering sprechen. Allerdings ist das für medizinische Bilddaten sogar noch anspruchsvoller als bei digitalen Leinwandhelden.
"Wenn man sich mal anschauen würde, wie so ein Hollywood-Charakter, jemand wie zum Beispiel Gollum aus Herr der Ringe, wirklich aussehen würde, würde man merken, wenn man den aufschneidet: Der ist innen hohl! Der wird nur als Hülle modelliert. Das ist das einzige, was man im Film von ihm sieht."
Im Gegensatz dazu müssen die Wissenschaftler das Innenleben des Körpers berücksichtigen. Das Ergebnis ist beeindruckend. Knochen, Blutgefäße, Organe erscheinen in cineastischer Bildqualität. Die Software läuft nicht nur auf dem PC, sondern auch auf Tablets und Smartphones.
"Ich kann hier einfach mit dem Finger den Datensatz drehen, von allen Seiten anschauen. Ich kann Bereiche wie die Muskulatur und die Haut ausblenden, um nur noch die Knochen zu sehen und die Blutgefäße im menschlichen Schädel, die Sie hier sehen."
Das Verfahren taugt als interaktiver Anatomie-Atlas fürs Medizinstudium, sagt Klaus Engel – und als Planungswerkzeug für Chirurgen.
Der vom Team des Roboterforschers Sami Haddadin entwickelte Roboterarm ist mit einem Tastsinn ausgestattet.
Der vom Team des Roboterforschers Sami Haddadin entwickelte Roboterarm ist mit einem Tastsinn ausgestattet.© Ansgar Pudenz
Team 2: der Roboter, der lernt, wie man Dinge begreift.
Für gewöhnlich leisten Industrieroboter ihre Arbeit nach strikter Vorgabe ab. Sie schweißen und kleben nach einem definierten Programm. Anders der Roboterarm von Sami Haddadin und seinem Team.
"Diese Roboter sind durch eine Fähigkeit sehr anders im Vergleich zu klassischen Industrierobotern: Das ist der Tastsinn. Diese Roboter können fühlen."
Sensoren messen die Kräfte, die von außen auf den Roboterarm einwirken. Das Resultat: Ein Roboterarm mit Tastsinn, etwa so groß wie ein menschlicher Arm. Er spürt quasi, wenn er auf ein Hindernis trifft und weicht dann sofort zurück. Und: Die Maschine ist lernfähig, sagt der Professor von der Uni Hannover.
"Sie zeigen dem Roboter nur grob, was er tun soll. Er erlernt dann autonom, wie er es tut und ist dann ein fähigeres Werkzeug, das Ihnen die Arbeit erleichtern kann."
Damit kann der Roboter komplexe Aufgaben erledigen – etwa einen Bücherschrank aufschließen und ein Buch herausholen. Mittlerweile hat die Münchener Firma Franka Emika den Roboterarm auf den Markt gebracht.
"Die Produktion ist angelaufen. Das System, was jetzt gerade angeboten wird, nennt sich Panda. Das ist bei knapp unter 10.000 Euro in der Basisversion."
Was den Roboterarm auch für kleine Unternehmen interessant macht.
Stefan Schulz und seine Kollegen haben die Handprothetik neu ins Visier genommen.
Stefan Schulz und seine Kollegen haben die Handprothetik neu ins Visier genommen.© Ansgar Pudenz
Team 3: die Handprothese, die einzelne Finger bewegt.
Greifen, halten, anfassen – unsere Hände sind für den Alltag unentbehrlich. Für Menschen, die bei einem Unfall eine Hand verloren haben, gibt es Prothesen, deren Finger von Elektromotoren bewegt werden. Lange Zeit ließen sich nur alle Finger gleichzeitig öffnen und schließen. Anders bei den Handprothesen der jüngsten Generation.
"Die modernen Prothesen können einzelne Finger bewegen, können den Daumen hineinklappen, herausklappen, sich in Opposition zu den einzelnen Langfingern stellen."
Sagt Stefan Schulz von der Firma Vincent Systems aus Karlsruhe. Bis vor kurzem waren die Elektromotoren für die Fingergelenke relativ groß. Das Team um Stefan Schulz hat es geschafft, sie kompakter zu bauen.
"Mittlerweile gelingt es, die Funktion so klein zu gestalten, dass die Form einer kleinen Frauenhand entspricht."
Heute bietet die Firma sogar Modelle für Kinder an. Gesteuert wird die Prothese, indem ihr Träger Muskeln am Unterarm anspannt. Dort nehmen Elektroden die Muskelströme ab und geben sie an die Prothese weiter.
"Der Patient benutzt seine Muskulatur so wie er denkt, dass das zum Beispiel der Zeigefinger ist. Und die Prothese lernt genau dieses Griffmuster – selbstlernende Handprothesen."
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