Deutsche Firmen in Entwicklungsländern

Menschenrechte als PR-Thema

Frauen und Männer arbeiten in der Textilfabrik "One Composite Mills" in Gazipur, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch.
"Nach Angaben des US-amerikanischen Workers Rights Consortium würde es drei Milliarden Dollar kosten, innerhalb von fünf Jahren angemessene Standards in Bangladeschs 4500 Fabriken einzuführen. " © picture alliance / dpa
Von Jens Rosbach · 13.09.2015
Vor zwei Jahren stürzte in Bangladesch das Fabrikgebäude Rana Plaza wegen Pfusch am Bau ein. Mehr als 1000 Menschen starben damals, zumeist arme Textilarbeiterinnen. Seitdem versucht die deutsche Industrie durch fragwürdige Initiativen ihr Image zu verbessern.
Ein alarmierender Fernsehbericht aus Kolumbien: "Wütende Menschen im kleinen Dorf Albania, ihre armseligen Hütten sollen von der Polizei angerissen werden, weil sie auf dem Gelände der Kohlefirma Serefron stehen. Im Norden Kolumbiens gibt es riesige Vorkommen an Steinkohle, die immer mehr auch nach Deutschland exportiert wird. Diesem Reichtum müssen diese Menschen weichen."
Vertreibungen, Todesschwadronen, Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung: typische Probleme und auch Verbrechen, wenn es um den Abbau von Kohle in Entwicklungsländern geht. Neuerdings setzen sich große Kraftwerksbetreiber, darunter Eon, RWE und Vattenfall, in der weltweiten Initiative "Bettercoal" für soziale und Menschenrechts-Standards bei der Rohstoffgewinnung ein. Eigentlich eine gute Idee, urteilt Armin Paasch vom katholischen Hilfswerk Misereor:
"Allerdings bei der Umsetzung scheint uns das etwas dürftig zu sein. Es werden Runde Tische veranstaltet, es werden Audits durchgeführt, also Besuche vor Ort. Allerdings verpflichtet die Initiative die Unternehmen vor Ort nicht dazu, auch die Berichte offen zu legen, zu zeigen, was sie herausgefunden haben. Und ob sich am Ende wirklich etwas tut, das ist letztlich Glaubensfrage. Und wir würden doch lieber auch selbst überprüfen können, was da vor Ort passiert."
Energiekonzerne, wie RWE, begründen die Geheimniskrämerei um die Kohleabbau-Untersuchungen wie folgt: Die Auditergebnisse "gehörten" der untersuchten Mine - deshalb dürfe Bettercoal die Bilanzen nicht veröffentlichen. Intern berücksichtigten die Energie-Konzerne aber die Untersuchungen. Misereor befürchtet hingegen, dass sich die Unternehmen mit ihrer Initiative lediglich ein soziales Mäntelchen umhängen.
"Es gibt eben diesen Versuch, dann dadurch ein positives Image zu kreieren, unserer Ansicht nach nicht ausreichend unterlegt mit Fakten, die man auch nachprüfen könnte."
"Also die Industrie hat sicherlich Angst, dass das Image geschwächt wird, dass das Image geschädigt wird. Leider ist die Angst nicht groß genug, wirklich substanziell was zu ändern."
Oberflächliche PR-Aktionen der Wirtschaft
Berlin-Friedrichshain: Ein schlichtes Büro in einem Plattenbau aus DDR-Zeiten. An den Wänden: Plakate gegen Hungerlöhne und Ausbeutung in Schwellen-Ländern. Auf den Tischen: kritische Publikationen über Discounter wie Aldi. Es ist das Hauptstadtbüro der Christlichen Initiative Romero – Gründungsmitglied der internationalen Kampagne für Saubere Kleidung. Aktivistin Sandra Dusch Silva spricht von oberflächlichen PR-Aktionen der Wirtschaft, von einem "Social Washing“. Die Katastrophe in Bangladesch habe dies gezeigt:

"Ein Jahr vor Rana Plaza haben wir Lidl, haben wir Aldi, haben wir KiK mit einer Studie aus Bangladesh konfrontiert und sie aufgefordert, die Missstände zu beseitigen. Rana Plaza musste erst nötig sein, um irgendwas Zusätzliches zu tun."
Der Verein Romero beobachtet, dass die Supermarktketten in deutschen Fernsehspots ein gutes Verhältnis etwa zu Plantagenarbeitern in Südamerika suggerieren. Eine eigene Untersuchung habe allerdings das Gegenteil gezeigt – speziell bei den Orangensaftherstellern: "Die Studie hat ergeben, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Plantagen kaum Lohn kriegen, dass sie in Unterkünften leben, die menschenunwürdig sind, dass es in den Fabriken häufiger zu Unfällen kam, dass die Arbeiter und Arbeiterinnen mit Pestiziden konfrontiert sind. Da gibt es überhaupt keine Initiative, das zu beseitigen.“
Das Hilfswerk Misereor hat – gemeinsam mit der Nichtregierungsorganisation Germanwatch – im vergangen Jahr eine Analyse der DAX-30-Unternehmen veröffentlicht. Die Studie untersucht, welche Firmen überhaupt eigene menschenrechtliche Grundsätze formuliert haben, gemäß den betreffenden Leitprinzipien der Vereinten Nationen. Ergebnis: Nur jedes zweite Unternehmen positioniert sich überhaupt zu Menschenrechtsfragen. Und wer sich positioniert, ist häufig inkonsequent. Denn viele Firmen nehmen ihre Zulieferer aus den Entwicklungsländern nicht in die Verantwortung.
"Es wurde zum Beispiel von einigen Unternehmen überhaupt nicht gefordert, dass es Gewerkschaftsfreiheit bei den Zulieferern geben sollte. Und das widerspricht ganz klar den internationalen Standards. Da kann man sich nicht darauf berufen: In diesem Land werden ja sowieso Menschenrechte verletzt, deshalb verlangen wir das erst gar nicht von unseren Zulieferern."
Kritik an Firmen, die in der Öffentlichkeit zwar mit Sozialstandards werben, sie aber nicht umsetzen, kommt auch aus der Wirtschaft selbst.
Unternehmen suchen auch ehrlichen Rat - einige
"Dieses Greenwashing-Phänomen oder Socialwashing-Phänomen möchte ich nicht bestreiten, es ist sehr misslich, weil es auf diese Art und Weise immer wieder zu Vertrauensverlusten beim Konsumenten kommt, und das verzerrt letztendlich den Markt.“
Johannes Merck ist beim Otto-Konzern Direktor für Soziale Unternehmensverantwortung. In seiner Abteilung kümmert sich rund ein Dutzend Mitarbeiter um Umweltschutz, Nachhaltigkeit und gerechte Löhne. Die Firmengruppe hat für einzelne Produkte Labels konzipiert, die bestimmte Sozialstandards garantieren. Wie "Cotton made in Africa" – ein Label, das einen umweltschonenden Baumwollanbau garantiert sowie eine Schulung der Baumwoll-Bauern.
"Die Nutzung nachhaltiger Rohstoffe, zum Beispiel von ‚Cotton made in Africa‘, belastet die Kalkulation eines Artikels ungefähr mit zwei Prozent. So dass wir hier bei dem großen Volumen, was wir mittlerweile einsetzen, einen beachtlichen zweistelligen Millionenbetrag aufbringen müssen, um alle unsere Produkte in dieser Qualität auch anzubieten."
Während einige NGOs, wie Germanwatch, der Otto Group echtes Engagement attestieren, üben andere Gruppen Kritik an dem Konzern. So klagt die Initiative Romero, die Masse der Versandhaus-Produkte werde weiterhin ohne Label verkauft. Zudem bemängelt sie, dass Otto bis vor kurzem das sogenannte Textilbündnis nicht unterstützen wollte. Das Bündnis war im vergangenen Herbst von Entwicklungshilfeminister Gerd Müller, CSU, initiiert worden und sollte Umwelt- und Sozialstandards in der gesamten Lieferkette sicherstellen.
Doch vielen Konzernen gingen die Forderungen zu weit, sie traten der Initiative nicht bei. Die Verweigerung führte dazu, dass nun einige Standards des Bündnisses gesenkt wurden. Achim Paasch von Misereor fordert jedoch ein kompromissloses Vorgehen:
"Wir denken, dass Minister Müller dann auch eine Gesetzesinitiative auf den Weg bringen sollte, womit deutsche Unternehmen auch verpflichtet werden zur gebotenen menschenrechtlichen Sorgfalt mit Blick auf ihre Zulieferer. Und wenn dort Verstöße stattfinden, dann muss es auch die Möglichkeit von Sanktionen geben."
Paasch erlebt immer wieder, dass Konzerne Kontakt zu seiner katholischen Hilfsorganisation suchen. Er zeigt sich dann aber reserviert – aus Angst, für PR-Aktionen der Wirtschaft instrumentalisiert zu werden. Allerdings berichtet der Experte, dass einige Unternehmen auch ehrlichen Rat suchten, da Menschenrechts-Standards für sie immer noch Neuland seien:
"Es gab Unternehmen, die dann auch offen zugegeben haben, dass sie auch noch Nachholbedarf haben, und durchaus auch geäußert haben, dass sie da auf Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen hoffen."
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