Philipp Peyman Engel über Antisemitismus

"Anfeindungen sind nur die Spitze des Eisbergs"

Der Journalist Philipp Engel zu Gast in Studio 9 bei Deutschlandfunk Kultur
Der Journalist Philipp Engel zu Gast in Studio 9 bei Deutschlandfunk Kultur © Deutschlandradio – Laura Lucas
Philipp Peyman Engel im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 19.01.2018
1979 flüchtete seine jüdische Mutter aus dem Iran nach Deutschland. Inzwischen gebe es auch hier für Juden keine Sicherheit mehr, sagt der Publizist Philipp Peyman Engel. Er begrüßt deshalb die Einführung eines Antisemitismus-Beauftragten.
Seine Mutter kommt aus dem Iran, sein Vater ist, wie er sagt, "Biodeutscher". Sich selbst bezeichnet Philipp Peyman Engel als "persischstämmigen Juden". Als seine Familie 1979 nach Deutschland geflüchtete, sei Deutschland für sie so etwas wie das "Gelobte Land" gewesen. "Die Deutschen haben aus dem Holocaust gelernt. Dort sind wir sicher", habe sein Onkel damals gesagt.

Sorgen um die Sicherheit der Juden

Inzwischen macht sich Peyman Engel, der das Feuilleton der Wochenzeitschrift "Jüdische Allgemeine" leitet, ernsthafte Sorgen um die Sicherheit der Juden in Deutschland. Etwas Fundamentales habe sich geändert. Immer häufiger würden Juden in Deutschland mit Antisemitismus konfrontiert. Die antisemitischen Proteste in Berlin nach der Jerusalem-Entscheidung von Trump erinnern Peyman Engel an die Zeit im Iran 1979. Die Einführung eines Antisemitismus-Beauftragten, wie sie nun vom deutschen Bundestag beschlossen wurde, begrüßt er.
"Das ist eine sinnvolle Idee. Ich glaube, das ist richtig, wichtig und auch notwendig gewesen. Das haben uns die antisemitischen Anfeindungen und Ausschreitungen nicht zuletzt im Dezember gezeigt. Die haben aber auch nur die Spitze des Eisbergs gezeigt."
In der Vergangenheit sei die Antisemitismusbekämpfung zwischen den einzelnen Ressorts verloren gegangen beziehungsweise sei zu kurz gekommen, sagt Engel Peyman. Von dem Antisemitismus-Beauftragten erhofft er sich eine Bestandsaufnahme des jüdischen Lebens in Deutschlands und wirksame Maßnahmen und Projekte.

Bundestag führt Antisemitismus-Beauftragten ein

Die Entscheidung einen Antisemitismus-Beauftragten einzuführen, war am 18. Januar einstimmig vom Bundestag beschlossen worden. Nur die Linken-Fraktion enthielt sich. Auch die AfD stimmte dem Beschluss zu. Alice Weidel von der AfD begründete dies so:
"Seit dem Jahr 2006 sind insgesamt 40.000 Juden aus Frankreich allein nach Israel ausgewandert. Sie sind geflohen vor Terror und den tagtäglichen Übergriffen und Bedrohungen. Das sind Flüchtlinge über die niemand spricht, weil sie vor Muslimen flüchten."

AfD sei absolut unglaubwürdig

Dass ausgerechnet die AfD sich für die Belange von Juden stark macht, hält Philipp Peyman Engel jedoch für absolut unglaubwürdig.
"Ich nehme das der AfD überhaupt nicht ab. Natürlich ist das richtig, wenn Alice Weidel sagt, dass das Thema muslimischer Antisemitismus in Frankreich aber auch in Deutschland ein großes Problem darstellt. Aber diese Aussage, gerade aus dem Mund einer AfD-Politikerin zu hören, ist wirklich ein Zynismus und an Heuchlerischkeit nicht zu überbieten."
(mw)

Philipp Peyman Engel leitet das Feuilleton der Wochenzeitschrift "Jüdische Allgemeine".

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