"Der Reichsbürger" am Theater Münster

Rechtsextreme Hippies

Wilhelm Schlotterer in einem Szenenfoto von "Der Reichsbürger" am Theater Münster in der Regie von Julia Prechsl
Wilhelm Schlotterer in einem Szenenfoto von "Der Reichsbürger" am Theater Münster in der Regie von Julia Prechsl © Oliver Berg
Konstantin und Annalena Küspert im Gespräch mit Janis El-Bira · 10.02.2018
Sie nennen sich "Reichsbürger" und lehnen die Bundesrepublik ab. Das Stück „Der Reichsbürger“ am Theater Münster widmet sich unter anderem der Verbindung rechter Positionen und linker Lebensweise, sagen die Autoren Annalena und Konstantin Küspert.
Sie glauben, dass Deutschland eine GmbH sei, treiben Behörden in den Wahnsinn, wählen aus ihren Reihen schon mal einen "Reichskanzler" und tragen dabei Uniformen, die aussehen wie aus dem Operettenfundus: Bis zu 15.000 so genannte "Reichsbürger" sollen laut Bundesverfassungsschutz in Deutschland aktiv sein. Am Theater Münster kommt nun mit "Der Reichsbürger" von Konstantin und Annalena Küspert ein neues Stück über die bedenklich wachsende Bewegung auf die Bühne. Im Gespräch mit Deutschlandfund Kultur erklärt Konstantin Küspert, dass die "Reichsbürger" in seinen Augen längst nicht mehr als reines Satirematerial taugen:
"Das ist ja keine homogene Gruppe, diese ‚Reichsbürger‘. Das ist eigentlich ein generalisierter Begriff, der ganz viele verschiedene Formen von im weiteren Sinne Selbstverwaltern umschließt. Da sind welche dabei (…) wie zum Beispiel der ‚Reichskanzler‘ Schittke, der diese Operettenuniform trägt. Dann gibt’s Leute, die glauben, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existiert (…). Und dann gibt’s Leute, die eigentlich nur keine Steuern zahlen und auf Polizisten schießen wollen."

Widersprüchliche Positionen

Co-Autorin Annalena Küspert fand bei den Recherchen vor allem interessant, wie widersprüchlich die Positionen der gemeinhin dem rechtsextremen Spektrum zugeordneten "Reichsbürger" mitunter seien:
"Dass zum Beispiel gesagt wird, dass bestimmte Gesetze nicht zu beachten sind, weil es noch Gesetze aus der Nazizeit sind. Und was wir auch ziemlich erstaunlich fanden ist, dass es auch eine große Nähe immer wieder zu linkspolitischen Tendenzen gibt. Auch in diesem Bestreben, souverän zu sein: Der Trend zur Selbstversorgung, dass man dann aufs Land zieht und unabhängig ist, sich den eigenen Brunnen baut – wo man jetzt spontan auch an Hippies denken würde, die sowas machen."

Rückfall ins Zeitalter der Voraufklärung

In ihrem Bühnenstück, das am Theater Münster zur Uraufführung kommen wird und einen langen Monolog des titelgebenden "Reichsbürgers" unter anderem mit Texten des Dramatikers und Revolutionärs Georg Büchner verschneidet, wollen Konstantin und Annalena Küspert vor allem der Frage nachgehen: "Wo ist eigentlich der ‚Reichsbürger‘ in uns? Wo ist die Verführbarkeit? (…) Wie weit sind wir noch davon entfernt, dass wir eine zehn Zentimeter breite gelbe Linie um unser Grundstück ziehen?"
Für Konstantin Küspert signalisiert das Extremphänomen der "Reichsbürger" indes bereits den Rückfall in das Zeitalter der Voraufklärung:
"Es ist sehr weit verbreitet, dass man den Staat als Gegner annimmt. Dass man versucht, zu bescheißen wo’s geht (…), aber vergisst, dass der Staat ja keine böse Körperschaft (oder ein) hydrahafter Verschlinger von Geld ist, der eben dasteht und das Geld weiß der Teufel wohin umleitet, sondern der Staat sind wir alle. Diese Vorstellung – Gemeinwohl, Gesellschaftsvertrag – das müssen wir wieder stärker in unseren Fokus setzen."
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