Der Realismus des Andrej Platonow

Ad Absurdum

54:41 Minuten
Der russische Schriftsteller Andrej Platonow in einer zeitgenössischen Aufnahme.
Der russische Schriftsteller Andrej Platonow in einer zeitgenössischen Aufnahme. © picture alliance /dpa / Novosti
Von Mario Bandi  · 01.01.2021
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„Der erste Surrealist der Literatur“ war er für Josef Brodski. Stalin nannte ihn Abschaum, Gorki ein ungehobeltes Talent. Dabei wollte Andrej Platonow nichts als ein ehrlicher Kommunist sein, der die Wirklichkeit beschreibt. Heute gelten seine Werke vielen Russen als Metaphern der Absurdität des sowjetischen Alltags und der Putinschen Geschichtsrevision.
Platonow, geboren 1899 in der russischen Provinz, Ingenieur von Beruf, starb im Januar 1951. Zwei Jahrzehnte nach seinem Tod erschien sein erster Roman - in Paris. In der Sowjetunion dauerte es bis zur Perestroika. Es sind nicht nur die Sujets, die verstören: Die treuherzig-grausamen Kommunisten des Örtchens Tschewengur, die die Ankunft des Kommunismus ausrufen und jeden bestrafen, der arbeiten will oder die Gottesmutter anbetet. Denn die Arbeit mache ab sofort die Sonne, und Rosa Luxemburg sei die neue Madonna. Oder die riesige Baugrube für die Großprojekte des Sozialismus im Zentrum Moskaus. Sie wird zum Grab für diejenigen, die sie ausschachten. Platonow misst die Theorie an der Realität - und findet Dystopien.
Auch seine Sprache irritiert: Er benutzt die Floskeln kommunistischer Propaganda und führt sie damit ad absurdum: Da wird der Geburtstag eines Protagonisten zum 30. Jahrestag seines Lebens, und ein Sündenbock zur objektiven Bedingung. Sowjetisch geprägte Leser vermögen Platonow zu deuten - für Übersetzer ist er eine Herausforderung.
Der Autor hat in Moskau neue Kapitel aus Platonows literarischem Schaffen aufgetan und Übersetzer aus Schweden, Spanien, Japan, Deutschland und Korea getroffen.

Ad Absurdum
Der Realismus des Andrej Platonow
Von Mario Bandi

Regie: der Autor
Es sprachen: Stefko Hanushevsky, Jochen Langner, Axel Gottschick,
Marietta Bürger, J. Carlos Lobo, Edda Fischer
Ton und Technik: Oliver Dannert und Michael Morawitz
Redaktion: Ulrike Bajohr
Produktion: Deutschlandfunk/WDR 2020