Wie Fernsehen, nur erfolgloser - Joost loost ab im wachsenden Webfernsehmarkt

25.04.2009
Der Internet-Fernsehdienst Joost war einmal das nächste große Ding. Lange vor dem Markteintritt im Jahre 2007 wedelten Web 2.0-Connaiseure mit raren Betatester-Gutscheinen und draußen vor dem Beta-Portal tummelten sich die erwartungsvollen Massen: Das Vorhaben der Joost-Gründer war nicht weniger, als das Fernsehen zu revolutionieren.
Der Internet-Fernsehdienst Joost war einmal das nächste große Ding. Lange vor dem Markteintritt im Jahre 2007 wedelten Web 2.0-Connaiseure mit raren Betatester-Gutscheinen und draußen vor dem Beta-Portal tummelten sich die erwartungsvollen Massen: Das Vorhaben der Joost-Gründer war nicht weniger, als das Fernsehen zu revolutionieren. Das schlug ein, denn Joost-Gründer Niklas Zennström hatte mit seiner Kazaa-Software zum Tausch von MP3-Dateien schon die Musikindustrie auf den Rücken gelegt. Prompt hinterließ er deren Business wie ein Schlachtfeld, gründete die Internet-Telefonie-Firma Skype, die heute trotz Finanzschwierigkeiten auf Millionen von Rechnern installiert ist und zum Synonym für kostenlose Laptop-Ferngespräche geworden ist.
Alle drei Programme bauen auf eine clevere Kulturtechnik auf, den Peer-to-Peer-Vertrieb von Informationen, kurz P2P. Wer bei Kazaa Musik herunterlud, wer bei Skype telefoniert, wer mit Joost fernsah, bezieht seine Daten nicht direkt von einem Anbieterserver - vielmehr gehen diese einen Umweg über die Leitungen anderer Benutzer, die schwere Datenlast wird also ins Internet ausgelagert. Doch nicht nur zuletzt P2P, auch das innovative Benuterkonzept verhalf Joost zu enormen Vorschusslorbeeren.
Doch als Joost vor einem Jahr nicht nur den jubelnden Trendfüchsen des Web 2.0, sondern endlich der breiteren Fernsehkonsumentenmasse zugänglich war, wurde es schon wieder still um das Projekt der P2P-Businessmen. Vielleicht hatte der Wirt die Rechnung ohne die Getränke gemacht. Neben Dauerschleifen von Musikvideos und B-Movies liefen auf den Joost-Kanälen kaum relevante Inhalte, jedenfalls wenige, die man im traditionellen Fernsehen nicht schon gesehen hatte - oder überhaupt sehen wollte. Und der boomende User-generated Content fand seinen Platz auf Youtube und Co. Und die von einer riesigen Community entwickelte Open-Source-Internetfernsehsoftware Miro konnte alle Inhaltsmassen viel offener und flexibler bündeln als Joost.
Dass der Plan vom Umsturz des Fernsehens so nicht funktioniert, musste Joost schon letzen Winter erkannt haben, als es etwas kleinlaut seine P2P Urprinzipien und die Darstellungs-Software opferte, zugunsten einer Website mit Flash-Filmchen, womit sich Joost plötzlich im Wettbewerb mit ganz anderen Konkurrenten umstieg. Die Woche hat dann der Konzern Sony bestätigt, dass er seine Inhaltslieferungs-Verträge mit Joost nicht weiter verlängern wird. Ein mittleres Desaster, denn immer mehr populäre Inhalte sammeln sich auf dem neuen Stern des US-amerikanischen Internetfernsehfirnaments, auf Hulu - denen Sony nach momentaner Marktlage wohl kaum einen Vertrag abkündigen würde. Andererseits hat Joost gerade nach Deutschland expandiert und Verträge abgeschlossen mit neuen B-Movie-Firmen und Fernsehproduzenten, von denen jedoch allenfalls "Süddeutsche Zeitung TV" und "Welt der Wunder" herausstechen.
Klar ist jedenfalls, dass immer mehr professionelle Inhalte vom Fernsehen ins Internet wandern - das Portal Sevenload verfügt beispielsweise über 3000 Musikvideos des Universal-Konzerns, wird von Branchenkennern als potensteste deutsche Web-Serien-Plattform gepriesen und expandiert in alle Welt. Andere deutsche Portale wie Vimeo und Hobnox möchten vor allem mit Qualität punkten, US-Branchenprimus Youtube will mit bezahlten Qualitätsangeboten -zum Beispiel von Sony- künftig Geld verdienen und der Softwareexperte Adobe kündigte an, seinen (fast allen Video-Webseiten zugrundeliegenden) Flash-Player per Industriestandard verstärkt auf Fernsehgeräte zu portieren.
Sogar P2P-Fernsehen, wie einst bei Joost, ist nicht tot. Seit einem Jahr feiert eine andere Software mit zwei O's große Erfolge: das Schweizer Unternehmen Zattoo. Die Schweizer kompilieren keine eigenen Inhalte sondern verbreiten traditionelles Fernsehen ins Internet - legal. Fast alle ARD-Programme, aber auch internationale Sender wie CNN sind dort kostenlos zu empfangen. WebTV geht also. Und die Krise von Joost ist ein Beweis dafür, dass tolle Technik ohne ebensolche Inhalte keinen Wert hat. Auf die guten Web-TV-Inhalte freuen wir uns umsomehr, egal ob bei Hulu, Joost, Zattoo oder anderswo.
Foto: Netzkobold @ flickr // CC-Lizenz