Deutscher Katholikentag

Plädoyer für priesterliche Ehelosigkeit

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in Regensburg (Bayern) während einer Pressekonferenz zum Katholikentag.
Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer in Regensburg (Bayern) während einer Pressekonferenz zum Katholikentag. © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Rudolf Voderholzer im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 28.05.2014
Auf dem Katholikentag sollen Brücken geschlagen werden - doch die Gräben zwischen der Kirche und ihrer Basis sind tief. Bischof Rudolf Voderholzer zum Beispiel will am Zölibat nicht rütteln und kritisiert deutsche Hochschulen als "Abrichtungseinrichtungen". Bei Eheproblemen empfiehlt er gemeinsames Beten.
Matthias Hanselmann: "Mit Christus Brücken bauen", das ist das Motto des heute in Regensburg beginnenden Deutschen Katholikentags. Dieses große Treffen des Katholizismus ist als Laienveranstaltung gegründet worden und findet heute schon zum 99. Mal statt. Seit 1848 gibt es ihn. Bis Sonntag wird gefeiert, diskutiert und gebetet, treffen auch sehr unterschiedliche Meinungen unter den Katholiken aufeinander. Ich habe vor der Sendung mit Rudolf Voderholzer gesprochen. Er ist Erzbischof von Regensburg und damit Gastgeber dieses Ereignisses. Zunächst wollte ich von Herrn Voderholzer wissen, wie er sich fühlt an einem solch wichtigen Tag.
Rudolf Voderholzer: Die Spannung steigt, wie man so schön sagt, ins fast schon Unerträgliche, aber es sind nur noch ein paar Stunden, alles ist gut vorbereitet. Leider ist das Wetter momentan noch nicht so ganz, wie wir es uns erhofft haben, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass der Regen bis zum Abend nachlässt, und morgen soll es sowieso sehr schön werden.
Hanselmann: Das Motto des diesjährigen Katholikentags lautet "Mit Christus Brücken bauen". Es gibt viel Musik, es wird unter anderem auch die Vokalpopgruppe Wise Guys wieder dabei sein, und deren Mitglied, Marc Sahr, sagt: "Mit Christus Brücken bauen für den 99. Deutschen Katholikentag passt bestens, denn ich glaube, dass es für die Katholiken in Deutschland Zeit ist, mit Christus eine Brücke zwischen der Basis und der Institution Kirche zu bauen". Wie ist es denn aus Ihrer Sicht zurzeit bestellt mit diesem Verhältnis von Basis und Institution? Was bewegt sich?
Voderholzer: Der Katholikentag ist ein Fest des Laienapostolates. Bischöfe und Laien gemeinsam vergegenwärtigen sich, dass die Kirche nicht für sich selber da ist, sondern Salz der Erde, Licht für die Welt sein soll, und wir sind gerufen, Brücken zu schlagen hinein in die verschiedensten Lebens- und Wirkbereiche in der Welt. Mir ist vor allem wichtig der Brückenschlag zur Wissenschaft, der Brückenschlag zwischen Theologie und Naturwissenschaft. Die oft aufgerissene Kluft zwischen Glaube und Vernunft, aber auch das gespannte Verhältnis zwischen Glaube, Kirche und Kunst und Kultur, jetzt ist es mir vor allem ein Anliegen, auch das Thema Wissenschaft, das Thema Hochschule, das Thema Katholische Universität stark zu machen.
Katholische Universität als Modell
Ich habe gestern vor der Vollversammlung des Zentralkomitees der Katholiken noch einmal leidenschaftlich darum geworben, dass sich die Mitglieder des Zentralkomitees der Katholiken den Bemühungen der früheren Katholikentage in Regensburg, vor allem auch schon aus dem 19. Jahrhundert anschließen, die damals eine katholische Universität als ein Kompetenzzentrum, ein katholisches Kompetenzzentrum gefordert haben, wo auf der Höhe der Wissenschaft die Verantwortung auch für naturwissenschaftliche und andere wissenschaftliche Ergebnisse bedacht werden, wo ein breites Spektrum auch studiert werden kann, wo man der Tendenz entgegenwirkt, dass unsere Universitäten zu bloßen Abrichtungseinrichtungen verkommen und das klassische Bildungsideal einer umfassenden Bildung aus dem Blick gerät. Da wäre eine katholische Universität ein Modell. Nun haben wir seit 1980 eine solche Universität in Eichstätt und ich habe die Vollversammlung des ZdK noch mal eindringlich gebeten, sich auch dieses Anliegen verstärkt noch einmal zu eigen zu machen, dass wir diese katholische Universität auch auf eine gesamtdeutsche Basis stellen.
Hanselmann: Und wie sieht diese Hinwendung der Institution zur Basis konkret auf dem Katholikentag jetzt aus?
Voderholzer: Eine Fülle von Veranstaltungen ist geboten, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Wir haben ein hervorragendes Programm erarbeitet mit über 1.000 Veranstaltungen, Foren, Vorträgen , aber auch Konzerten. Besonders wichtig ist mir das Forum über Fritz Michael Gerlich, einen der ersten Märtyrer im antinationalsozialistischen Widerstand, der hier in der Oberpfalz in Konnersreuth entscheidende Inspiration empfangen hat, seinen Weg gerade zu gehen und im leidenschaftlichen Kampf gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus schließlich auch sein Leben hingegeben hat. Ein Vorbild meines Erachtens für alle in der Medienwelt Tätigen.
Dann freuen wir uns natürlich sehr, dass sowohl das Staatsoberhaupt als auch die Regierungschefin am Katholikentag teilnehmen. Wo gibt es das schon, dass die beiden höchsten Repräsentanten des Staates gemeinsam und aktiv an einer gesellschaftlichen Veranstaltung teilnehmen. Das war zuletzt, wenn ich das richtig sehe, beim DFB-Pokalendspiel im Olympiastadion in Berlin im 2012, wo die beiden immerhin passiv teilgenommen haben. Aber bei uns nehmen sie aktiv teil. Eine große Wertschätzung. Und es zeigt den Brückenschlag zwischen Kirche und der Politik, die Stimme der katholischen Kirche, vor allem auch ihrer Laienrepräsentanten wird gehört. Und wir wollen uns einbringen, wir wollen zeigen, wir sind als Katholiken Lobbyisten des Lebens, wir setzen uns ein für das Leben in allen Phasen und unter allen Bedingungen.
Hanselmann: Es werden auch schwierige Themen angesprochen werden, Themen, die in der letzten Zeit für Furore gesorgt haben, was die römisch-katholische Kirche betrifft. Die Missbrauchsskandale, die die Kirche erschüttert haben, der Fall Tebarz van Elst, der Krankenhausskandal um abgewiesene Frauen, die in Not waren. Diese Dinge haben ja eine Art Vertrauenskrise ausgelöst, haben auch viele Gläubige aus der Kirche vertrieben. Ist diese Vertrauenskrise jetzt vorbei oder auf dem Weg der Besserung aus Ihrer Sicht?
Voderholzer: Vertrauen muss immer wieder neu errungen werden. Vertrauen kann man auch dadurch gewinnen, dass man ins Gespräch miteinander kommt. Auf dem Katholikentag wird über alles gesprochen werden, und alle Themen sind mit dabei. Ich sehe die Kirche hier auf einem guten Weg, werde mich auch in aller Leidenschaft einbringen, vor allem, weil Sie gerade die aktuellen Themen ansprechen, das Thema Ehe und Familie. Wir müssen uns mit aller uns zur Verfügung stehenden Kraft und auch Phantasie und Leidenschaft, aber auch im Lichte des Glaubens darum bemühen, dass wir die große und bedeutende Institution Ehe so begleiten in der Vorbereitung auch schon, aber dann auch in der Verwirklichung, dass gezeigt wird, das kann gelingen, das gelingt auch in nach wie vor den meisten Fällen, aber unter den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stellen sich natürlich auch ganz neue Herausforderungen und Schwierigkeiten. Hier sehe ich für mich persönlich und für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den größten Handlungsbedarf, auch schon im Vorfeld der Bischofssynoden, die ja in Rom angekündigt sind.
"Sehnsucht, in tragenden Liebesbeziehungen zu leben"
Hanselmann: Für all diese Themen werden auf dem Katholikentag Zentren vorhanden sein, eines davon ist "Zentrum Frauen und Männer", ein anderes "Zentrum Ehe und Familie und Generationen". Herr Voderholzer, wir können heute kaum über den Katholikentag reden, ohne einen weiteren Themenkreis anzuschneiden, der der Basis auf dem Herzen liegt, in diesem Zusammenhang, und das schon seit Jahren: die Familienpolitik der römisch-katholischen Kirche. Nach wie vor gilt der Zölibat, nach wie vor herrscht Abtreibeverbot, sind Kondome und andere Mittel nicht erlaubt. Hierzu ist ein Bischofstreffen in Rom geplant, Sie haben es selbst angesprochen gerade. Was meinen Sie: Steht hier endlich ein entscheidender Durchbruch bevor? Wird sich die Kirche unter Franziskus vom Zölibat verabschieden zum Beispiel?
Voderholzer: Die eigentliche Frage lautet doch, wie wir die Menschen ermutigen und begleiten können, Ja zu sagen zur Familie, zu Kindern und zur ehelichen Liebe, wo deutlich wird, welch großes Gut das Sakrament der Ehe ist, wird auch deutlich werden, welch wichtige Lebensform die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen ist, das ist die Lebensform Jesu, die er von denen erwartet, die ihm in einer besonderen Weise nachfolgen. Aber das wird immer nur für wenige die Berufung sein. Mit überwältigender Mehrheit bekennen sich die Menschen auch in Deutschland heute zu ihrer Sehnsucht, in erfüllenden und tragenden Liebesbeziehungen zu leben, und gleichzeitig leben wir in einer Kultur, in der diese Sehnsucht massenhaft scheitert und enttäuscht wird. Das Problem mit Wiederverheirateten, das in diesem Zusammenhang sich stellt, ist dann ein Folgeproblem.
Die eigentliche Herausforderung liegt darin, Wege zu erfüllenden und tragenden Beziehungen aufzuzeigen und zu begleiten. Das geht nur auf der Basis auch eines starken Glaubens. Wir können nicht über all diese Themen reden, ohne nicht zuvor über den Glauben und über die Mitte des Glaubens gesprochen zu haben. Und das ist nun doch einmal Christus, mit dem wir Brücken bauen wollen. Wir müssen uns fragen, haben wir in der Ehevorbereitung genug dazu getan, dass Eheleute auch miteinander beten, dass sie auftauchende Krisen auch im Glauben, im Glauben an den gekreuzigt auferstandenen Herren miteinander bewältigen. Das ist, denke ich, die große Aufgabe, der wir uns stellen müssen.
Hanselmann: Rudolf Voderholzer, Erzbischof von Regensburg, zum heute beginnenden Katholikentag und einigen wichtigen Themen, um die es dabei geht. In unserer heutigen Debatte wollen wir eine Frage an Sie weitergeben: Was meinen Sie: Konnte die katholische Kirche nach Missbrauchsskandalen, dem Fall Tebarz van Elst und dem Krankenhausskandal wieder Vertrauen zurückgewinnen? Glauben Sie, dass die katholische Kirche, so wie es der Erzbischof eben sagte, auf dem richtigen, auf einem guten Weg ist? Gegen zehn vor vier geht es dann hier live darum, mit Ihren Meinungen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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