Deutsche Mondmission soll Führungsrolle bringen

Moderation: Dieter Kassel · 02.03.2007
Die kürzlich in Grundzügen präsentierte deutsche Mondmission soll laut dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) der Bundesrepublik innerhalb Europas eine Führungsrolle in der Raumfahrtforschung sichern. Es gehe in der internationalen Weltraumforschung immer darum, die besten Aufträge zu bekommen, erklärte der DLR-Direktor für Raumfahrtprogramme, Walter Döllinger.
Dieter Kassel: Die Amerikaner waren schon vor einer ganzen Weile da. Das wissen wir. Auch die Sowjets haben frühzeitig Erfahrungen mit Mondmissionen gesammelt. Inzwischen ist auch noch die ESA dazugekommen, die europäische Raumagentur. Inder und Chinesen wollen zum Mond und Deutschland will jetzt zeigen, dass wir das auch können. Eine deutsche Mondmission ist geplant. Am Telefon begrüße ich jetzt Walter Döllinger. Er ist der Programmdirektor Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Guten Morgen Herr Döllinger.

Walter Döllinger: Schönen guten Morgen.

Kassel: Man musste Sie zum Mond beziehungsweise zum Jagen tragen, hieß es am Schluss. Ist da ein bisschen was dran?

Döllinger: Das finde ich eine öde Bemerkung. Ich muss allerdings fairerweise sagen: wir haben schon seit ungefähr zwei Jahren die Diskussion zum Mond auch von der Industrie angestoßen. Das stimmt. Es ist immer die Frage: wann ist ein gutes Zeitfenster für so eine Mission? Jetzt glaube ich ist ein ideeller Zeitpunkt und deshalb haben wir jetzt sozusagen gemeinsam mit der Industrie diesen Vorschlag gemacht.

Kassel: Warum ist der Mond so interessant? Ich fand eigentlich diese Ausrichtung, die Sie und andere Länder auch vorher hatten, dass es doch schön ist, dass wir inzwischen zumindest mit Sonden auch zum Mars, zur Venus, zum Jupiter können, ich fand diese Idee, dass diese Planeten interessanter sind, immer so nachvollziehbar. Was ist jetzt wieder interessant am Mond?

Döllinger: Das ist in der Tat eine gute Frage. Ich glaube das ist ausgelöst worden durch die amerikanische Initiative "back to the Moon", der Mann auf dem Mond mit einer Mondbasis. Das heißt damit rückt dieser Planet, der ja der nächstgelegene zu uns ist, wieder in den Vordergrund und siehe da: plötzlich wollen alle Nationen – China haben Sie gehört, Japan, die Inder, auch die Europäer natürlich – zurück auf den Mond. Und was wirklich wichtig ist: er ist ja kaum erforscht.

Kassel: Kommen wir mal zu dieser Mission mit der Mondsonde, die im Prinzip jetzt für 2012 geplant ist. Was wollen Sie dort noch erforschen?

Döllinger: Alles! Es gibt vom Mond im Grunde außer 400 Kilogramm Gesteinsproben und ein paar Bildern von den Apollo-Missionen eigentlich keine genauen Kenntnisse der Struktur, der Oberfläche, der Zusammensetzung, der Restatmosphäre und dergleichen mehr. Also ein wissenschaftliches – wirklich man kann sagen – noch unerforschtes Gebiet. Wir wollen jetzt nicht gegen die Amerikaner antreten. Das macht keinen Sinn. Nein, wir wollen unsere wissenschaftliche Expertise einbringen, um zum Gesamtaufklärungsprozess Mond einen guten Beitrag zu leisten.

Kassel: Aber das ist natürlich trotzdem auch etwas Erstaunliches, dass Sie das am liebsten alleine machen wollen. Ohne die NASA, okay, aber nun ist natürlich das DLR fest eingebunden in die ESA, die europäische Raumfahrtagentur. Gucken wir uns die ISS an. Da sind die Russen, die Amerikaner, die ESA alle gemeinsam dabei. Warum jetzt plötzlich wieder so ein nationaler Alleingang?

Döllinger: Jetzt sage ich mal ganz offen: diese multinationalen Kooperationen haben in der Tat immer den großen Nachteil, wenn ein Partner ausschert, fällt das ganze Gebäude mehr oder weniger zusammen oder wird zumindest brüchig. Das sieht man ja bei der ISS. Die Amerikaner werden das Shuttle 2010 einstellen. Den Mond kann man aber noch relativ gut mit relativ wenig Aufwand erreichen. Wir haben gesagt, wir wollen jetzt mal im europäischen Kontext zeigen, dass wir eine starke Nation sind. Wir sind der zweitgrößte Partner in Europa. Italien will zum Mond, die Briten wollen zum Mond und das können wir auch. Und: Man kann immer noch kooperieren, aber man muss erst mal ein Gewicht in die Waagschale werfen, um überhaupt ein Ansprechpartner zu sein.

Kassel: Ist das nicht trotzdem heikel? Das Wettrennen um den Mond in den späten 60ern, frühen 70er Jahren war ein ganz großer Teil des Kalten Krieges und ich gehe doch mal davon aus, einen Kalten Krieg zwischen Deutschland und Großbritannien gibt es eher nicht oder?

Döllinger: Ja, es gibt aber – Sie sehen es bei Airbus – immer wieder, ich sage mal, die Frage, wer hat die Lead-Funktionen in gewissen technologischen herausragenden Merkmalen? Wir Deutschen sind in der Erdbeobachtung exzellent aufgestellt. Und das ist ein Teil von Remote Sensing. Wir werden mit einem Orbiter den Mond mit Instrumenten abtasten und da wollen wir zeigen, dass wir in Europa wirklich eine führende Rolle spielen.

Kassel: Das haben Sie auch in einem Interview mit "Spiegel Online" gesagt. Sie wollen jetzt auch erfolgreich sein bei der Mondmission, um dann eine stärkere Position zu haben innerhalb der ESA. Warum ist das so wichtig?

Döllinger: Es geht immer um die Frage wer bekommt die besten Aufträge bei Missionen? Natürlich ist Frankreich traditionell sehr stark. Die Italiener haben in den letzten Jahren sehr stark aufgeholt. Wir haben natürlich viel Geld in das Thema ISS investiert, was uns natürlich immer noch sehr stark fordert, und wir müssen jetzt aufpassen, dass wir bei den neuen Themen – und die Expiration des Mondes ist in der Tat ein jetzt kommendes neues Thema – eine federführende Rolle spielen.

Kassel: Das heißt man kann es auch gut auf die Erde holen. Reden wir ganz kurz über Airbus. Man darf nicht vergessen: Mutterkonzern von Airbus ist EADS. Die haben sich übrigens extra so genannt, damit man Eads sagen kann. In Deutschland tut das aber keiner. EADS ist im Wesentlichen in der Tat ein Raumfahrtkonzern. Das heißt man muss wie immer Geld ausgeben. Es geht aber auch um Arbeitsplätze und darum, damit Geld zu machen?

Döllinger: Absolut richtig!

Kassel: Das heißt es ist wie früher, dass Weltraumforschung etwas ist, was am Ende auch die Wissenschaft auf der Erde anstößt?

Döllinger: Ich denke schon. Aber ich glaube der Schluss, dass nach der ersten Mission sofort eine Anwendung erfolgt, wird wohl etwas nüchterner sein. Ich denke mit der Expiration des Mondes ist eine technologische Herausforderung mit neuesten Instrumenten, Kameras, Sensoren, Radaroptik und dergleichen mehr, dass wir hier zeigen was aus der Satellitenebene machbar ist. Das geht ja hin bis zur Verteidigungspolitik. Wenn sie Out of Area-Einsätze haben und sie haben keine guten Satelliten, die die Erde vorher beobachten können, dann haben sie dort Schwierigkeiten.

Kassel: An der zurzeit aktuell geplanten Mission – wir erwähnen an dieser Stelle: es gab eine Anhörung vorm Parlament in dieser Woche - -

Döllinger: Es gab eine Information der Abgeordneten.

Kassel: Eine Information. Insofern ist nichts genehmigt, auch keine Gelder, aber es sieht offenbar gut aus was diese Mission angeht. Die würde, wenn sie in der bisher geplanten Form stattfindet, voraussichtlich zwischen 300 und 400 Millionen Euro kosten. Das kommt mir regelrecht wenig vor. Ist Raumfahrt inzwischen billiger geworden?

Döllinger: Nein, Sie haben Recht. Wir greifen natürlich auf viele vorhandenen Technologien zurück. Wir haben eine hervorragende Stereokamera. Diese hat sich ja bewährt bei der Marsmission, die ja zurzeit noch Bilder macht, mit fantastischen Bildern. Wir haben eine Reihe von wissenschaftlichen Expertisen im Radarbereich. Wir bestücken zurzeit einen neuen Satelliten, der im Uplink gestartet wird. Auch hier haben wir schon Vorarbeiten geleistet, haben unsere Technologien vorbereitet, die man hier praktisch unmittelbar umsetzen kann. Es muss also nicht alles neu entwickelt werden. Wir nutzen vorhandene Geräte und Sensoren und brauchen nur noch einen Orbiter, ein Fluggerät. Das wird damit bestückt und damit könnte man eigentlich losfliegen. Deshalb ist der Preis so vergleichsweise bescheiden.

Kassel: Wir haben es vorhin schon gehört. Die Chinesen haben angekündigt, auch einen Menschen wieder zum Mond schicken zu wollen. Daraufhin hat die NASA angekündigt, das werden wir auch wieder tun. Abgesehen von der Frage wissenschaftlichen Sinnes solchen Tuns ist das natürlich für den Laien immer das Spannendste, der berühmte Mann auf dem Mond. Ist es denkbar, dass auch Deutschland mal jemand zum Mond schickt?

Döllinger: Ich glaube das ist für die nächsten 20 Jahre aus den Diskussionen. Man muss es nüchtern betrachten. Eine bemannte Mission zum Mond ist ein Riesen Milliarden-Aufwand. Ob wir das wollen ist die große Frage. Ich denke auch der Nutzwert einer Mondbesetzung ist fraglich. Wir können mit unseren robotischen Technologien und der Basis, womit wir exzellent ausgerüstet sind, denke ich Vergleichbares erreichen. Diesen spektakulären Schritt eines Mannes auf dem Mond, das muss man sich auch leisten können. Ich denke das kann nicht unbedingt im deutschen prioritären Interesse sein.

Kassel: Hat eigentlich die jetzt geplante Mission mit der Mondsonde für 2012 schon einen Namen?

Döllinger: Sie heißt momentan noch intern "Leo", das heißt Luna-Orbiter. Aber das ist ich sage mal ein noch nicht gefestigter und noch nicht endgültig festgelegter Name.

Kassel: Ich bleibe gespannt, weil ich finde weltweit alle Raumforscher haben da immer sehr viel Fantasie, wenn es um die Namen geht.

Döllinger: Das ist wohl wahr.

Kassel: Walter Döllinger, Programmdirektor Raumfahrt beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, über die geplante deutsche Mondmission. Herr Döllinger ich danke Ihnen und wünsche Ihnen dann 2012 guten Flug.

Döllinger: Ich danke auch.
Mehr zum Thema