Deutsche Bank

"Die Doppelspitze ist überfordert gewesen"

Jürgen Fitschen (links) und Anshu Jain im Gespräch
Auf der Hauptversammlung im Mai 2015 hatten die Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen (l) und Anshu Jain, bereits einen Denkzettel verpasst bekommen. © picture alliance / dpa/ Boris Roessler
Wolfgang Gerke im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 08.06.2015
Die zurückgetretenen Deutsche Bank-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen hätten den versprochenen Kulturwandel nicht eingeleitet, findet Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanzzentrum. Außerdem gebe es immer noch "unakzeptable Zustände" beim Investmentbanking.
Liane von Billerbeck: Irgendwie scheint es Mode zu werden, sich erst bestätigen oder gar wiederwählen zu lassen und dann doch zurückzutreten. So war es bei Blatter und der FIFA, und so haben es jetzt die beiden Deutsche-Bank-Chefs auch gemacht. Nachdem sie die Aktionärsversammlung vor gut zwei Wochen mit, sagen wir, ziemlich blauen Flecken überstanden hatten, war gestern Schluss: Jürgen Fitschen und Anshu Jain sind Geschichte.
Offenbar war die Liste der Skandale, die mit der Deutschen Bank unter ihrer Führung in Verbindung gebracht wurden, schlicht zu lang. Und nun soll es ein Brite richten, John Cryan, immerhin einer, der, anders als Jain, gut Deutsch spricht als Deutsche-Bank-Vorstandschef.
Professor Wolfgang Gerke war lange Hochschullehrer und ist seit 2006 Präsident des Bayerischen Finanzzentrums und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Wolfgang Gerke: Schönen guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Ein Deutscher-Bank-Chef, Anshu Jain, der sein Amt auf Druck des Aufsichtsrates vorzeitig und sogar Ende Juni niederlegt. Der andere bleibt, Jürgen Fitschen, bis Mai 2016. Das ist doch für den jüngeren von beiden eine schallende Ohrfeige, oder?
Chaos bei der Deutschen Bank ist Jain anzulasten
Gerke: Ja, das ist es. Und da muss man auch dazu sagen, dass ist es nicht ganz zu Unrecht, denn er hatte die Chance, einerseits die Versprechungen einzulösen, zusammen mit Fitschen.
Und er hatte auf der anderen Seite die Last der Vergangenheit, die er abarbeiten musste, ja auch mit zu verantworten. Und insofern ist das Chaos, das im Moment bei der Deutschen Bank herrscht, sicherlich auch ihm mit anzulasten, die vielen Prozesse, die geführt werden, das war das Investmentbanking, also sein Department.
Und er hat auch es nicht geschafft, sich in Deutschland, in der deutschen Seele, bei den deutschen Kunden richtig zu integrieren.
von Billerbeck: Blicken wir noch mal zurück, Sie haben es ja schon erwähnt, was haben die beiden Chefs der Deutschen Bank seit 2012 geleistet oder verbockt?
Gerke: Was sie verbockt haben, ist das, was sie nicht geleistet haben, und das ist insbesondere der versprochene Kulturwandel. Der ist sicherlich von der Strategie her richtig angegangen worden, aber die Umsetzung hat nicht funktioniert. Da hat einen natürlich auch die Vergangenheit immer wieder eingeholt.
Dennoch, im Investmentbanking gibt es immer noch Zustände, die unakzeptabel sind, denn es gibt immer noch Skandale, die dann plötzlich wieder hochkommen, und da glaubt man den Kulturwandel in dieser Abteilung einfach noch nicht so richtig.
Und das war die Hauptaufgabe, die erfüllt werden musste neben der zweiten, ganz großen Aufgabe, wo man auch nicht erfolgreich gewesen ist, das heißt, im Konzert der ganz großen internationalen Banken auch von der Renditeseite her mitspielen zu können. Und da ist man ganz hinten, da ist man in einer Zone, in der jeder Aktionär sauer auf die Bank und auf die Führung sein wird.
von Billerbeck: Nun hatte man ja immer das Gefühl, dass bei den Dingen, die da schief gelaufen sind, mal jenseits vom Geld für die Aktionäre, sondern beim Kulturwandel, immer, wenn mal wieder eine Schweinerei aufgedeckt wurde, die mit der Deutschen Bank zu tun hat, dann haben die Betroffenen gesagt, sie hätten nur auf Anweisung von oben gehandelt, und die Chefs haben gesagt, sie hätten nichts gewusst.
Das ist ja irgendwie – da kann man ja nichts tun, aber es ist irgendwie kein gutes Zeichen für so eine Bank.
"Kein gutes Zeichen für so eine Bank"
Gerke: Nein, das ist kein gutes Zeichen für so eine Bank, und das zeigt auch, und das wurde ihr vorgeworfen, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit, die Mitarbeit mit den Behörden nicht funktioniert hat, und das hat es dann auch besonders teuer gemacht, indem die Strafen dann entsprechend hoch ausgefallen sind.
Ganz offensichtlich - das ist ein schwieriges Geschäft, muss man sagen - aber ist hier die Doppelspitze überfordert gewesen. Und ich muss auch dazu sagen, dass meine Skepsis, die von Anfang an gegenüber der Doppelspitze bestanden hat, sich jetzt bestätigt hat. Und es ist gut, dass man von dem Modell der Doppelspitze abgekommen ist. Einer soll die Verantwortung alleine tragen, soll dann auch Schuld und Erfolg alleine für sich beanspruchen können.
von Billerbeck: Dann wollen wir uns doch mal angucken, ob der Mann, der jetzt an der Spitze steht, denn tatsächlich die richtige Richtung für die Bank, für die Aktionäre, für die Mitarbeiter einschlägt. Das ist ein Brite, John Cryan, der kommt ja auch aus dem Bereich, für den Anshu Jain stand, nämlich dem Investmentbanking. Was kann der besser und anders machen, mal abgesehen davon, dass er Deutsch spricht?
Gerke: Das ist aber schon viel wert, dass er Deutsch spricht, auch bei der Deutschen Bank ist das heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr, und da ist es auch ganz wichtig, dass man die Mitarbeiter wieder mitnimmt, denn da herrscht auch Chaos zwischen den verschiedenen Richtungen in der Bank. John Cryan hat den großen Vorteil, dass er in die Skandale nicht verwickelt ist, also dort unbelastet ist, nicht in Prozessen aussagen muss. Das ist sein ganz großer Vorteil.
Einen gewissen Nachteil sehe ich, was Sie auch angesprochen haben, darin, dass man jetzt keine Richtungsänderung sieht, sondern im Prinzip wird ein Name ausgetauscht, aber die Strategie, die beschlossen wurde, die bleibt, und die ist auch noch nicht so ganz überzeugend: Postbank rein, Postbank raus, Privatkundengeschäft forcieren oder nicht. Da müssen wirklich harte Akzente gesetzt werden.
Und John Cryan hat die Chance. Er hat auch bei der UBS bewiesen, dass er ein guter Manager ist. Aber er hat auch den Nachteil, dass er ja letzten Endes auch jemand aus dem Aufsichtsrat ist und in den letzten Jahren auch keine gute Figur gemacht hat.
von Billerbeck: Also auch eine zwiespältige Einschätzung von Ihnen für den Neuen an der Spitze?
Gerke: Auf jeden Fall. Man darf ihn weder mit Vorschusslorbeeren jetzt überhäufen noch darf man ihm die Chance nehmen, sich zu bewähren. Die kriegt er auch – das ist eine schwierige Aufgabe, die auf ihn zukommt, aber es für uns alle eine Aufgabe, wo wir sagen müssen, hoffentlich hat er Erfolg. Denn jetzt zu sagen, ätsch, schaut mal auf die Deutsche Bank, das ist keine gute Politik, denn Deutschland braucht eine starke Bank, die auch die Exportnation auf dieser Finanzseite konkurrenzfähig macht.
Das ist im Moment leider nicht gegeben, das ist ein Riesennachteil gegenüber Amerika. Und das, was die amerikanischen US-Banken geschafft haben, muss die Deutsche Bank auch schaffen, sie muss eigenkapitalstark werden, renditestark werden und es muss Ruhe im Haus einkehren, das wird sehr schwierig sein.
von Billerbeck: Wolfgang Gerke war das, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, nach dem vorzeitigen Aus für Anshu Jain und Jürgen Fitschen an der Spitze der Deutschen Bank. Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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