Der Sound, der aus der Kälte kam

Von Tobi Müller · 07.09.2010
Popmusik heißt heute automatisch: Computermusik. Die meisten Songs werden mit dem Rechner aufgenommen, arrangiert, abgemischt und am Ende sogar aufgeführt. Nur wenige Profis hören die Nullen und Einsen der digitalen Produktion noch purzeln. Für den Hörer ändert sich derweil wenig. Oder haben Sie vor gut zehn Jahren bemerkt, dass dieser Welthit der erste seiner Art war?
Ricky Martins "Livin' La Vida Loca" lief nicht mehr durch ein professionelles Mischpult, das hunderttausende von Dollars gekostet hätte. Eine Handvoll reichte: für das Computerprogramm "Pro Tools". Die Stimme, das Schlagzeug, die Bläser – alles lief durch einen Rechner. Und klang deswegen kein bisschen elektronisch. Es war ein warmer Sound, der aus der Kälte kam.

Heute sind die Rechner kleiner, schneller. Und die Programme ersetzen ganze Studiokomplexe, die früher nur die Stars mieten konnten. "Ableton Live" heißt das vielleicht berühmteste dieser neuen Zauberdinge. Die Software hilft bei jedem Schritt, von der Komposition bis zum Konzert. Man schiebt hier einen Gesangspart an die richtige Stelle, begradigt da eine schiefe Note und pumpt dort einen dünnen Bass mit einem fetten Synthesizer auf. Für die Bühne braucht es dann nur den Laptop – und die Lust am Bauklötze verschieben (so sieht das am Bildschirm nämlich etwa aus).

Die Firma Ableton wurde in Berlin exakt zu jenem Zeitpunkt gegründet, als Ricky Martins Hit um die Welt ging. Heute entsteht kaum noch ein Song ohne das Programm. Es ist ein digitales Werkzeug, wie es sich Joseph Beuys wohl wünschte, als er sagte: Jeder ist ein Künstler.

Interview mit Robert Henke, einem der Entwickler von Ableton Live