Deutsche Museen und die Raubkunst

"Genetischer Reflex zur Bestandswahrung"

Die Experten für Provenzienzforschung im Museum Wiesbaden, Miriam Merz und Peter Forster, untersuchen am 10.12.2013 im Landesmuseum Wiesbaden (Hessen) die Rückseite eines Bildes. Das Museum Wiesbaden hat 1999 begonnen, alle zwischen 1933 und 1945 erworbenen Kunstwerke auf ihre Herkunft zu überprüfen.
Experten für Provenzienzforschung untersuchen im Landesmuseum Wiesbaden die Rückseite eines Bildes. © picture-alliance / dpa / Fredrik von Erichsen
Christian Fuhrmeister im Gespräch mit Sonja Gerth und Oliver Thoma · 03.11.2014
Vor einem Jahr wurde der Fall Gurlitt bekannt. Seitdem wird über Raubkunst und die Herkunftsforschung in Deutschland debattiert. Der Münchner Kunstexperte Christian Fuhrmeister sieht die deutschen Museen unter extremen Druck.
Der Münchner Kunstexperte Christian Fuhrmeister vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte hält das Zentrum für Kulturgutverluste, das Anfang nächsten Jahres mit der Arbeit beginnen soll, für hoffnungslos unterfinanziert.
Im Deutschlandradio Kultur sagte Fuhrmeister, wenn man nicht nur die Herkunft von Bildern, sondern diejenige aller Kulturgüter erforschen wolle, seien wohl selbst die vom Jüdischen Weltkongress geforderten zehn bis 20 Millionen Euro zu wenig. Die Bundesregierung will sechs Millionen Euro im Jahr bereitstellen.
Fuhrmeister unterstützte eine von Kulturstaatsministerin Grütters ins Gespräch gebrachte Berichtspflicht deutscher Museen. Momentan würden in der Regel nur die Forschungsergebnisse, aber nicht die Recherche veröffentlicht, sagte er. Dadurch wisse man nicht, was geprüft worden sei und was nicht. Es gebe deswegen keinerlei Kriterien für gute Provenienzforschung, sagte der Experte ein Jahr nach Bekanntwerden des Falls Gurlitt.
Die Museen werden mit Briefen von Anwälten und Rückgabeforderungen "bombardiert"
Fuhrmeister befürwortete zudem eine Verlängerung der Verjährungsfristen und eine klare gesetzliche Regelung des gesamten Bereichs. Eine gesetzliche Grundlage würde auch die Arbeit der kunsthistorischen Forschung maßgeblich erleichtern, sagte er. Momentan sei vieles noch "ins Belieben gestellt".
Die Museen sieht der Kunstexperte derzeit unter extremem Druck. Diese würden mit Briefen von Anwälten und Rückgabeforderungen bombardiert. "Dann sind sie erst einmal sofort in der Defensive", sagte Fuhrmeister – und hätten nur ein paar Wochen oder Monate Zeit, um die Angaben zu überprüfen. "Das ist eine Zwangslage", sagte er. Dass deutsche Museen Werke aktiv verstecken, wie der Vorsitzende der "Commission for Art Recovery", Lauder, im "Spiegel" behauptet hatte, glaubt Fuhrmeister nicht. Richtig sei aber, dass es einen "genetischen Reflex" gebe, den Bestand bewahren zu wollen, sagte er.
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