Der schwierige innere Aufbau

    Von Moritz Behrend · 24.03.2007
    Allen Unkenrufen zum Trotz ist Europa eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Aber die innere Entwicklung Europas ist mehr denn je ein Problem. Die Eigeninteressen der Mitgliedsstaaten haben viel Gewicht. Das Parlament in Straßburg müsste das Herzstück Europas sein – stattdessen steht die Brüsseler Bürokratie im Zentrum.
    Juni 1979. In den neun Mitgliedsstaaten der EG gingen 63 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne. Zum ersten Mal fand eine Direktwahl des Europäischen Parlaments statt. Der SPD-Vorsitzende Willy Brandt bedauerte, dass nicht mehr Wähler ihr Kreuzchen abgegeben hatten, zeigte aber auch Verständnis dafür:

    "Der Roman fängt an mit der Entscheidung darüber, Wahlen anzusetzen und zugleich zu sagen, das Parlament werde aber nicht mehr Befugnisse bekommen. Wenn ich einfacher Wähler gewesen wäre, hätte mir das auch zu denken gegeben."

    Ein Parlament mit beschränkten Rechten und mäßig interessierte Bürger. Dazu eine immer undurchsichtiger erscheinende Bürokratie in Brüssel. Der Mangel an Demokratie und Bürgernähe war schon 1979 im Europa der Neun offenkundig.

    Ein europäisches Parlament gab es schon lange: Bereits die Römischen Verträge, mit denen 1957 die EWG gegründet wurde, forderten eine Direktwahl des Europäischen Parlaments. Doch der mächtige Ministerrat blockierte die Umsetzung, sodass die Europaparlamentarier bis 1979 von ihren nationalen Parlamenten delegiert wurden. Die Direktwahl durch die Bürger stärkte dann das Selbstbewusstsein der Parlamentarier - und ihren Anspruch, die europäische Regierung zu kontrollieren.

    Die Regierung der Gemeinschaft – das ist die Europäische Kommission. 1979 wagten es die Parlamentarier erstmals, den Haushaltsentwurf der Kommission abzulehnen.

    Während das Parlament also mühsam um mehr Mitbestimmung kämpfte, wuchs in Brüssel mit jeder EG-Erweiterung die Verwaltung. Zehntausende Beamte arbeiten immer mehr Gesetze und Richtlinien für die Kommission und den Rat aus. Darunter absurde Vorgaben:

    So soll das flache Bundesland Mecklenburg ein Seilbahngesetz erlassen. Dem Vize-Präsidenten der EU-Kommission Günter Verheugen geht die Brüsseler Regelungswut inzwischen viel zu weit:

    "Im Wege steht eine hier fest verankerte, traditionelle Auffassung, dass die Rolle der Kommission ist, ständig neue Gesetze und Regeln zu produzieren. Das ist fest verwurzelt hier und dahinter steckt eine politische Überzeugung: nämlich dass man Europa bauen kann durch Regeln und dass man umso mehr Europa hat, umso mehr Regeln man hat."

    Bürokratieabbau in Brüssel: Das würde helfen.

    Und: Dem Europaparlament in Straßburg fehlen immer noch entscheidende Kompetenzen. Das Parlament wird bei Gesetzgebungsverfahren zwar immer mehr konsultiert, es darf seit den Verträgen von Maastricht und Amsterdam in den 90er Jahren auch immer häufiger mitentscheiden - doch das Recht, selbst Gesetze auf den Weg zu bringen, hat es immer noch nicht.

    Eine parlamentarische Demokratie unter dem Sternenbanner: Das ist 50 Jahre nach Gründung der EWG immer noch ein unerfüllter europäischer Traum.