Der nette Nazi von nebenan

Von Thilo Schmidt · 07.11.2006
Vorpommern gilt als Modellregion für eine neue Strategie der Neonazis - mit Erfolg, wie die Landtagswahl in Mecklenburg gezeigt hat: In Ueckermünde holte die NPD 16,1 Prozent der Stimmen, in einigen Wahllokalen über 30 Prozent. Die neue Rechte gibt sich bürgernah, Scheitel statt Glatze und kariertes Hemd statt Bomberjacke. Der Rechtsextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Fast jeder, bis in die Spitzen der Verwaltung, kennt jemanden, der in rechten Strukturen verankert ist. In Ueckermünde gehen täglich Neonazis in einer Kneipe am historischen Marktplatz ein und aus und im Tierpark wurden zwei junge Wölfe auf die Namen Thor und Wotan getauft - nachdem in der Lokalzeitung über Namensvorschläge abgestimmt wurde.

"So, ihr seid also Wotan und Thor…"

Der Tierpark von Ueckermünde. Von den drei jungen Wölfen tragen zwei die Namen Wotan und Thor. Sie haben, so wird berichtet, in ihrem Leben noch nie geheult.

"Da muss man auch die Frage stellen, wenn jemand seinen Sohn Adolf nennt, ob das wirklich ein Rechtsextremist ist."

… sagt die Bürgermeisterin Heidi Michaelis. Den kleinen Wölfen hat auch niemand unterstellt, rechtsextrem zu sein. Aber wer nennt seinen Sohn heute noch Adolf? Dann ist es der Bürgermeisterin doch ein wenig unangenehm.

"Ich denke, hier ist man einfach nach dem Gefühl gegangen und nach dem Klang des Namens. Ist natürlich traurig. Aber vielleicht fragen Sie das Herrn Dr. Zapka mal…"

Tierparkdirektor Zapka findet die Taufen nicht anstößig. Schließlich wurde ja in der Lokalzeitung demokratisch über die Namen abgestimmt.

"Also wir haben damals bei den Wölfen aufgerufen, Namensvorschläge zu machen."
"Und was ist dabei rausgekommen?"
"Ja, da sind zwei Namen herausgekommen, der eine ist Thor und der andere ist Wotan…"

…und Tierparkdirektor Zapka fühlt sich missverstanden, schließlich hat der dritte Wolf seines Tierparks – als Zeichen der Verbundenheit zum nahen Nachbarland – einen polnischen Namen. Fakt ist aber, dass sich die Nationale Bewegung hier ein Denkmal geschaffen hat. Ist denn hier niemandem aufgefallen, dass sich die Neonazi-Szene diese Symbole längst angeeignet hat?

"Wissen Sie, in der Menschheitsgeschichte gibt es fast nichts, was nicht irgendwie auch missbraucht worden ist. Das muss ich mal so sagen. Wir hätten sicherlich irgendwelche völlig obszönen Dinge nicht genommen, aber bei Thor und Wotan muss ich mal so sagen, fanden wir eigentlich nichts dran, da müssten wir ja auch gegen andere deutsche Namen etwas haben, ich weiß nicht… manch einer heißt Thorsten. Das ist auch althochdeutsch, ne, und kommt von Thor. Ich sehe überhaupt keine Veranlassung, das zu verändern."

Das vorpommersche Ueckermünde ist ein schmuckes kleines Städtchen, mit historischem Marktplatz und Badestrand am Stettiner Haff. Nur gibt es da etwas, das die Idylle trübt. Trübt? Seit Jahren gibt es eine starke rechtsextreme Bewegung, die Kameradschaften Aryan Warriors und National-Germanische Bruderschaft sind hier zuhause. Und gut verankert. Bislang allerdings ohne nennenswerten Einfluss auf das Wahlergebnis, denn Kameradschaften treten nicht zu Wahlen an. Diesmal allerdings doch: Unter dem Mäntelchen der NPD.
17. September 2006.

Wahlabend im Radio: "Es ist mehr oder minder auf die Sekunde 18 Uhr, Jörg Sucker mit Infratest dimap. - Ja, nach der Prognose von Infratest dimap kommt…"

Michaelis: "Ja, was hab ich da gedacht… es ist schlimmer gekommen, als ich im Vorfeld angenommen hatte. Mir war klar, dass die NPD in Ueckermünde sich ein ziemlich sicheres Standbein sich geschaffen hat, aber ich hatte darauf gehofft, dass viel mehr Ueckermünder zur Wahl gehen und damit das Ergebnis ein anderes geworden wäre."

Radio: "Ebenfalls im Landtag vertreten die NPD mit 6,5 Prozent, sie erreicht zum ersten Mal den Einzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern…"

Am Ende des Wahlabends steht fest: Die NPD zieht mit 7,3 Prozent in den Landtag ein. Das ist schlimm, aber es geht noch schlimmer: In Ueckermünde kommen die Neonazis auf 18,2 Prozent der Stimmen.
Irgendwas stimmt nicht in Ueckermünde.

"…ist vielleicht noch ein bisschen milde ausgedrückt…"

…sagt Alexander Erinski, SPD-Stadtrat und gegen Rechts aktiv.

"Also deutlich sag ich: Wenn ich mal so Stadtratssitzungen verfolge, so vor vier Jahren, fünf Jahren: ‚Ach, das sitzen wir aus’, so einige, ‚ach, das sind son paar Jungs, wir waren doch früher auch mal jung, haben n paar Streiche gemacht, nun lass die doch mal, solln sich doch mal treffen, so schlimm ist das doch gar nicht’, haa, wollte nie jemand so richtig hören, und das waren so ganz klare Zeichen. Und da muss ich sagen: Ganz deutlich verschlafen. Ganz deutlich die Augen nicht aufgemacht und die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Guck selbst, wie es jetzt aussieht, ne?"

Nichts zu sehen. Keine Glatzen mit Bomberjacke, Bierdose und Springerstiefeln. Die Neonazis scheinen sich verändert zu haben.
Alexander Erinski ist zum Dinner bei Freunden eingeladen. Freunde, die sich noch an der Hegemonie der Rechten stören. Und das ist nicht die Regel in Ueckermünde.

"Alle haben’s vermutet, aber…
…die Höhe in Ückermünde mit 18,2 Prozent…
dass et so heftig kommt."
Erinski: "Du musst dir mal die Balkengrafik einfach angucken, wenn du so 25 Prozent guckst, und 27 Prozent, und 21 Prozent … Wo liegt 18?"

Familienvater Erinski ist Ausbilder für Autofachwerker in einem Ueckermünder Bildungszentrum. Dabei ist er immer auch Sozialarbeiter. So einige seiner Azubis sind in rechten Strukturen verankert. Nicht nur das ist Anlass zum Engagement.

"Die stetige Präsentation von rechtem Gedankengut hat sich so in der Bevölkerung verinnerlicht, dass man das so als Extremismus gar nicht mehr wahrnimmt. Also es ist sehr schleichend und durchdringend. Ohne dass jemand noch mal stark aufschreit, so wie Nebel, der so übers Land zieht, hat sich das einfach gesetzt. Und jeder nimmt das so gefahrlos hin. Oder nicht jeder, aber sehr, sehr viele, die dann damit umgehen, Und sagen: Ja, das ist ja ganz richtig, dass die Jungs da mal was machen, das finden wir doch gar nicht so schlimm und die haben doch ganz gute Anschauungen und so."

"Sie haben ne breite Akzeptanz, wir haben seit dem Jahr 2000 aus diesem Bereich hier Firmengründungen, wo sie also in kleineren Dörfern tatsächlich mit zu den Eliten gehören, die sich für die Region engagieren, die Arbeitsplätze schaffen, die kulturelle Arbeit machen, beispielsweise mit dem Heimatbund Pommern, sie treten bei Dorffesten auf, machen ne sehr, sehr professionelle Jugendarbeit, und über diesen Weg ist es ihnen gelungen, tatsächlich auch als politische Kraft in dieser Region akzeptiert zu sein."

Sagt Günter Hoffmann, und er muss es wissen. Mancher sagt, er kennt die rechte Szene in Vorpommern besser als der Verfassungsschutz. Hoffmann ist Netzwerker für Civitas, das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus. Dass Rechtsextremismus hier mehr ist als ein Randphänomen, weiß er, seit er selbst in dieser Gegend wohnt.
Ueckermünde Ost. Ein Plattenbau-Viertel mit den üblichen Plattenbauproblemen: Arbeitslosigkeit, Wegzug, Hoffnungslosigkeit. Ob die aber alleine erklären, warum die NPD hier mit 35 Prozent die stärkste Partei geworden ist?

Mann: "Ist doch in Ordnung."
"Warum?"
"Ja, weil se endlich mal wat tun solln hier."
"Und wie stehen sie so zu den Zielen der NPD?"
"Dazu steh ich voll und ganz. So lange wie ich noch arbeitslos bin und andern das sehr gut geht in unserm Land, werd ich auch meine Meinung nicht ändern."
Alte Frau: "NPD?... Hab ich auch gewählt."
"Das Wahlergebnis der NPD hier, was halten Sie davon?"
Mann: "Na super."
"Warum?"
"Kein Kommentar dazu. Endlich mal n bisschen Stimmung drin."
Was halten Sie denn von dem Wahlergebnis?"
Mann: "Na, is ganz gut so."
"Warum?"
"Na ja, da wird wenigstens ma hier für Ordnung gesorgt."
"Ordnung?"
"Jo."
Junges Paar: "Gut."
"Warum gut?"
"Weil dann Hartz IV abgeschafft wird."
"Habt ihr auch die NPD gewählt?"
"Ja."
"Wie sind die denn, kennt ihr die?"
"Wir kommen gut mit die klar. Die, die wir kennen. Also wir ham mit die keine Probleme."
"Sind das nette Jungs?"
"Jo, klar. Die wir kennen, die sind eigentlich ganz in Ordnung."

Eigentlich haben die Ueckermünder nicht die NPD gewählt, sondern Neonazi-Kameradschaften, sagt Günther Hoffmann. Früher haben erlebnisorientierte Skinheads die grobe Arbeit für die Nadelstreifen-Nazis erledigt, nun hat Mecklenburg-Vorpommern die Kameradschaft selbst ins Parlament gewählt.

"Wir haben im Uecker-Randow-Kreis wirklich nur rudimentäre Strukturen der NPD, wir haben hier ein oder zwei Funktionäre gehabt, ansonsten sind es hier wirklich aus sich gewachsene Strukturen, die aus dem Kameradschaftsumfeld kommen."

Die Parteistrukturen sind nur das Sprungbrett. Tino Müller kommt aus Ueckermünde Ost. In der NPD ist er seit nicht einmal einem Jahr, Führer einer Neonazi-Kameradschaft ist er schon lange. Jetzt sitzt er im Landtag. Und vor dem Mikrofon.

"Was gibt Ihnen denn der Bürger hier mit auf den Weg, was sie dann hier einbringen, thematisch?"
"Ja… der Bürger wird ungerecht behandelt, und der tritt an uns ran… und wir… praktizieren dat hier halt im Parlament… wat dem Bürger nich jefällt. Und werden danach unsere Anträge gestalten halt."

"Wer ist Tino Müller?"

Erinski: "Tino Müller ist ein 28-jähriger Mitbürger aus Ueckermünde, ein Vater von zwei Söhnen, eher unauffällig, Maurer, Arbeiter, Kameradschaftsführer, Vorsitzender der Bürgerinitiative ‚Schöner und sicherer Wohnen in Ueckermünde’, vom Heimatbund Pommern e.V. – zur Pflege des deutschen und pommerschen Lied- und Tanz- und Gedankengutes…"

Der Heimatbund Pommern macht Rad- und Angeltouren für Kinder und singt bei Dorffesten. Dabei weiß mancher Bürgermeister, welche Geister er ruft, für manchen gibt es ein böses Erwachen, wenn am Ende die Propaganda verteilt wird. Für Fremde ist der Heimatbund nicht auffindbar. Die "braven" Jungs in karierten Hemden agieren unbemerkt und kündigen ihre Auftritte nicht an. Der Heimatbund gilt als Tarnorganisation der Neonazi-Kameradschaften. Führender Kopf: Tino Müller.
Und im Wahlkampf forderten die Rechten ganz brav den Erhalt ländlicher Postfilialen.

Hoffmann: "Die NPD beziehungsweise die Kameradschaften hier in der Region haben ja ganz bewusst in ihrem Wahlkampf die Sorgen und Nöte ganz klar formuliert, die die Leute haben. Sie haben keine Lösungsvorschläge formuliert, aber sie haben einfach die Problematiken aufgegriffen. Sei es Schulstandortschließungen, sei es Hartz IV. Und damit haben sie diese Inhalte praktisch als trojanisches Pferd mitbenutzt. "

Umfrage:
"Tino Müller, haben sie den auch gewählt?"
"Ja. Ich hoffe, dass er auch hier für die Jugendlichen bisschen was mit unternimmt und alles…"

Hoffmann: "Sie benutzen die Probleme praktisch nur, um ihrem Ziel näher zu kommen, das demokratische System als ganzes in Frage zu stellen, um ein totalitäres System nach dem Vorbild des dritten Reiches zu etablieren."

"Gab es was Gutes an Hitler?"
Tino Müller: "Zu geschichtlichen Fragen werde ich hier generell keine Antwort geben, ich bin der jüngste ausse Fraktion, ick bin zukunft jewandt, sie können zu meiner Person gerne Fragen stellen oder beziehungsweise zur Fraktion. Zu jeschichtlichen Fragen steh ich nich zur Verfügung. "

Zukunft ohne Geschichte, die Gegenwart ohne Vergangenheit?

Es ist schon ein mulmiges Gefühl, zu den Garagen zu gehen. Den zwei, drei Garagen in Ueckermünde Ost, die die Neonazis angemietet haben. Wo man sie angeblich trifft, wo sie trinken und Musik hören.

Erinski: "Ja, ne zu haltende Hochburg, ne Festung, die bundesweit nen Namen hat, Ueckermünder Garagenkomplex war wohl in jeder Mund, gibt auch Stimmen, gibt auch Stimmen, wo einige Leute auch sagen: "Seit dem die da sind, gab’s bei mir keine Einbrüche mehr, bin froh dass die da sind, und es hat sich innerhalb von zehn Jahren irgendwo etabliert…"

"Wie finden Sie das, dass die Jungs da in den Garagen sind?"
Passant: "Ja is ganz gut, da passiert wenigstens bisschen weniger. Vielleicht nimmt dat ma n bisschen ab, die Einbrüche in den Garagen…"
"Kennen Sie die, sind die in Ordnung?"
"Jo."

Hunderte Garagen und kein Mensch weit und breit. Ich folge der Musik. Dass die Neonazis sich mit ihrem neuen Saubermann-Image ein Gewaltverbot verordnet haben, tröstet jetzt wenig. Als sie mich kommen sehen, geht erst die Musik aus, dann werden ein paar Sachen in die Garage geräumt und die Türen verschlossen.

"Darf ich näher treten?"
"Was willst du hier, gibt nichts zu sehn."
"Ich bin Journalist…"
"Ja, dat sieht man."
"Sieht man, ne?"
"Sowat wolln wer hier nich haben."
"Bitte?"
"Sowat wolln wer hier nich haben."
"Hmm Schade, ich hab gehört hier treffe ich auch Leute vom Heimatbund?"
"Die sind heute bestimmt nich da…"
"A ha, warum?"
"Keine Ahnung."
"Habt Ihr Lust, mit mir zu reden?"
"Nee! Hab ich doch eben schon mal gesagt, sowat wolln wer hier nich."
"Na jut, denn… geh ich wieder, ne?"
"Ja, jenau!"

Den Beobachter macht stutzig, warum sich hier kaum einer aufregt. Civitas-Netzwerker Günther Hoffmann weiß eine Antwort.

Hoffmann: "Wir haben hier in den Familien wirklich das Problem, dass jeder an sich damit konfrontiert ist, es gibt also kaum Familien, auch hier von den politischen Verantwortungsträgern, in denen nicht mindestens einer drin sitzt, der in rechten Strukturen verankert ist. Und da fällt es natürlich dann schwer, sich gegen den eigenen Sohn zu positionieren oder den eigenen Cousin…"

Erinski: "…und denk an Sandro, was er mit Leon gemacht hat, unserem Jüngsten, sechs Jahre, ne? Der hat da im Bus sich mit dem beschäftigt, der hat Flugzeuge gebaut, der hat auf den aufgepasst, der hat, pass auf, wenn du über die Straße gehst, der hat den beschützt. Aber da erkennst du den Sandro nicht wieder, wenn der mal ein Bier getrunken hat, dann läuft der grüßend durch die Straßen.""
Hitlergrüßend?"
"Ja. Ganz knallhart."
"Regt sich da niemand mehr auf?"
"Ne. Oder? - Nein. - Nö, ich glaub nich."

Vom Fenster des Ueckermünder Hotels fällt der Blick auf den hübschen Marktplatz. Und auf eine Kneipe, in der Neonazis ein- und ausgehen, ein Treffpunkt der Szene in bester Lage. Und nicht einmal ein hilfloses "Nazis Raus"-Graffito an der Fassade.

Erinski: "Die Leute, die dort sich einfinden, wirst du bestimmt nicht sofort erkennen, da gehen drei Nationalsozialisten durch die Tür hinein, und ich glaub nicht, dass der Eigentümer das auf den ersten Blick erkannt hat, welches Klientel sich im Café Solo getroffen hat – ich kenn den Eigentümer nicht, es kann ein Sympathisant sein, der eingeladen hat, es kann aber auch jemand sein, dem das ins Haus gewachsen ist. Das Café Solo ist direkt am Markt. Klar."

Der abendliche Blick aus dem Hotelfenster macht nachdenklich und raubt den Schlaf. Ich komme, um die zu sehen, die ich gar nicht sehen will. Und dann kann ich sie nicht einmal sehen. Wo ist der rechte Mob? Unsichtbar. Außer im Wahlergebnis.

Hoffmann: "Seit einigen Jahren haben wir jetzt die herkömmlichen Phänomene, dass gestiefelte Glatzen durch die Straßen spazieren, überhaupt nicht mehr, also die haben sich so dem kulturellen Mainstream angepasst, und es ist für Nicht-Kenner der Szene mitunter überhaupt nicht möglich, eine Präsenz irgendwo zu erkennen."

Es gibt Ueckermünder, die das alles nicht hinnehmen, denen es nicht egal ist, ja manche, die sich engagieren. Als aus den Reihen der Kameradschaft die Bürgerinitiative "Schöner und sicherer wohnen in Ueckermünde" gegründet wurde, um den Umzug des Asylbewerberheimes in die Innenstadt zu verhindern, reagierten engagierte Bürger. Sie gründeten die BIRD – die Bürgerinitiative für Integration, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Unter ihnen Pfarrer Wulf Gaster, der auch Ausländerbeauftragter des Kreises Uecker-Randow ist.

Gaster: "…und da haben sich erstmal fünf zusammengefunden und gesagt: Wir müssen was dagegen unternehmen, wir waren zeitweise relativ groß und jetzt ist auch ne Kerngruppe von mehr oder weniger zehn Leuten. Aber wir haben einen großen Freundeskreis, also wenn was zu organisieren ist oder zu machen ist, haben wir Unterstützung."

Die Neonazis verteilten Flugblätter gegen das Asylbewerberheim, warben mit falschen Tatsachen und sammelten zweitausend Unterschriften – bei gerade einmal elftausend Einwohnern. Als das Asylbewerberheim dann aus ganz anderen Gründen in eine andere Stadt kam, verbuchten die Rechten das als ihren Erfolg.
Seitdem versucht BIRD nicht nur zu reagieren, sondern zu agieren, sagt Sozialdemokrat Erinski – ebenfalls BIRD-Gründungsmitglied.

"…und aus diesem Reagieren auf irgendeine Aktion selber auch aktiv zu werden. Also auch andere Leute durch Flugblätter oder durch Aufklärung oder auch durch Feste mitzureißen und zumindestens denen die Augen zu öffnen und zu sagen: Horch zu, so sieht’s aus, das waren die Kameradschaften, guckt hin, die sind jetzt NPD-Mitglied, kuck ma was daraus geworden ist, wie viel Stimmen die Leute doch hier gekriegt haben."

Die Neonazi-Szene hat ein Exempel statuiert. Vorpommern ist ein Projekt, ein Experiment, das funktioniert hat.

Hoffmann: "Der Aufbau rechter Strukturen ist hier die letzten zehn Jahre doch eher ungestört vonstatten gegangen. Die Region Vorpommern gilt im deutschsprachigen Raum tatsächlich als ne Modellregion im Zusammenhang mit Verankerung rechter Strukturen in der bürgerlichen Mitte."

Längst plant die rechte Szene weiter. 2009 sind Landtagswahlen in Thüringen. Im gleichen Jahr sind auch Kommunalwahlen in Mecklenburg Vorpommern, und die NPD ist sich sicher, dann die ersten Bürgermeister zu stellen – und nicht einmal mehr ihre Gegner zweifeln daran. Stärkste Partei ist die NPD in einigen Wahllokalen jetzt schon, nicht nur in Ueckermünde Ost. Da tut es gut, dass man auch hier ganz normale Menschen findet, die die Gefahr wenigstens erkannt haben.

Umfrage:
Frau: "Erschreckend. Aber wir haben’s erwartet. Gerade hier in Ost. Ist einfach nur erschreckend."
"Was halten Sie vom hohen Abschneiden der NPD?"
Mann: "Kacke!"
"Warum regt sich da niemand mehr richtig auf?"
Frau: "Weil’s zum Alltag mit gehört, ja, die gehören hier her und sind so, und es stört keinen mehr…"
Mann: "Mist! Wat da jewählt wurde. Jetz, wo dat Kind in Brunnen liegt, jetzt regense sich uff. Aber sie haben ihn jewählt, hier den Müller. Nu haben wir die Scheise. Keiner will mehr hier Urlaub machen deswegen, und so wat. Nu ham wer dat."
Frau: "Na dat war irgendwie vorauszusehen, dat hat sich ja abjezeichnet."
"Und wie finden sie’s?"
"Na scheiße, ne, dat gehört schon mit zum Bild, ne?"

Hoffmann: "Nein, die Hoffnung stirbt wie immer zuletzt… Es ist sehr, sehr viel Arbeit. Es geht in erster Linie darum, die Defizite der letzten 15 Jahre aufzuarbeiten."

Michaelis: "Und ich denke…"

…sagt die Bürgermeisterin…

"…dass auch unser amtliches Blatt, also unser Stadtreporter, hier an dieser Stelle die Aufgabe übernehmen muss und wird, zu bestimmten Themen Bürger zu informieren. Denn das ist ja das Blatt, das in jeden Haushalt geht, und da kann man bestimmte Dinge auch aufgreifen und beim Namen nennen. Unter anderem zum Beispiel auch den Begriff "Wotan erklären. Woher kommt das, was sind die Ursachen, wo sind die Hintergründe."
"Und wie wird er missbraucht…"
"Richtig. Und wie wird er missbraucht."