Der manisch-besessene König

Von Christoph Leibold · 03.03.2011
Schon Luchino Visconti räumte in seinem Film "Ludwig II." gründlich mit dem Mythos vom Märchenkönig, der seinen Bayern ein paar Bilderbuchschlösser hingestellt hat, auf. Ivo van Hove geht in seiner Inszenierung noch weiter.
Schon Luchino Visconti hatte in seinem Film "Ludwig II." gründlich aufgeräumt mit dem Mythos vom Märchenkönig, der seinen Bayern ein paar touristisch vermarktbare Bilderbuchschlösser hingestellt hat. Ivo van Hove geht in seiner Inszenierung an den Münchner Kammerspielen noch weiter. Er hat die Titelrolle mit dem fabelhaften holländischen Schauspieler Jeroen Willems besetzt, dessen Akzent nicht nur die Fremdheit Ludwigs gegenüber seiner Umwelt betont, sondern auch jeden Versuch der Mimikry von vorneherein verbietet. Willems sieht nicht nur nicht so aus wie der historische Ludwig, er ist auch kein melancholisch entrückter Monarch, sondern ein manisch-besessener; ein Kunst-Junkie, für den die Staatsgeschäfte Entzug vom Kunstgenuss bedeuten, die ihm sichtbar körperliche Beklemmung bereiten.

Wo Visconti im Rausch der Bilder schwelgt, inszeniert Ivo van Hove den Rausch eines Einzelnen. Die Bühne ist von schwarzen Wänden umstellt, die Ludwig im Laufe der Aufführung mit weißer Kreide vollkritzelt: Strichzeichnungen seiner Schlösser oder auch abstrakte Hirngespinste. So entwirft er nach und nach sein eigenes fantastisches Reich der Schönheit und Vollkommenheit. In der Mitte: ein weißer, begehbarer Quader, in dessen mit glänzenden Ornamenten verkleideten Inneren Ludwig seinen Regierungsverpflichtungen nachgehen muss, die per Live-Video auf die Außenwand dieses goldenen Käfigs projiziert werden.

Ivo van Hove erzählt in enger Anlehnung an das Drehbuch des Visconti-Films. Der farbenprächtigen Opulenz der Vorlage setzt er aber eine strenge Schwarz-Weiß-Ästhetik entgegen, der neben der Bühne auch die historisierenden Kostüme unterworfen sind. Entsprechend klar auch der Kontrast zwischen dem Kunstutopisten Ludwig II. und den Vertretern der Staatsraison um ihn herum. Die Sympathien liegen dabei eindeutig aufseiten Ludwigs - freilich ohne, dass Ivo van Hove Verklärung betreiben würde, bezahlt Ludwig doch die völlig Hingabe an die Kunst mit dem Verlust seiner selbst.