Der Vater der Genetik

Von Irene Meichsner · 06.01.2009
Er hatte sich ein gewaltiges Pensum vorgenommen. Johann Gregor Mendel kultivierte Tausende von Erbsenpflanzen, um daraus die nach ihm benannten "Mendelschen Regeln" der Vererbung abzuleiten. Mendels statistische Herangehensweise war revolutionär. Heute spricht man ganz selbstverständlich von der Mendelschen Uniformitätsregel, der Spaltungsregel und der sogenannten Unabhängigkeits- oder Neukombinationsregel.
Johann Gregor Mendel prägte zentrale Begriffe der Genetik, die heute noch gültig sind. Dabei wusste er noch gar nichts von Genen oder Chromosomen. Doch mit sicherem Blick und scharfem Verstand erkannte er bei seinen Experimenten mit Erbsenpflanzen im Augustinerkloster von Altbrünn, dass es stabile Elemente geben musste, in denen die typischen Merkmale einer Pflanze verankert waren. Mendel formulierte die nach ihm benannten "Mendelschen Regeln" der Vererbung - auch wenn er selber das Wort "Vererbung" noch gar nicht benutzte. In seinem Aufsatz "Versuch über Pflanzen-Hybriden" sprach er 1866 nur ganz allgemein von einer "Entwicklungs-Geschichte der organischen Formen".

"Künstliche Befruchtungen, welche an Zierpflanzen vorgenommen wurden, um neue Farben-Varianten zu erzielen, waren die Veranlassung zu den Versuchen, die hier besprochen werden sollen. Die Regelmäßigkeit, mit welcher dieselben Formen immer wiederkehrten, gab die Anregung zu weiteren Experimenten, deren Aufgabe es war, die Entwicklung der Hybriden in ihren Nachkommen zu verfolgen."

Johann Mendel wurde am 22. Juli 1822 in Heinzendorf im damals österreichischen Teil von Schlesien als Sohn eines Kleinbauern geboren. Er besuchte das Gymnasium und konnte am Philosophischen Institut in Olmütz studieren. 1843 trat er in das Brünner Augustinerkloster ein, nahm den Vornamen "Gregor" an und wurde vier Jahre später zum Priester geweiht. Nach einer gescheiterten Lehramtsprüfung absolvierte er noch ein Studium in Wien. Danach begann Mendel mit seinen Kreuzungsversuchen im Klostergarten.

"Aus mehreren Samenhandlungen wurden 34 Erbsensorten bezogen und einer zweijährigen Probe unterworfen. Sie zeigten Unterschiede in der Länge und Färbung des Stengels, in der Größe und Gestalt der Blätter, in der Stellung, Farbe und Größe der Blüthen, in der Gestalt und Größe der Samen."

Rund 10.000 Erbsenpflanzen hat Gregor Mendel aus den Mutterpflanzen groß gezogen, um die Ergebnisse statistisch auszuwerten. Akribisch verfolgte er über acht Jahre hinweg, wie typische Merkmale von den Eltern an die Nachfolgegenerationen weitergegeben wurden. Dass sein pingeliger Eifer für manchen Klosterbruder wohl gewöhnungsbedürftig war, illustriert ein Hörspiel aus den 50er Jahren.

O-TON Hörspiel: "Bruder Gregor? Du bist schon wieder im Garten!

"G.M.: Ja, ich habe es herausgefunden! Diese beiden Erbsenpflanzen - schau her, die eine trägt gelben, die andere grünen Samen. Ich habe sie gekreuzt! Alle Nachkommen, Bruder Markus, sind gelbsamig. Aber wenn ich diese beiden Erbsenkinder wieder miteinander kreuze, dann taucht plötzlich die grüne Farbe von neuem auf. Gelbe und grüne Enkel! Man kann sie abzählen. Die Aufspaltung erfolgt immer nach demselben Schlüssel." "

Die Experimente warfen Fragen auf. Warum wurden die Kinder einer "gelbsamigen" und einer "grünsamigen" Erbsenpflanze zum Beispiel allesamt gelb?

"Ich denke es mir so: Wenn die Eigenschaft des einen Elternteils stärker ist als die des anderen, dann drängt sie sie in der ersten Generation zurück. Die Gelbsamkeit ist eine solche starke Eigenschaft, ein dominierendes Merkmal. Die Grünsamkeit wird überdeckt: Sie ist rezessiv."

Schon in der zweiten Generation tauchten die "rezessiven" Merkmale wieder auf. Mendel zählte nach: Von 7324 Samen, die er aus 253 Pflanzenhybriden gewonnen hatte, waren nur noch drei Viertel gelb, die restlichen grün. Mendel erkannte:

"Die beiden Anlagen sind nicht fest verschmolzen, sie haben sich nur zeitweise zusammengelegt. Aber sie bestehen jeder für sich weiter."

Mendel hatte Recht: Was er "Anlage" nannte, bezeichnet man heute als "Gen".

Doch: der Augustinermönch war seiner Zeit zu weit voraus. Bei den führenden Botanikern stieß er auf taube Ohren.

1868 wurde Mendel zum Abt gewählt. Ein Steuerstreit mit dem Staat zerrüttete seine Gesundheit. Gregor Mendel starb am 6. Januar 1884 in Brünn an einem Nierenleiden. Erst 16 Jahre nach seinem Tod wurden die "Mendelschen" Vererbungsregeln von einem deutschen, einem österreichischen und einem niederländischen Botaniker - unabhängig voneinander - wiederentdeckt.