Netzmusik

Mehr als die Summe seiner Teile

04.10.2014
Mit seinen Videotracks, die ausschließlich aus gefundenen Youtube-Videos zusammengesetzt sind, sorgte der israelische Musiker Kutiman vor fünf Jahren für reichlich Aufsehen.
Mit seinen Videotracks, die ausschließlich aus gefundenen Youtube-Videos zusammengesetzt sind, sorgte der israelische Musiker Kutiman vor fünf Jahren für reichlich Aufsehen. Jetzt hat er den Nachfolger "Thru You Too" mit sechs weiteren Mashup-Videos dieser Art veröffentlicht - und so nochmals Unzusammenhängendes in schiere Schönheit verwandelt.

Im Jahr 2009 war Kutiman, dessen bürgerlicher Name Ophier Kutiel ist, auf YouTube unterwegs, weil er nach Videos suchte, durch deren Hilfe und Anleitung er seine musikalischen Fähigkeiten zu verbessern hoffte. Was er bereits damals vorfand, war eine riesige Menge von Filmen, in denen alle möglichen Leute - Profis, Amateure, völlige Laien - vor der Kamera musizierten.

Irgendwann kam er auf die Idee, diese unterschiedlichen Videos so miteinander zu kombinieren, dass daraus etwas Neues und Eigenständiges entsteht. Nach mehrmonatiger Tüftelei erschienen schließlich sechs Titel unter dem Namen "Thru You" («Durch Euch»), die auch heute noch als eines der glänzendsten Beispiele für die Potenziale der Remix-Kultur gelten können.

Das Echo auf «Thru You» war enorm. Was dabei wahrscheinlich besonders beeindruckte: Dass die Stücke einerseits in ihren einzelnen Spuren den Ursprungssound der Originalvideos
erkennbar beibehielten, auf der anderen Seite aber im Zusammenspiel nicht nur einfach Musik, sondern großartige Musik herauskam.

In der Rückschau ist den damaligen Stücken auch deutlich die Lust am virtousen und überraschenden Zusammenfügen des disparaten, oftmals «unfertigen» Materials anzumerken. Dabei hatte sich Kutiman musikalisch stark an Vorbildern wie etwa dem Sample-Meister DJ Shadow orientiert: extrem mitreißende Beats mit sehr eingänglichen, loopfreudigen Melodien.

In der Neuausgabe "Thru You Too" geht er die Sache wesentlich lässiger an. Damit tappt er zum einen nicht in die Falle, sich selbst überbieten zu müssen, andererseits zeigt es vielleicht
auch, dass Remixen und Mashups mittlerweile nochmals selbstverständlicher geworden sind und weniger durch möglichst hohen Aufwand beeindrucken müssen.

Kutiman versteht sein Frickelspiel insbesondere als Huldigung an die Vielfalt und den Reichtum, der sich auf Plattformen wie Youtube wiederfinden lässt. So informiert er vor Veröffentlichung
nicht die Urheber und Urheberinnen der verwendeten Videos darüber, dass er diese für seine Sample-Kompositionen verwenden wird, sondern setzt darauf, dass sie die Verwendung im genannten Sinne verstehen. Bisher scheint das auch aufgegangen zu sein. Von ernsteren Beschwerden wegen möglicher Urheberrechtsverletzungen ist bisher zumindest nichts bekannt.
Text: Roland Graffé
Bild: Bokeh remix von Kevin Dooley, CC BY auf Flickr