Deutsche Geschäfte mit China

Hoffnung auf Chancen trotz weniger Wachstum

Bundeskanzlerin Merkel und der chinesische Ministerpräsident Li in der Großen Halle des Volkes in Peking
Bundeskanzlerin Merkel und der chinesische Ministerpräsident Li in der Großen Halle des Volkes in Peking © picture alliance / dpa / Muneyoshi Someya
Von Markus Rimmele, ARD-Hörfunkstudio Shanghai · 29.10.2015
Die Kanzlerin ist in China und während des Besuches sind große Verträge unterzeichnet worden: über Flugzeuge, Finanzgeschäfte und Turbinen. Die deutsche Wirtschaft baut auf das Land - dabei ist die Wirtschaftslage dort schon lange nicht mehr so rosig.
China ist für deutsche Unternehmen nach wie vor ein zentraler Markt und ein Engagement kann sich noch immer lohnen. Doch ein Selbstläufer ist China schon lange nicht mehr. Das Wachstum nimmt immer weiter ab, die Konkurrenz nimmt zu, und Gesetze werden strenger. Das Land und der Markt verändern sich so rasant, dass laufend Anpassungen nötig sind.
"So, Firma Berger sitzt in Memmingen Hauptsitz. Das ist der größte Familienbetrieb der Welt für Drehteile. Wir machen jetzt hier nur ein kleines Spektrum. Das sind zum einen Nockenwellenversteller."
Kein Selbstläufer mehr
In der Startup Factory von Bernd Reitmeier gibt es sie noch, die Neuankömmlinge in China. Deutsche Mittelständler, die Fuß fassen wollen auf dem Milliardenmarkt. Reitmeier stellt den Firmen für die Anfangszeit Produktionsfläche zur Verfügung und übernimmt für sie die Geschäftsführung und den Betrieb. Die Startup Factory, eine Art Inkubator, liegt bei Shanghai, dem Zentrum der deutschen Wirtschaft in China. Ja, es lohne sich noch, nach China zu kommen, sagt Reitmeier – auch in Zeiten abnehmenden Wachstums. Man müsse nur begreifen, dass das Land kein Selbstläufer mehr sei.
"Man muss wirklich den Markt ganz realistisch einschätzen und dann auch entscheiden, wie groß man's skaliert, wie groß man sich hier engagiert. Und da bin ich halt immer ein Freund von: lieber schrittweise wachsen als großes Investment und dann schauen, dass man irgendwie die Kosten im Griff hat. Das funktioniert nämlich dann nicht mehr. Also wirklich realistisch: China ist kein Wahnsinnsmarkt, sondern interessant, und mit dem muss ich mitwachsen."
Der Ton hat sich verändert in der deutschen Wirtschaft. China – das ist nicht mehr das Wunderland, sondern ein Markt wie jeder andere mit Chancen und Gefahren.
Weniger Absatz, weniger Personal
Das chinesische Wachstum hat sich verlangsamt auf zuletzt 6,9 Prozent. In manchen Industriezweigen, etwa der Baubranche, stagniert das Geschäft oder nimmt sogar ab. Fast zwei Drittel der deutschen Firmen in China sagen, dass die aktuelle Wirtschaftslage in China ihr Geschäft negativ beeinflusst. Jedes zweite Unternehmen musste die Geschäftsziele in den vergangenen Monaten nach unten korrigieren. Das ergibt eine neue Umfrage der Deutschen Handelskammer in China. Volker Palm ist der Geschäftsführer von Wago in Tianjin, einem deutschen Unternehmen im Bereich Verbindungs- und Automatisierungstechnik.
"Der wirtschaftliche Abschwung hat eigentlich schon im letzten Quartal 2014 bei uns begonnen. Die Aufträge gingen zurück. Und das hat sich dann in der ersten Jahreshälfte 2015 immer so weiter fortgesetzt. Und Auftragsrückgang bedeutet für uns, dass wir anfangen, darüber nachzudenken Personal abzubauen."
Mehr Druck
Probleme machen den deutschen Firmen auch die immer strengere Regulierung, schnell steigende Lohnkosten und die Abschottung ganzer Wirtschaftsbereiche. Längst angekündigte Reformen lassen hier noch immer auf sich warten. Außerdem geraten die Deutschen immer mehr unter Druck durch die chinesische Konkurrenz. Bernd Reitmeier:
"In allen Branchen gibt's mittlerweile gute 100 Prozent chinesische Unternehmen. Zum Beispiel so eine Firma Maier aus Heidenheim für Drehdurchführungen. Da gibt's über hundert Wettbewerber. Die bieten teilweise Produkte an zu einem Drittel oder Fünftel unserer Preise. Der Wettbewerb ist schon extrem groß."
Neue Wachstumsfelder
Nicht alle Branchen spüren die Abschwächung gleichermaßen. Die für Deutschland wichtigen Bereiche Auto und Maschinenbau gehen durch schwierige Zeiten, ebenso die Chemieunternehmen. So hat BASF soeben magere Quartalszahlen vorgelegt. Einer der Hauptgründe: das schwache China-Geschäft. Neue Chancen ergeben sich hingegen durch Chinas Umbau hin zu einer modernen Wirtschaft, die auf Innovation und Konsum fußt. Neue Wachstumsfelder sind entstanden: Dienstleistung, Umwelttechnik, Gesundheitswirtschaft, Robotik.
Mehr als 5000 deutsche Firmen sind in China vertreten. Trotz der Probleme ist das Land für die Hälfte von ihnen einer der Top3-Märkte weltweit, so die Umfrage, und wird es wohl auch bleiben. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Handelskammer in Shanghai Titus von dem Bongart mit dem Ausblick:
"Also ich denke mal, in den nächsten zwei Jahren werden wir schon mit einer weiteren Abkühlung rechnen müssen. Aber ich denke nicht, dass wir mit einer hard landing rechnen müssen, sondern dass wir nach wie vor mit im globalen Vergleich guten Wachstumszahlen hier in China rechnen dürfen und bin nach wie vor gebremst zuversichtlich, dass China auf einem stabilen Wachstumskurs bleiben wird."
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